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Beitrag 4 von 6 Beiträgen.
Seite erstellt am 20.4.24 um 14:57 Uhr
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der Beitrag:
Verfasser: Nyu
Datum: Dienstag, den 23. Dezember 2003, um 17:10 Uhr
Betrifft: Ökumene und Du

Hallo "psverlag",

ich werde einfach einmal Deinen "Aufsatz" der Reihe nach durchgehen und meine (!) eigene Meinung hierzu zum Besten geben.

Also:
> Bin außerdem noch kein HLT-Getaufter, prüfe noch

Okay, besteht also noch Hoffnung...
Nein, so fatal ist Dein "Untersuchertum" gar nicht. Viele hier können Erfahrungen mitteilen, die ob der Option, das ein vernünftiger Mensch sich überlegen könnte, sich als Mormone taufen zu lassen, die Hände über dem Kopf zusammenschlagen werden. Auch wenn Du vielleicht nicht die Notwendigkeit der Diskussion über das Wesen Gottes oder andere "Haarspaltereien" nachvollziehen kannst, so ist das doch nicht das Kernthema in diesem Forum.
Vielmehr geht es eher um die Verarbeitung der Erfahrungen in einer orthodox-konservativen Kirche mit einer recht "wilden" Lehre und Geschichte und einer häufig in ideologischen Scheuklappen denkenden Gemeinschaft.

> Verstehe allerdings nicht ganz, wie sich Menschen darüber ereifern können, ob 3 Götter nun 2 Götter sind oder eigentlich eher einer mehr oder weniger.
Ich bin hier Deiner Meinung. Allerdings was machst Du, wenn Du in den Versammlungen sitzt und Dich fragen musst, ob Du das, was dort erzählt wird, auch so glauben kannst. Neulich war ich bei den Baptisten und der Prediger betet: "Herr Jesus, wir danken dir... und ausserdem danken wir dir, dass du uns deinen Sohn geschickt hast...." Sorry, aber 1. Jesus wollte und will, meiner Meinung nach, nicht angebetet werden und 2. wer war, bitte schön, der Sohn von Jesus? Ich meine, ich weiss ja, dass die an die Dreifaltigkeit glauben aber ich glaube nicht daran und kann mir das weder vorstellen noch sehe ich für solch eine Lehre eine überzeugende Basis in den Schriften. Sorry. Ausserdem glaube ich daran, dass ich, wenn ich mich dazu entschieden habe zu Jesus zu beten, auch dabei bleiben sollte und nicht mittendrin eine neue Platte auflege.

> Ich durfte ohne irgendwelche Liturgieabweichung ganz normal mit meiner Frau kirchlich getraut werden
Du schreibst hier von Deinem Kirchenleben in den ökumenischen Religionen. Wenn Du Mormone wirst, dann wirst Du in der "einzig-wahren Kirche sein" die anderen Kirchen haben dann zwar auch einen Teil der Wahrheit und auch wirkt ja das "Licht Christi" in diesen Kirchen und führt deren Mitglieder zur Wahrheit aber den "Heiligen Geist" wirst Du natürlich nur noch in Fülle in der HLT-Kirche finden. Soweit der Anspruch.
Jetzt kannst Du Dir noch sagen, dass irgendwie alle recht und unrecht haben und einfach die Schönheit des Christentums geniessen, wenn Du es denn kannst. Wenn Du "plötzlich" anfängst daran zu glauben, dass nur noch die HLT-Kirche die einzig-gültige Wahrheit hat, dann ist es damit leider vorbei und Du wirst im Laufe der folgenden Monate an Dinge glauben, die Deine Mitarbeiter, Kollegen und Freunde nicht werden nachvollziehen können.
Das allein muss ja noch kein Problem sein, wenn man denn daran glaubt. Auch die frühen Christen hatten für ihren Anspruch an Wahrheit und Wahrhaftigkeit ja einiges in Kauf genommen und sowas adelt ja auch. Aber ich schreibe ja auch nur von den Konsequenzen einer Taufe bei den Mormonen. Ob sie das wert ist, musst Du entscheiden.

> Wenn meine Lehrlinge mal so redegewandt, diszipliniert, sozial kompetent, frei von allen Lastern der Zivilisation wären und dazu noch ein festes Ziel im Leben ansteuern würden...
Es gibt sicherlich auch bei den Missionaren Unterschiede. Ich könnte Dir Geschichten von meiner Mission erzählen.... Aber das muss jetzt nicht sein. Überwiegend hast Du aber mit Deiner Einschätzung der Mormonenmissionare recht. Nette, fleissige, tugendhafte Missionare, die es ehrlich meinen. Die Elders nieder zu machen gehört sich nicht. Viel besser ist es, ihnen ein Essen anzubieten und ihnen Gelegenheit geben, auch einmal die Seele baumeln zu lassen. Denn die Missionare haben ein strenges Programm, dass von Mission zu Mission variiert und voll auf Fleiss und Gehorsam ausgerichtet ist. Sie orientieren sich bei dem, was sie tun, sehr stark an ihren "6 Diskussionen", die durch ein sogenanntes "Verpflichtungsmuster" strukturiert, dem "Untersucher" helfen sollen, die nötigen Schritte hin zu einem Leben als Mormone zu gehen und diese Hürden "Zehnter", "Wort der Weisheit" usw. zu nehmen, immer auf die Hilfe des Herrn in dieser Sache bauend, der schon die Gebete des "Untersuchers" positiv beantworten wird. Die Missionare unterliegen einfach einem sehr strikten Verhaltenskodex, dem "weissen Handbuch", das sie immer bei sich tragen müssen und das ihnen z.B. verbietet, zu schwimmen oder auf einem vollen Spielfeld Basketball zu spielen usw. Lass Dir doch mal dieses Buch zeigen. Dann wirst Du auch schnell begreifen, warum diese Elders diesen Eindruck auf Dich machen.

> Vielleicht sollten wir uns so eine Art Relativitätstheorie auch in Glaubensfragen leisten?
So eine Relativitätstheorie muss dann aber auch für Jene gelten, die aus der Tatsache heraus, dass sie gebrannte Kinder sind, der Kirche den Rücken kehren dürfen. Tatsächlich haben die HLT eine Lehre, die ihnen sehr wichtig ist. Wenn man kritische Fragen stellt, wird man gemieden oder zumindest die Themen werden gemieden. Wie Dein Beispiel von Eurer Ev. Lehrerin beweist, haben natürlich keinesfalls die Mormonen sektiererisches Verhalten gepachtet - was es aber nicht entschuldigt, oder? Du kannst Dich ja aber gerne einmal eingehender mit den Biographien von Elvira, Burkard und Rainer und Renate und anderen hier beschäftigen und wirst einige traurige Geschichten hören.

> Und gestehe ich den Propheten dann noch ein paar menschliche Schwächen zu, dann kann ich mich mit dem Feigenbaum, den Jesus offenbar im Jähzorn misshandelte (Vollmachts-Missbrauch?), genauso abfinden wie mit einigen Textstellen in anderen Schriften neben der Bibel. Es bleiben wohl immer noch genug lobenswerte Aussagen übrig, oder etwa nicht?
Ich gestehe den Propheten und Aposteln gerne Fehler und Schwächen zu.
Gerade diese Woche habe ich einen interessanten Spruch gelesen: "Die Laster der Priesterschaft sind bei weitem weniger gefährlich als ihre Tugenden". Mir gefällt dieser Ausspruch, weil es aufzeigt, dass Heuchelei die Geissel der Religionen ist wie Korruption die Geissel der Staaten. Die Mormonenkirche hat sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zentralisiert und poliert und sich nach aussen und nach innen hin den Anstrich von Perfektion gegeben. Weniger und weniger Entscheidungen werden vor Ort oder vom Einzelnen gefällt und Freiheiten entfallen.
Die Frage ist doch: ist das mormonische Fortschrittsevangelium gesund und hilft es den Menschen, ein ausgefülltes Leben zu führen oder behindert es? Das werden Dir die Menschen im Spektrum der mormonischen Erfahrung von Erz-orthodox bis Erz-Abgefallen unterschiedlich beantworten können.
Was manche nervt, ist die Tatsache, dass in vielen Gebieten und Regionen, vor allem in Kleinstädten im amerikanischen Westen und Mittelwesten (dem sogenannten Mormon Corridor) die Kirche (Kultur und lokale Gemeinden und Pfähle) auf ihre Mitglieder einen Druck ausübt, der sie krank macht und, wie Elvira schon festgestellt hat, wichtige Bestandteile des Wesens der Mitglieder ignoriert und versündigt, also für teuflisch hält (Leidenschaft, freier Gebraucht des Verstandes, Drang nach Kreativität durch Freiheit und Definition entgegen der Konvention, Lust ohne Angst im Rahmen des eigenen Verständnisses von Recht und Unrecht...).
Soll meinen. Vielen wird die mormonische Luft zu dick. Sie wollen endlich mal durchatmen können.

> Moralische Hemmschwellen installiert man eben anders fixer.
Gute Beobachtung !

> dann kann ich mich mit dem Feigenbaum, den Jesus offenbar im Jähzorn misshandelte (Vollmachts-Missbrauch?), genauso abfinden...
Interessantes Thema. Ich denke, hier hat sich Jesus keinesfalls gedacht: so, Du blöder fruchtloser Baum, Dir zeig ich´s. Sondern er hat gezeigt, dass er a.) der Herr ist und b.) zeigt, dass er als Herr das Leben ohne gute Früchte nicht gebrauchen kann und verdörren wird. Das hat er den Aposteln damit klargemacht.

> Mein Buch wird heißen: Und vergib uns unsere Schuld... Und ich bezeuge, dass ich kleiner Mensch darin versuche, wenigstens in die Nähe von Wahrheit zu kommen. Ob mir dabei bislang jemand die Feder führte, oder ob dies später noch passiert, falls ich Teile noch einmal anders schreiben muss - wer weiß?
So schreibt sich auch mein Buch. Ich beglückwünsche Dich zu dieser Offenheit. Auch ich bin auf der Suche nach Wahrheit und hoffe, dass ich mit meinem häufigen zwischen-den-Stühlen-sitzen nicht auch irgendwann voll auf den Boden falle.

Aber so, wie Du Dich anhörst, scheinst Du Dich den Mormonen schon recht zugehörig zu fühlen. Egal was Du tust.
- Lass niemals die Kirche Deine Vernunft ersetzen
- versuche dann bitte nicht, Deine Lehrlinge zu bekehren
- Werde nicht zu einem Grund dafür, das Menschen hier in diesem Forum ihre Wunden lecken müssen
(denn in diese Rolle der Macht über andere Menschen wirst Du kommen, wenn Du Dich bei den Mormonen an die Regeln hältst. Denn Des Weiteren beherrschst Du relativ fehlerfrei die deutsche Sprache in Schrift und bestimmt auch in Wort und gehörst vielleicht sogar zur oberen Mittelschicht, denn Du hast ja selber wohl irgendwie Mitarbeiter)
Letztere beiden Punkte magst Du lächerlich finden, aber denke nicht, dass meine Analyse dieser Tatsachen in Bezug auf eine mögliche relevante Kirchenberufung ohne Bedeutung ist. Sehr viele Mitglieder in Deutschland können sich nämlich nicht fehlerfrei und reflektiert ausdrücken und kommen beruflich gerade so klar.
Ich bin Personalberater, ich weiss das, weil mich immer irgendwie "Job Specs" und "KO-Kriterien" interessieren, selbst wenn sich das auf die Kirche bezieht. Typen wie Du sind heisse Kandidaten auf Powerjobs in der Kirche.

Wie auch immer. Ich finde Deine Herangehensweise gut. Bin mal gespannt, wohin es Dich verschlägt.

liebe Grüsse,
Henning

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