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Seite erstellt am 26.4.24 um 1:42 Uhr
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Verfasser: Elvira
Datum: Mittwoch, den 24. September 2003, um 18:11 Uhr
Betrifft: "Jesus predigte das Reich Gottes und was kam, war die Kirche"

Hallo fairstyle,
eigentlich gibt es nicht mehr viel für mich zu sagen, denn Gunar hat schon einen entscheidenden Punkt bezügl. Deiner Bemerkungen angesprochen. Und ich habe das Buch, dass ich Dir empfohlen habe nicht nur zum Spaß genannt. Die Thematik ist nämlich derart umfangreich und komplex, dass das hier kaum in einem posting zu erörtern ist. Es ist einfach nötig sich über das üblich Maß hinaus zu informieren.

Was mir noch entscheidend zu sein scheint ist, die Art der Betrachtungsweise, die einem zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen kommen lässt. Auch schon von Gunar angsprochen.

a) Du betrachtest das Evangelium und Jesus Christus von seinem Ende/Ergebnis her, von der Zeit der Kirchengründung aus, durch Smith und der Gesamtheit an Theologie die von ihm stammt (ok, Du glaubst es kommt direkt von Gott). Jesus hat da nur die Funktion Erlöser. ( Obwohl dabei die von Paulus eröffneten Aspekte für die HLT- Theologie völlig unter den Tisch fällt, aber das nur am Rande, zeigt aber die Komplexität.) Alles was HLT Kirche heute tut, wird rückwirkend interpretiert und es wird behauptet, dass das in der frühen Kirche auch so war, was beim Studium der Sachlage aber nicht stimmt.

b) Ich betrachte das Evangelium und die Person Jesus Christus von ihrem Anfang/Ursprung aus. Um das richtig zu sehen, muss man weit zurück gehen in die Geschichte des Volkes Israel. Das Volk Israel mit seinem Stammesgott Jahwe der das Volk führt, ihm Gesetze gibt und ihm einen Messias verspricht. Nur so lassen sich die Aussagen von Jesus richtig verstehen. Jesus war Jude, predigte Juden und sein engster Mitarbeiter Petrus hat seinen Tod ganz im Sinne des mosaischen Sühnopfers interpretiert. Und Jesus war in der Form in der er sich zeigte Mensch. Von da aus ist es ein langer Weg zu mir, der ich 2000 Jahre später und in einem anderen Kulturkreis lebe. Mein Bestreben ist es, möglichst genau herauszufinden, was Jesus damals mit seinen Aussagen meinte und sie auf meine heutige Lebenssituation zu übertragen.
Das nun einmal als Vorbemerkung.

>das sich der begriff von gemeinschaft und kirche bei der hohen anzahl
>von anhängern zwangsläufig verändern wird ist klar...trotzdem..alle
>ämter waren schon damals vorhanden...es gab schon immer ein
>führungsgremium..die frauen hatten nichts zu sagen...und auch schon
>gemeindeausschlüsse waren an der tagesordnung

Mit dieser Aussage machst Du es Dir zu einfach. Wenn man zum Ursprung zurück geht und dabei immer die Frage: Was wollte Jesus im Kopf behält , fällt folgendes auf:

1. Jesus selbst hat keine Kirche gegründet. Er hat gepredigt, geheilt, gesegnet, Apostel berufen. Er hat noch nicht mal getauft.

2. Jesus selbst hat keine Aufzeichnungen geführt, das erwähne ich, damit Du den Unterschied zum Mormonismus bemerkst. Wir sind also darauf angewiesen, uns auf das zu stützen was andere über ihn ausgesagt haben (Evangelien, Apostelg.) und das wie ihn frühe Anhänger (Paulus ) interpretiert haben. Dazu wäre es nun weiterhin notwendig den Begriff der Synagoge zu klären bzw. deren Entstehung.

3. Wenn man also diese Aufzeichnungen zu Grunde legt dann bemerkt man, dass im NT der Begriff Kirche unterschiedliche Bedeutung hat.
Da wo im Urtext „Ecclesia“ steht, ist damit die Versammlung der politischen Gemeinde gemeint. Einfach nur die Versammlung, das Zusammenkommen, ohne Bennennung von Aufgaben und Orientierung oder Vollmacht.
Da wo im Urtext „qhahal“ steht, ist damit das zeitenübergreifende Volk Israel gemeint.
Die Gemeinschaft der Heiligen bestand aus Personen die Jesus nachfolgten und in der Folge Gemeinde bildeten. Es gibt aber auch für den Begriff Gemeinde  im NT keine einheitliche Definition.

Wenn man diese Aufzeichnungen durchforstet, bemerkt man, dass Jesus nicht von Kirche spricht, sondern vom „Kommen des Reiches Gottes“.  Reich Gottes aber ist nicht identisch mit Kirche.
Weiter fällt auf, dass es im NT keine einheitliche Struktur gibt, was die Ämter betrifft. In verschiedenen Gemeinden gab es unterschiedliche Ämter.
So gab es Gemeinden in denen die Frauen sehr wohl was zu sagen hatten vergl. dazu Lydia.
Erst ab dem 2. Jahrhundert tritt der Posten des Bischofs auf und weil Du von Führungsgremien sprichst, die Mitarbeiter des Bischofs Presbyter und Diakone noch später.

> interessante wichtige frage...ich glaube damals glaubten alle daran,
>dass es heilsnotwendig war der richtigen kirche anzugehören und die
>gemeinschaft der heiligen zu pflegen..

Es gab damals keine einheitlich organisierste Kirche wie Du sie von den HLT kennst, es gibt keine Aufzeichnungen die besagen, dass es für die Erlösung notwendig war, der Gemeinde anzugehören, Jesus sagt nichts dazu.
Deshalb fühle ich mich also nicht einer einzig wahren Kirche zugehörig, sondern der Gemeinschaft der Heiligen, die durch alle Zeiten und an allen Orten die Menschen umfasst die in der Nachfolge Jesu Christi stehen.

>ich glaube das hat etwas mit dem priestertum zu tun...heilsnotwendig
>war nach deren ansicht auf jeden fall die taufe..und die taufe, und
>das sagt schon paulus und petrus..konnten nur die mit vollmacht geben
>!!!!
>die also petrus und paulus folgten in der jerusalemer gemeinde !!!!

Mit Jesus war das alttestamentarische Priestertum zu Ende gekommen. Da er nun das Sühnopfer leistete, waren Tempel und Priester überflüssig geworden. Die Form von Priestertum und der Vollmachtsgedanke, sind wieder von Dir als HLT rückwärtig in das Urchristentum hinein interpretiert.

Es gibt m. E. keine Schriftstelle die beweisen würde, dass die Taufe heilsnotwendig im Sinne für die Erlösung notwendig wäre. Jesus selbst tauft nicht. Und weil Du gerade Petrus und Paulus ansprichst:
Petrus war nach allem was wir wissen das Oberhaupt der Jerusalemer Christen, allesamt Judenchristen. Sie vollzogen wahrscheinlich die Taufe, denn symbolische Waschungen und Reinigungen, in unter den Synagogen gelegenen Becken, waren im Judentum auch üblich. Die Taufe ist nichts exklusives, die erst mit Jesus aufkam.
Paulus wandte sich zuerst an Nichtjuden, was Petrus bekanntlich gar nicht passte. Und Paulus war es, der an die Römer schrieb: „Der aus Glauben Gerechte wird leben“, da steht nichts von Taufe, Zehnten, WdW, Tempebündnissen, Genealogie und und und was in der mormonischen Theologie erst alles abgeleistet werden muss, bevor er zum ewigen Leben zugelassen wird.
Der Glaube an Jesus Christus alleine reicht aus. Sonst braucht es nichts. Und damit schließt sich der Bogen. Diejenigen die an Jesu Botschaft glaubte, ihm nachfolgen und zu ihm bekannte, bildeten natürlicherweise Gemeinschaft mit den Gleichgesinnten. So entstand die Jerusalemer Gemeinde (Übrigens ein ganz interessanter Faktor, dass die Apostel nicht in Galiläa, wo sie zu Hause waren und mit Jesus gelebt hatten Gemeinden bildeten sondern in Jerusalem. ) und auf dieser Basis durch jene die zur Mission loszogen, anderen Gemeinden und damit später das was wir Kirche nennen. Ämter und Dogmen wurden später von Menschen der Kirche hinzugefügt.

Das ist sehr, sehr verkürzt die historische Wirklichkeit der Kirche und hat wie Du zugeben wirst, kaum etwas mit der mormonischen Auffassung zu tun.

Zu Deiner Frage bezügl. Freikirche. Ich zähle mich zu einer sog. Basisgemeinde. Der größte Unterschied: wir glauben nicht, dass wir die allein seligmachende Kirche sind. Wir glauben nicht, dass es eine einzig, wahre von Jesus gewollte Kirche gibt. Wir erheben keine Anspruch darauf, dass man nur durch uns und bei uns das ewige Leben erwerben kann oder die Vollmacht von Gott besitzen.
Neben vielen anderen Unterschieden, dürfen Frauen bei uns sehr wohl was sagen und alle Funktionen inne haben. Zur Lebenspraxis vergl. dazu, was ich kürzlich über Grundsätze gestern und heute geschrieben habe.
Entscheidend für mich aber ist, dass wir hier und jetzt unser irdisches Leben in der Nachfolge leben, damit es uns und den Menschen mit denen wir zusammen leben, arbeiten, denen wir begegnen und die mit uns gerade die Erde bevölkern, das von Jesus versprochene Himmelreich= Reich Gottes erleben. Eben im Sinne von Lukas 17, 21 „...denn das Reich Gottes ist schon mitten unter euch.“ Wir leben das vom hier und jetzt aus, so gut wir das können und immer dann, wenn Nachfolge gelingt, dann bricht für diesen Moment das Reich Gottes an. Für uns ist  das Lebens ein wertvolles Geschenk, die Hauptsache und nicht nur eine lästige Durchgangszeit mit vielen Gebote und Verboten zur Cel. Herrlickeit. Für uns ist die Gegenwart das entscheidende und nicht eine ferne Zukunft.

In diesem Sinne wünsche ich Dir Tage an denen Du das „Reich Gottes“ hier und jetzt wahrnehmen kannst.

Elvira

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