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Seite erstellt am 16.4.24 um 15:33 Uhr
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Verfasser: Elvira
Datum: Montag, den 15. September 2003, um 22:55 Uhr
Betrifft: Verlieren- gehen- suchen- finden

Hallo Hennig,
ziemlich oft, wenn ich von Dir lese, dann erinnert mich das an meinen Weg aus der Kirche. Deine Kämpfe sind meinen sehr ähnlich und deshalb, muss ich ab und zu was dazu sagen.

Wenn Mormonen inaktiv werden oder gar die Kirche verlassen, dann gibt es dafür Erklärungen und die werden für die, die bleiben dringend gebraucht,  denn es ist verwirrend und destruktiv wenn jemand freiwillig den „Himmel“ verlässt. Die Erklärungen sind gemeinhin: Die Person ist von einem Mitglied in irgendeiner Weise beleidigt, verletzt, hintergangen worden und deshalb kommt sie nicht mehr. Trifft das nicht zu, dann hat sie nicht genügend gebetet, studiert, die Gebote nicht gehalten, ihre Tempelbündnisse nicht ernst genommen, ihre Berufungen nicht ordentlich erledigt und dadurch ihr Zeugnis verloren.  Damit sind alle anderen dann auch auf einen Schlag ihre Verantwortung für diesen Menschen los, denn es ist schließlich seine Schuld.
Dass die Gebote nicht gehalten werden, hängt damit zusammen, dass die Person etwas anderes will, eben Alkohol trinken oder seine Zehnten für sich selbst verwenden. Das impliziert, dass die abgefallene/inaktive Person eine Vorstellung von einem anderen Leben hat und dann einfach dahin geht um es auszuleben. Das ist ein prima Erklärung innerhalb des Systems. Tatsächlich geht es in der Realität fast nie so. Es ist eben kein neuer, anderer Weg da, der so verlockend wäre, dass man alles andere hinter sich lässt.
Es ist eher das Gegenteil der Fall: Man hat rausgefunden, dass die Kirchengeschichte gefälscht ist und glaubt nun nicht mehr an die Botschaft der Ersten Vision. Man entdeckt Widersprüche in den Schriften und plötzlich passt nichts mehr zusammen. Man erfährt, dass die Tempelbündnisse, nichts weiter sind, als Freimauerrituale und weiß, dass man also gar keine Bündnisse mit Gott geschlossen hat. All das deutet darauf hin, dass es nicht einfach etwas anderes ist, das die Kirche ersetzen soll und dabei kommen schon gar keine niederen Beweggründe zu tage.
Es zeigt vielmehr, dass alles, was bisher eine Bedeutung hatte nun keine mehr hat, unwichtig ist, gefälscht, eine Lüge und man geht schließlich, weil man sein Leben nicht weiter auf einer Lüge aufbauen kann.

Und so geht man erst mal ohne neues Ziel, ohne Lebensgrundlage, steht vor seinem eingestürzten Lebenshaus und weiß nicht, wo man in Zukunft wohnen wird. Und erst dann wenn das so weit vollzogen ist, dann kann man vorsichtig beginnen, sich neue Perspektiven zu erarbeiten.

>. Oder ich finde etwas und gehe dahin.

Man geht nicht erst, wenn man was Neues gefunden hat. Man geht, wenn das Alte überholt ist und keinerlei Perspektive mehr liefert.
Das Auszuhalten, perspektivlos zu leben, ohne Organisation im Rücken, ohne Leute, die genau sagen, wie alles richtig gemacht werden muss, ohne Priestertum und Krankensegen, das ist für mich, nach dem der Ausstieg für alle sichtbar vollzogen war, noch mal eine harte Wegstrecke gewesen. Ich habe eine ganze Weile noch nach Verbindlichkeiten gesucht, nach Lehren die mich leiten sollten und die mir Sicherheit verschafften und einen Zugang zu Gott. Es hat eine lange Zeit und viele, viele Gespräche mit einem Freund gebraucht, bis ich davon lassen konnte.

Und wie ich hier lese und es interpretiere, bist Du mitten in diesem Prozess drin.

>Kannst Du wirklich ernsthaft von Dir behaupten, dass Gott Dich als WASAUCHIMMER genauso liebt und Dir genauso viele Möglichkeiten für Deine Erlösung schenkt wie "damals"? Ich hoffe das für Dich. Ich kann das von mir noch nicht behaupten und ich weiss auch nicht, wie das geht. Ich, im Gegensatz zu Dir, befinde mich in einer Halle von der man sagt, sie hätte tausend Türen, und sehe keine Einzige ausser der aus der ich gerade gekommen bin. Imernoch.

Du brauchst keine Erlösung und Du brauchst nicht in dieser Halle sitzen bleiben und Dir den Kopf zerbrechen, wo die vielen Türen sind und welche Tür die Richtige ist. Es gibt sie nicht die einzig richtige Tür, es gibt nur die Türen die Du zu öffnen wagst.
Es gibt sie nicht die neuen Verbindlichkeiten, die Dich leiten.
Und setz Dich nicht unter Zeitdruck, mit „immer noch“, das ist kein Wettrennen, wenn Du noch einige Zeit in der Halle brauchst, bis Du Dir eine Tür ausgesucht hast, dann bleib eben noch ein bisschen.

Liebe Grüße,
Elvira

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