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der Beitrag:
Verfasser: Nyu
Datum: Montag, den 12. Mai 2003, um 22:34 Uhr
Betrifft: tja, wie ist das mit dem Buch Mormon?

Hallo Tian,

> Aber noch einmal zur allgemeinen Frage, etwas anders formuliert: Was macht für euch die Glaubwürdigkeit und Faszination des Buches Mormon aus? Ist es wirklich die wichtigste religöse Offenbarung der neueren Zeit, wenn ja, warum?

Weisst Du, diese Fragen stellen wir uns hier alle.
In der "Encyclopedia of Mormonism" schreibt John E. Clark, dass es ca. 60 verschiedene Versionen der geographischen Lokalisierung der Völker des Buches Mormon auf dem amerikanischen Kontinent gibt. Manche sind der Meinung, dass die Nephiten und die Lamaniten und die anderen Völker sich über beide amerikanischen Kontinente erstreckt haben, andere meinen, die Völker des Buches Mormon wären nur im US-Bundesstaat New York gewesen (dort wo die goldenen Platten angeblich gefunden wurden). Wieder andere sind der Meinung, dass die Völker des Buches Mormon in Südamerika oder auch in Zentralamerika gewesen seien. Es gibt einige bedeutsame "landmarks" im Buch Mormon, die immer wieder auftauchen: der Ort, wo Lehi und seine Familie gelandet sein sollen, nachdem sie über den Indischen Ozean und den Pazifik (!) im verheissenen Land ankamen. Dann gibt es den Fluss Sidon, der sich von Nord nach Süd durch das ganze Land erstreckte. Dann widerum gibt es den Hügel Cumorah, an dem solche Kriege geführt wurden, dass Millionen umkamen. Es gibt die Stadt Zarahemla und dann den schmalen Hals Land, der das nord-östliche Meer vom nord-westlichen Meer trennte und von einem bestimmten Berg oder Hügel in der Mitte aus nach nur wenigen Tagesreisen zu durchqueren gewesen sein soll. Jeder denkt dabei natürlich sofort an Panama. Dann gibt es wiederum die verschiedenen Tagesreisen, die die einzelnen Gruppen zurückgelegt haben sollen (Armeen mit Männern reisen schneller pro Tag, als Gruppen mit Kindern und alten Menschen). Diese Dinge sollten eine genauere Lokalisierung der Völker eigentlich recht einfach gestalten, vor allem mit den heute verfügbaren Mitteln und Methoden der Archäologie und Geschichtsforschung. So einfach ist das leider nur nicht. Aus diesem Grund gibt es 60 verschiedene Theorien, wo sich die Völker des Buches Mormon aufgehalten haben könnten. Diese Theorien stammen von Generalauthoritäten (Kirchenführern), Forschern (vor allem innerhalb der Kirche) und einfachen Mitgliedern, die sich ereiferten, den Rätseln auf den Grund zu gehen.

Fakt ist, dass das Buch Mormon so gut geschrieben ist und so viele geistige Einsichten für den offenen Leser parat hält, dass es heute Millionen von Menschen gibt, die an die historische Validität des Buches Mormon glauben und ernsthaft irgendwo archäologische Beweise dafür vermuten.

Wenn Du den Begriff "Heilige Schrift" etwas anders definieren mögest, als Du es vielleicht gegenwärtig tust, dann kommst Du eventuell zu dem Schluss, dass auch das Buch Mormon als "Heilige Schrift" qualifiziert. Wenn es Dich erbaut und Dir geistige Kraft gibt, selbst wenn Du vermutest, dass dieses Buch ein Produkt des 19. Jahrhunderts ist, dann ist es Heilige Schrift für Dich. So jedenfalls habe ich das lange Jahre meiner Mitgliedschaft gesehen.
Bedenke nur eines: das Buch Mormon gibt etwas vor, was es nicht halten kann.
Sicherlich ist die Diskussion um die historische Authenzität des Buches Mormon noch nicht abgeschlossen. Immer wieder kommen die Apologeten (Verteidiger des momo-Glaubens) hervor und sehen hier einen Beweis oder da einen Beweis für irgendetwas, was man auch im Buch Mormon findet. Dann ist hier ein Altar, auf dem was steht oder dort ein kleiner Fluss oder ein kleines Tal. Dann taucht hier ein Name auf oder da ein Name auf.
Man meint auch, den ständig wiederkehrenden Satzteil "...und es begab sich" in Mayanischer Schrift gefunden zu haben. Okay.
Was spricht dagegen...Du kannst es sicherlich gerne noch einmal auf dieser Website unter "Das Buch Mormon" nachlesen aber was man heute weiss ist folgendes.
Wie Du schreibst sind die Ureinwohner Amerikas mongolisch in ihrer genetischen Abstammung. Man hat dazu hunderte von Stichprogen von Mitgliedern jeder erdenklichen Volksgruppe Amerikas entnommen. Die Hinweise weisen auf, dass die Gene mit Sicherheit mongolischen Ursprungs sind dass diese Völker zum verschwindend geringen Teil (im Durchschnitt) auch europäische Vorfahren haben - Westeuropäische, um genau zu sein. Nun werden Apologeten Dir nachweisen wollen, was alles nicht mit genetischen Untersuchungen nachgewiesen werden kann und dass die wissenschaftliche Methode fehlerhaft ist usw. Aber was soll´s. Schau Dir die Indianer an und sag mir, an wen die Dich eher erinnern: an einen jüdischen Rabbi oder einen mongolischen Steppenreiter. Aber glücklicherweise sagt das Buch Mormon ja, dass die (lustigerweise einzig überlebenden) Völker des Buches Mormon von Gott mit einer dunklen Haut verflucht worden waren.
Ein weiteres weites Feld der Beweise gegen die historische Authenzität des Buches Mormon findest Du in der Archäologie. Sag mir, wo ich im Alten Amerika Knochen von Pferden oder Elefanten oder Kureloms oder Kumoms (!) finde. Zeige mir das versteinerte Weizenbrot oder das Schwert aus Stahl. Stahl !!! Zeige mir die Kampfwagen und die metallenen Kopf- und Brustschilde aus Kupfer und Eisen oder die Bücher, die auf Messing- und Goldplatten geschrieben wurden.
Was man Dir zeigen kann ist z.B. eine erhalten gebliebene Pfanne in einer Höhle mit angebrannten Bohnen oder eine Überlieferung von Göttern und Mythen, die sich in manchen Teilen mehr oder weniger entfernt nach Geschichten aus dem Buch Mormon anhören könnte, aber nach genauerem Hinsehen wahrscheinlich einen völlig anderen Ursprung hat.
So ist das.
Man wird Dir bei genauerem Nachfragen aber wohl sagen, dass man zwar momentan noch keine Beweise gefunden hat, weil zum Teil die Budgets nicht ausreichen für "wissenschaftlich und empirisch haltbare Nachforschungen", dass man aber bis dahin ja schon einmal Moroni 10, Verse 3 bis 5 ausprobieren kann. Nämlich, wenn Du wissen willst, ob das Buch Mormon "wahr" ist, dann bete darüber und dann wirst Du ohne Zweifel herausfinden, dass das Buch Mormon "wahr" ist. Was auch immer "wahr" heisst. Wenn Du aber keine solche Antwort bekommst, dann wird man Dir sagen, dass das Buch Mormon immernoch wahr ist, dass nur etwas mit Deiner Methode, eine Antwort von Gott zu erlangen, nicht stimmt. In diesem Fall sollest Du Dich dann demütigen und umkehr üben. Dann - nach einigen Tagen, Wochen, Monaten, Jahren wirst Du sicherlich herausgefunden haben, dass das Buch Mormon wahr ist, weil Du es Dir einredest und weil Du ein gutes Gefühl hast, wenn Du bestimmte Passagen liest. Über andere kannst Du dann ja vielleicht hinweglesen. Du wirst dann "Zeugnis" davon ablegen, dass Du weisst, dass diese Kirche wahr ist und dass das Buch Mormon wahr ist und dass Joseph Smit ein wahrer Prophet Gottes ist und dass Gordon B. Hinckley oder Thomas S. Monson, der ihm post-mortem ja nachfolgen wird, ein wahrer Prophet Gottes ist und ein Prophet (obwohl er nichts prophezeit), ein Seher (obwohl er nichts sieht) und ein Offenbarer (obwohl er nichts offenbart) ist.
Aber ich sollte mit unseren Propheten, Sehern und Offenbarern nicht zu hart ins Gericht gehen. Es sind gute Menschen, die eine Kirche leiten, in der viele Menschen Richtung für ihr Leben finden und in der viele Menschen gerade aufgrund des Mythos eine Inspiration und eine Offenbarung erfahren.
Ich denke, letzlich liegt es an Dir, ob Du das Gefühl hast, ob das Buch Mormon für Dich wahr ist. Wenn es das ist und wenn Dich die vielen Beweise dagegen nicht stören, dann glaube daran. Ich bin kein Freund davon, herumzulaufen und den Kindern ihren Glauben an den Weihnachtsmann zu nehmen. Ganz sicher nicht. Man erreicht dadurch wohl nur Verstörtheit. Es mag in diesem Forum Leute geben, die gerade das anders sehen. Aber ich sehe es so.
Der Mormonismus ist eine Religion und eine Weltanschauung, die eine erstaunliche Komplexität besitzt. Es reicht, meiner Meinung nach, nicht, zu sagen, dass das Buch Mormon keine andere historische Grundlage hat, als die Gehirnwindungen von Old Joe und Freunde. Oder dass die mormonischen Tempelbündnisse abgewandelte Freimaurerrituale sind. Man muss auch die Faszination sehen, die dieses Vermächtnis auf die Nachfolger dieses Glaubens ausgeübt hat und auch weiterhin ausübt.
Ich wünschte nur, die Momos könnten eines Tages eingestehen, dass Menschen, die sich dagegen entschieden haben, an die Grundlage dieser Religion zu glauben, immernoch genauso gute oder noch bessere Menschen sein können. Und das so jemand eben nicht in die Hölle kommt.
Also für Dich hier noch mal meine Meinung. Nein, das Buch Mormon ist historisch nicht glaubwürdig. Und Ja, es ist für viele Menschen ein spirituell glaubwürdiges Buch.

Gruss,
Henning

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