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Verfasser: lucky Datum: Montag, den 7. April 2003, um 11:10 Uhr Betrifft: Die Weltbeglücker aus Washington
Die Weltbeglücker aus Washington
Von Michael Backfisch
George W. Bush steht am Mikrofon, und seine Stimme wird auf einmal butterweich. âEin befreiter Irak kann die Macht der Freiheit zeigenâ, sagt der Präsident an jenem Februarabend im feinen Washingtoner Hilton-Hotel. Sternenbanner prangen auf der Bühne â eine patriotische Symphonie aus Blau, Weià und Rot. In Bushs Blick glänzt jenes sentimentalische Weltbeglückungsfernweh, das ihn jedes Mal erfüllt, wenn er von âunserer gerechten Sacheâ spricht: âDiese lebenswichtige Region wird umgestaltet, indem Millionen Menschen in den Genuss von Hoffnung und Fortschritt kommen.â
WASHINGTON. Der Präsident redet sanft, keineswegs scharfmacherisch â und doch klingt es ein bisschen wie der spirituelle Feldzug eines Erweckungspredigers. Die geladenen Gäste des American Enterprise Institutes, einer konservativen Denkfabrik in der US-Hauptstadt, klatschen begeistert Beifall. Bush lächelt, man versteht sich.Dies war das erste Mal, dass der Präsident die Demokratisierung des gesamten Nahen Ostens zum Ziel der US-Regierung erklärte. Zuvor waren nur seine neokonservativen Minenhunde vorgeprescht â Leute wie der stellvertretende Verteidigungsminister Paul Wolfowitz oder die einflussreichen Pentagon-Berater Richard Perle und James Woolsey.
Doch es blieb nicht bei wolkigen Ankündigungen. Vor wenigen Tagen hat George Bush daraus eine klare Anweisung destilliert. Im Auftrag des WeiÃen Hauses soll der Atlantic Council, eine überparteiliche Denkfabrik in Washington, eine Studie über Iran anfertigen. Dabei geht es um nichts Geringeres als das Projekt eines Regimewechsels â in jenem Land, das Bush bereits neben dem Irak und Nord-Korea zur âAchse des Bösenâ gerechnet hatte. Die Professoren sollen nun prüfen, welche Chancen eine âUmerziehungâ der politischen Klasse in Iran habe. Ausdrücklich werden dabei âalle Optionenâ eingeschlossen â also auch Krieg. AuÃerdem will das WeiÃe Haus wissen, welche âFührungsfigurenâ für eine Demokratie-Bewegung in Frage kämen. Und in welchem Stadium sich das iranische Nuklear-Programm befindet.
Einen Vorgeschmack auf die Entschlossenheit der US-Administration hat dieser Tage Verteidigungsminister Donald Rumsfeld geliefert. Sollten die Mullahs zulassen, dass Terroristen aus Iran die Grenze zum Irak überschreiten, würden sie zur Verantwortung gezogen, drohte Bushs Mann fürs Grobe. âDas Regime in Teheran steht durch seine Verbindung von möglichen Massenvernichtungswaffen und Terrorismus ganz besonders im Rampenlichtâ, betont Richard Nelson vom Atlantic Council â jener Denkfabrik, die von der Regierung den Auftrag zur Iran-Studie bekam. âWir müssen damit rechnen, dass die Administration auf Kollisionskurs geht.â
Eine militärische Konfrontation mit Iran wird im WeiÃen Haus zwar als Gedankenspiel von Akademikern vom Tisch gewischt â es gebe nicht einmal ansatzweise Pläne in diese Richtung, heiÃt es. Aber aus der Luft gegriffen sind die Szenarien nicht. âWir stehen erst am Beginn einer Debatteâ, unterstreicht ein hochrangiger Mitarbeiter der US-Regierung. âMan kann nicht ausschlieÃen, dass sich die Ereignisse in Iran und in Nord-Korea ähnlich entwickeln wie im Irak. Doch einen Automatismus gibt es nicht.â
Klar ist bislang nur, dass Bushs Männer eine Art politisches Naturgesetz für sich reklamieren: âAlle Menschen habe den universalen Wunsch, ihre eigenen Angelegenheiten selbst zu regeln, frei zu sein, nicht gefoltert zu werden und nicht in einer Tyrannei zu lebenâ, formuliert Pentagon-Vize Wolfowitz. Diese wie in Stein gemeiÃelten Worte versteht der Falke nicht abstrakt, sondern als konkrete Handlungsanweisungen fürs politische Tagesgeschäft. âAls ich vor rund 20 Jahren als AuÃenstaatssekretär für Ostasien zuständig war, gab es nur in Japan eine Demokratieâ, doziert der gelernte Politikwissenschaftler. âDanach folgten Korea, Taiwan und die Philippinen. Ich glaube, dass wir den gleichen Fortschritt in der muslimischen und arabischen Welt erreichen können.â
Selbst das AuÃenministerium übt in dieser Frage mittlerweile den Schulterschluss: âAus dem Sturz Saddam Husseins wird die Demokratie-Bewegung im Nahen Osten gestärkt hervorgehenâ, meint ein hochrangiger Beamter. Die âDomino-Theorieâ, wonach die Absetzung eines Diktators eine Kettenreaktion nach sich zieht, wird langsam zur allseits intonierten Glaubenshymne der Bush-Regierung.
Der Konflikt mit dem Irak war die Initialzündung für diese Mission â und sie begann lange vor den Terroranschlägen vom 11. September 2001. Bereits im Januar 1998 schrieben 18 rechte Republikaner in einem offenen Brief an den damaligen Präsidenten Bill Clinton, dass sich die âEindämmungâ des Iraks als Fehler erwiesen habe. Angesichts der VerstöÃe gegen Uno-Resolutionen müsse der Sturz Saddams âjetzt ein Ziel der amerikanischen AuÃenpolitik werdenâ, hieà es. Das Papier trug auch die Unterschriften von Rumsfeld, Wolfowitz und Perle â zu jener Zeit allesamt im Dienste verschiedener Denkfabriken.
Auch die neue US-Sicherheitsdoktrin vom September 2002 war keineswegs ein Ãberraschungscoup aus den Tiefen des Pentagons. Die Kernaussage, wonach Amerika für sich das âRecht auf Selbstverteidigung durch Präventivschläge gegen Terroristenâ in Anspruch nimmt, war schon 1992 erkennbar. Der damalige Verteidigungsminister Dick Cheney, heute als Vizepräsident Bushs rechte Hand, lieà ein Leitdokument ausarbeiten. Es sah die Möglichkeit eines Erstschlages vor, um die Ausbreitung von Atomwaffen zu verhindern. Die USA sollten bereit sein, âallein zu handeln, wenn eine gemeinsame Aktion nicht möglich istâ, hieà es. Autoren der Studie waren Wolfowitz und Lewis Libby, heute Stabschef im Büro des Vizepräsidenten.
In den Jahren danach wurde der Präventivschlagsgedanke von rechtskonservativen Journalisten und Intellektuellen ideologisch unterfüttert. 1996 schrieben Robert Kagan und William Kristol in der Zeitschrift âForeign Affairsâ einen viel beachteten Artikel. Ãberschrift: âHin zu einer neo-reaganistischen AuÃenpolitikâ. Die beiden Publizisten bezeichneten die Clinton-Ãra als Ausdruck der Schwäche gegenüber der Bedrohung durch den Terrorismus. Die USA müssten ihre Muskeln spielen lassen, forderten Kagan und Kristol. Vorbild war Ex-Präsident Ronald Reagan, der der Sowjetunion â dem âReich des Bösenâ â den Kampf angesagt hatte.
Es kam zur Symbiose zwischen dem rechten Flügel der Republikaner und konservativen Intellektuellen. 1997 schlossen sich einige Dutzend Hardliner zum âProjekt für ein neues amerikanisches Jahrhundertâ zusammen. Das Ziel dieser Denkfabrik war der Ausbau des US-Einflusses durch aggressive AuÃenpolitik und militärische Stärke. Unter den Gründungsmitgliedern tummelten sich so prominente Namen wie Cheney, Rumsfeld und Wolfowitz. Heute sitzt diese Avantgarde amerikanischer Dominanz in den Sesseln der Macht. Es ist kein Zufall, dass die Kampagne für einen âRegimewechselâ im Irak von Vizepräsident Cheney eingeläutet wurde. Weil Saddam über Massenvernichtungswaffen verfüge, müsse die âSchlacht nun zum Feind getragen werdenâ, hämmerte Cheney am 26. August 2002 in die Mikrofone der â103. Nationalen Versammlung der Veteranen Ausländischer Kriegeâ.
Selbst Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice, die einmal als liberale Stimme in der Administration galt, ist mittlerweile ins Lager der âFalkenâ eingeschwenkt. Rice redet ruhig, nachdenklich und wirkt alles andere als aufbrausend. Mit ihrem adretten Lächeln verbreitet sie einen zuckrigen Charme, der so gar nicht zum brachialen Kurs der Bush-Männer passen will. Dabei fallen inzwischen hammerharte Sätze wie: âDie Verbündeten haben ihr Leben und Blut geopfert und sich dadurch den Anspruch zum Wiederaufbau des Iraks erworben.â
Experten sind sich einig, dass die Koordinaten der AuÃenpolitik unter Bush völlig neu justiert werden. âIn der Regierung findet ein Experiment statt, wie weit sie bei der Errichtung einer unipolaren Welt gehen kannâ, meint der Nahost-Spezialist Michael Doran von der Princeton University. John Hulsman von der Heritage Foundation, einer konservativen Denkfabrik in Washington, warnt vor wirklichkeitsfremden Erwartungen: âDie Regierung Bush ist von einem geradezu pathologischen Optimismus erfüllt, dass sich die Demokratie im Nahen Osten wie ein Lauffeuer ausbreiten wird.â
Doch einstweilen scheint der Präsident auf die Unterstützung der US-Bürger zählen zu können. Nach einer Umfrage der âLos Angeles Timesâ vom Wochenende finden 70 Prozent der Amerikaner, dass die USA die âmoralische Autoritätâ für einen Irak-Krieg haben. Auch falls das Mullah-Regime weiter an einem Atomwaffen-Programm arbeitet, würde jeder Zweite sogar einen Militärschlag gegen Iran befürworten.
HANDELSBLATT, Montag, 07. April 2003, 09:06 Uhr