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Verfasser: Renate
Datum: Sonntag, den 30. März 2003, um 15:30 Uhr
Betrifft: Die Macht der manipulierten Gefühlswelt

>Genau genommen empfinde ich, dieses ohne die "Gedankenkrücke Gott" zu erreichen, als die nächste Stufe, die man nach Verzicht auf die Denkkrücken "wahre Kirche" und "Religion" nehmen kann.

Ich praktiziere das seit vielen Jahren und kann es nur empfehlen. Eigentlich hat mich genau diese Überlegung von der Kirche weggebracht. Mein Leben in der Kirche habe ich immer als erbauend und gut empfunden, es gab nichts, das mich störte, belastete oder bedrückte, deshalb hatte ich auch ein starkes "Zeugnis" von der "Wahrheit" dieser Kirche.

Erst durch meine objektive wissenschaftliche Beschäftigung mit dem christlichen Glauben und seiner Entstehungsgeschichte wurde mir klar, dass dieses Zeugnis nichts mit Wahrheit zu tun hatte, sondern eben nur mit diesem "guten Gefühl", dass meine Mitgliedschaft in der HLT-Kirche bei mir entstehen ließ. Und als ich mich viele Jahre später (nach meinem Interneteinstieg)  mit den Fakten dieser Webseite auseinandersetzte, erkannte ich dann auch, dass dieses Gefühl größtenteils auch darauf beruhte, dass ich mir eine schöne Scheinwelt um die Kirche aufgebaut hatte, was (wie ich heute weiss) von der Kirche selbst auch gefördert und gewollt ist.

Meine darauf folgende jahrelange Beschäftigung mit den Fakten des Mormonismus, die ich Dank solcher Webseiten, wie mormonen.de machen konnte und viele Erfahrungen mit Aussteigern, Mitgliedern und Noch-Mitgliedern, ließ mich dann auch erkennen,  dass diese schöne Scheinwelt der HLT-Kirche nur dazu dient, ihre Mitglieder dahingehend zu benutzen, Reichtum und damit Macht zu erhalten und auszubauen. Da wird mit den menschlichen Bedürfnissen nach Sicherheit, Geborgenheit, Annahme, nach der Suche einer Antwort auf die ewige Frage, wozu wir leben, kalkuliert und manipuliert. Vermeintliche einfache Antworten werden gegeben, Sicherheit und Liebe wird vorgegaukelt. Der Preis den man dafür bezahlen muss ist Gehorsam. In weiterer Folge Verlust der Selbstbestimmung des eigenen Lebens, man gerät in Abhängigkeit.

Daraus wieder resuliert die Angst loszulassen, auch wenn man längst erkannt hat, dass eine Mitgliedschaft mehr belastend, als hilfreich ist. Außer der indoktrinierten Angst davor, vielleicht doch von Satan versucht und deshalb von Gott bestraft zu werden, klammert man sich an die schönen Momente in der Kirche, an das Gemeinschaftsgefühl, an die Handlungen einzelner Mitglieder, deren Freundschaft und Anerkennung man nicht verlieren will. Dies versucht man als Bestätigung für die Wahrheit des Glaubens zu werten. Denn natürlich bringt "die Kirche" auch immer wieder viel Gutes hervor, vermittelt fallweise Geborgenheit, Kraft und scheinbaren Sinn. Aber das liegt nicht an ihren Lehren sondern am Engagement einzelner Mitglieder, die sich ehrlich bemühen ein gutes christliches Leben zu führen und zu vermitteln.

Auch die Beschäftigungstherapie der Kirche hat zwei Seiten. Sie dient nicht nur dazu die Mitglieder so zu beschäftigen, damit sie kaum Zeit finden nachzudenken, oder sich zu sehr auf außerkirchliche Aktivitäten zu konzentrieren, sie vermittelt auch vielen einsamen oder an Minderwertigkeitskomplexen leidenden Menschen, das Gefühl gefragt, anerkannt und somit wichtig zu sein. Schön klingende Titel unterstützen dieses Gefühl auch noch.

Alles in allem spielt die Kirche, so wie alle Sekten, mit den Gefühlen der Menschen, und da Gefühle nun mal sehr subtil und vielfältig sind, bietet sich da ein breites Feld der menschlichen Seele an, in das man manipulierend eingreifen kann ohne dass dieses von den Opfern so einfach durchschaut wird. Gerade Menschen, die ihren Glauben sehr ernst nehmen, stehen sich somit selbst im Weg ihre Abhängigkeit zu durchschauen und sich aus ihr zu befreien. Sie sind die meist betroffenen Opfer. Im Gegensatz zu den liberalen Mitgliedern, die sich sozusagen die Rosinen aus dem Kuchen picken.

Doch auch für eine liberale Mitgliedschaft erscheint mir der Preis zu hoch. Denn schlechtes Gewissen wird einem trotz aller vermeintlicher Freiheit immer wieder suggeriert werden. Eine gewisse Ausgrenzung ist auch vorhanden, (sofern es sich bei dem Mitglied nicht um eine wichtige Person handelt, die es der Kirche wert ist, ihr einige Freiheiten zuzugestehen) ebenso wie ein niedrigerer Status in der Gemeinde, wenn man z.B., die angebotenen Ämter nicht annimmt, keinen Tempelschein besitzt, keine Mission erfüllt hat. Aber, wie viel an Verzicht ihm seine Mitgliedschaft wert ist, das muss jeder für sich selbst entscheiden.

Andererseits ist eine liberale Einstellung, eine teilweise Inaktivität, auch oft die Vorstufe zum Austritt. Der Loslösungsprozess verläuft ja sehr individuell. Ich denke, je fester der Glaube war, umso schwerer der Kampf mit sich selbst, umso intensiver die Beschäftigung mit den negativen Fakten der Kirche, umso mehr Bestätigung braucht man, diesmal das Richtige zu tun, wenn man sich von der Kirche löst. Parallel dazu läuft dann noch der Prozess der neuen Sinnfrage, der Selbstfindung, denn gerade als 100% Mitglied fühlt man sich in so einer Situation wie jemand, der nicht schwimmen kann und ins tiefe Wasser geworfen wurde. Da geht es um das Überleben, in diesem Fall, um das Überleben der Seele.

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