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der Beitrag:
Verfasser: Nyu
Datum: Sonntag, den 30. März 2003, um 0:18 Uhr
Betrifft: Welche Kirche ist "wahr"?

Hallo Michelle,

ich kann mir in etwa vorstellen, warum Du der Meinung bist, dass das Buch Mormon für Dich mehr Sinn macht als die Bibel.
Glaube mir. Das siehst aber nur Du und etwa 1-2 Millionen HLT so. Die restlichen über 6 Milliarden Erdenbewohner sind da anderer Meinung. Ich weiss auch, dass ein HLT der Meinung sein wird, dass diese überwältigende Mehrheit der Menschheit da irrt, dass aber diese Menschen ja dann im nächsten Leben noch bis zu 1000 Erdenjahre haben werden, sich da eines Besseren zu besinnen. Dann werden diese durch die erlösende Verordnung der Taufe, die die Kirche des Erstgeborenen dann stellvertretend für Sie vollziehen wird und sofern sie das anerkennen dann - gemäss ihrer Glaubenstreue - auch in den Schoss dieser Kirche aufgenommen werden und in das "Celestiale Reich" Gottes eingehen.
Das heisst dann natürich auch, dass zum Beispiel die Tibeter, die in den 50er Jahren wegen ihres Glaubens aus ihrer Heimat vertrieben wurden, dann trotz all ihrer Tradition und Philosophie und Erkenntnis, sich dann eines Besseren besinnen werden, um sich dann willig vom Haus Israel einverleiben zu lassen. Sie werden selbstverständlich dann auch erkennen, dass Reinkarnation ein Irrglaube ist, obwohl sie jetzt ja wissen, dass es sie gibt.
Mein Zynismus bleibt aber theoretisch. Lass mich versuchen, das mal mit den Worten des Dalai Lama zu sagen, um mal bei meiner thematischen Wendung "Tibeter" zu bleiben:
"Als jemand, der sich zum Zeitpunkt dieser Niederschrift dem siebzigsten Lebensjahr nähert, habe ich genügend Erfahrungen sammeln können, um mir vollkommen sicher zu sein, dass die Lehren des Buddha sowohl wichtig als auch nützlich für die Menschheit sind. Wenn jemand sie in die Praxis umsetzt, profilieren nicht nur er oder sie allein davon, sondern auch andere. Doch Begegnungen mit Menschen jeglichen Typs auf der ganzen Welt haben mir klargemacht, dass es andere Glaubensformen gibt, die nicht weniger als mein Glaube und meine Kultur dazu in der Lage sind, den Einzelnen dabei zu helfen, ein schöpferisches und zufriedenstellendes Leben zu führen...." und weiter:
"...Die Praktizierenden aber folgen wiederum einer Vielzahl religiöser Wege, und von daher wird deutlich, dass es aufgrund unserer Vielfältigkeit nicht nur eine Religion geben kann, die die ganze Menschheit zufriedenstellt"
Zu dieser Weisheit ist er im Laufe seines Lebens gekommen. Wohlgemerkt hat aber der Dalai Lama seit seinem 8. Lebensjahr Philosophie und Religion studiert und war immer Mönch und Lehrer.
Hier aber noch jemand, dessen Weisheit es gestattete, nicht so vermessen zu sein zu behaupten, dass es nur eine "einzig wahre Religion" gibt oder geben kann:
Voltaire gibt an, am 18. Februar 1763 eine Vision gehabt zu haben, die ihn in den Himmel führte. In dieser Vision beschreibt er die vielen Welten die die Götter (unter dem höchsten Gott) geschaffen haben und wie die Völker dieser Welten von ihnen gerichtet werden. Er sieht das Gericht vieler Reformatoren und katholischer Geistlicher, buddhistischer Mönche, islamischer Geistlicher usw. Zum Schluss schreibt er folgendes über die Götter/den Gott.:
"als alle diese Geschehnisse vergangen waren hörte ich, wie folgender Beschluss verkündet wurde:
STELLVERTRETEND FÃœR DEN EW’IGEN SCHÖPFER; DEN BEWAHRER; BELOHNER; BESTRAFER UND VERZEIHER usw. sei es bekannt gemacht allen Bewohnern der hunderttausenden Millionen und Milliarden von Welten die wir nach unserem Wunsch gestaltet haben, dass wir niemals die genannten Bewohner nach ihren leeren Ideen, sondern einzig und allein nach ihren Handlungen richten werden. Denn so sei unsere Gerechtigkeit."
Das sollte meinen Punkt untermauern helfen.
Ich meine, ansatzweise verstanden zu haben, dass die Mehrzahl der Religionen in der Welt deshalb von sich behaupten, "die einzig wahre" zu sein, weil sie dadurch die Verbindlichkeit bekommen, um den Menschen zu helfen, die die eine Wahrheit nicht verstehen können: es gibt keine "einzig wahre Kirche" und es gibt Wahrheit in allen Kirchen. Die Dogmen, Mythen und Lehren der Religionen können nützlich und schädlich sein, genau wie ihre Bündnisse und Verpflichtungen. Die Religionen brauchen ihre Mythen und ihre Schriften und ihre Philosophie, die nur die ihre ist, um den Mitgliedern das Gefühl zu geben, sie seien Teilnehmer und Teilhaber eines erwählten Kreises. Sie auf der einen Seite - die "Welt" auf der anderen Seite. Wenn die Religion ihnen dieses Gefühl glaubhaft vermitteln kann, behält sie ihre Authorität und kann in Verbindung mit dem Wirken Gottes in der Seele des Menschen, ihn zu ethischem Verhalten mit Bezug auf Gott erziehen.
Ich hoffe, dass ich stark genug bin, dieses "ethische Leben mit Bezug auf Gott" auch eigenverantwortlich und ohne Religion genauso verpflichtet umzusetzen und hier ein noch höheres Mass an seelischer Befreiung zu erreichen. Manch einem mag das einsam erscheinen, da ja die vollständige Einbindung in "die Kirche" fehlt. Aber niemand zwingt mich ja dazu, mich nicht an dieser oder jener Gemeinschaft zu beteiligen (auch der HLT-Kirche) und mich zu integrieren, soweit diese Integration nicht von mir verlangt, meine mir heiligen Grundsätze zu verletzen.
Michelle, Dein Buch Mormon ist wahr. Aber erwarte nicht, dass irgendwann irgendjemand einmal ein Zarahemla finden wird, wenn er denn danach suchen würde. Quetzalquatl war nicht Jesus. Aber dennoch kannst Du viel Wahrheit aus dem Buch Mormon für Dich persönlich ziehen, wenn Du meinst, dass Du das musst.

Liebe Grüsse,
Henning

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