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Verfasser: Gunar
Datum: Montag, den 10. März 2003, um 8:28 Uhr
Betrifft: Widerstand gegen die Polygamie in Utah wächst

Neue Zürcher Zeitung
10. März 2003

Widerstand gegen die Polygamie in Utah wächst

Gesetz gegen die Verheiratung minderjähriger Mädchen

cpi. Los Angeles, Anfang März

Obwohl die Polygamie im amerikanischen Gliedstaat Utah seit mehr als 100 Jahren verboten ist und mit Gefängnis bis zu fünf Jahren bestraft werden kann, praktizieren schätzungsweise 50 000 Personen die Vielehe. Die Staatsanwaltschaft, welche die Gesetzesverstösse viele Jahre toleriert hat, will nun härter durchgreifen. Vor allem minderjährige Frauen sollen vor erzwungenen Eheschliessungen geschützt werden. Die Gesetzgeber des Mormonenstaates werden demnächst über eine entsprechende Gesetzesinitiative abstimmen. Danach sollen Polygamisten, die minderjährige Mädchen heiraten, oder religiöse Führer, die solche Ehen arrangieren, mit bis zu fünfzehn Jahren Gefängnis bestraft werden.
Einst ein religiöses Gebot

Die Polygamie war von der Mormonenkirche, die ihren Hauptsitz in Salt Lake City hat, im 19. Jahrhundert im amerikanischen Westen eingeführt worden. Sie war Bestandteil ihrer religiösen Doktrin. Diese verlangte von den Gläubigen, so viele Kinder wie möglich zu zeugen. Um in den Staatenbund aufgenommen zu werden, hatte Utah 1890 ein Verbot der Polygamie in seine Verfassung aufgenommen. Die Mormonenkirche verurteilte offiziell die Vielehe, aber fundamentalistische Absplitterungen der Kirche hielten an der Praxis weiter fest.

In den letzten Jahren sagten eine Reihe von Frauen, die aus polygamen Ehen geflohen waren, öffentlich gegen ihre Ehemänner aus. Ihre Erlebnisberichte haben die Ordnungsbehörden wachgerüttelt. Einige der jungen Frauen waren mit fünfzehn Jahren zur Eheschliessung gezwungen worden. Der Generalstaatsanwalt Mark Shurtleff, der den Gesetzesvorschlag ausarbeitete, bezeichnet die Praxis der erzwungenen Verheiratung als Kindsmissbrauch. Seine Recherchen ergaben, dass manche Mädchen bereits mit elf Jahren verheiratet werden. Einige fundamentalistische Mormonengruppen glauben, dass die erste Menstruation ein Zeichen sei, dass die Mädchen das notwendige Alter für eine Heirat erreicht hätten. Polygame Mormonen weisen den Gesetzesvorschlag entschieden zurück. Sie werfen der Staatsanwaltschaft vor, sie als religiöse Gemeinschaft zu verfolgen. Ausserdem behaupten sie, dass die Berichte über erzwungene Eheschliessungen übertrieben seien. Der republikanische Gouverneur von Utah, Mike Leavitt, der selbst aus einer polygamen Mormonenfamilie stammt, hat sich noch nicht zu der Gesetzesinitiative geäussert. In der Vergangenheit vertrat er wiederholt den Standpunkt, dass die Polygamie als Institution durch das in der Verfassung garantierte Recht auf Religionsfreiheit geschützt sei.
Beliebt in der Oberschicht

Die Polygamie wird zunehmend in Utahs reicher Oberschicht praktiziert. Ein Bankier zum Beispiel liess im Süden des Gliedstaates für seine 10 Frauen und 28 Kinder eine Villa mit 37 Zimmern und 32 Badezimmern in Form eines Propellers bauen. Andere Grossfamilien renovieren alte Kirchen und bauen sie zu Wohnhäusern mit Dutzenden von Zimmern um. In der Regel erwerben die Männer für ihre erste Heirat eine staatliche Erlaubnis, weitere Eheschliessungen finden in privaten Zeremonien statt. Wenn Minderjährige zur Ehe gezwungen werden, liegt häufig Inzest vor. Der Selbsthilfeverein Tapestry of Polygamy macht geltend, dass Frauen in polygamen Lebensgemeinschaften psychisch, emotional und geistig missbraucht werden.
Zwei spektakuläre Gerichtsfälle

Zwei spektakuläre Gerichtsfälle rückten in den letzten Jahren die Polygamie in den Blickpunkt der Öffentlichkeit. 1999 wurde ein 33-jähriger Mann, der seine 16-jährige Nichte geheiratet hatte, des Inzests für schuldig befunden. Der Vater der Jugendlichen wurde wegen Kindesmisshandlung verurteilt. Vor zwei Jahren wurde ein mit fünf Frauen verheirateter Mann der Bigamie für schuldig befunden. Es war die erste Anklage wegen Polygamie seit fünfzig Jahren. Der Verurteilte, der mit seinen Frauen in mehreren Wohnwagen lebte, war in Fernseh-Talkshows aufgetreten und hatte dort seinen Lebensstil verteidigt. Auf diese Weise war die Staatsanwaltschaft auf ihn aufmerksam geworden.

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