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Verfasser: Elvira
Datum: Dienstag, den 25. Februar 2003, um 23:25 Uhr
Betrifft: www.providentliving.org---- Lebenshilfe in schwerer Krise?

Ess- Störungen--  Lebenshilfe in schweren Krisen?

Kürzlich entdeckte ich eine Website der Kirche http://www.providentliving.org und stöberte ein wenig herum. Es geht dabei um eine vorausschauende Lebensweise gerade auf dem Sektor Gesundheit. Ich fand dort zwei Artikel über Essstörungen, wie sie einst in New Era und Ensign veröffentlicht worden waren. Zunächst freute ich mich  darüber, dass in einer Kirchenzeitschrift, diese in allen Industriestaaten hochaktuelle Problematik besprochen wird. Ein Blick auf die Jahreszahlen, dämpfte meine Freude, denn die Veröffentlichungen waren nicht gerade die neuesten (1990, 1993).

Während beide Artikel einleitend das Abrutschen in eine Essstörung entsprechend den weltweit bekannten Mustern beschreiben, und die Auslöser dafür benennen, vermisse ich danach,   die in jeder anderen Literatur beschriebenen schweren Persönlichkeitsstörungen und die entsetzliche, innere Not die für die Betroffenen damit einher geht.  Es ist nur eine müde, unvollständige Beschreibung dieser schweren  Erkrankung.

Medizinische Beschreibung:

>Serious medical complications have been noted in connection with anorexia nervosa and bulimia. Victims almost always suffer from malnutrition—which causes low blood pressure, circulatory disturbances, irregular heartbeat, and impaired ability to fight disease and infection. During long periods of undernourishment, the body cannibalizes its own muscle tissue; since the heart is a muscle, cardiac arrest often occurs. In addition, malnutrition might adversely affect the brain. (This may explain why many anorectics see themselves as obese even when they are emaciated.)

Erwähnt wird nicht die schwerste Folge,  dass Anorexia in 10% aller Fälle tödlich endet, entweder weil sich die Betroffenen schlicht zu Tode gehungert haben, oder weil sie Suizid begehen.

Ursachen

>• The perfect family places undue importance on externals such as appearance and achievement. They are often overly concerned about how others perceive them.
>• In the overprotective family, parents leave their children little room for making decisions and experiencing consequences. Family members are often confused about their own identities.
>• The chaotic family is usually unstable. Family rules are inconsistent; children often distrust themselves as well as others. Parents may suffer from alcoholism or severe depression, and children are often the victims of physical abuse. 4

Während die Auslöser für eine Essstörung noch korrekt beschrieben werden, tut sich der Autor mit der Ursachenforschung schwer. Das ist zunächst nichts besonderes, da es bis heute keine gängiges, allgemein anerkanntes  Konzept gibt, mit dem man das Auftreten von Essstörungen einwandfrei erklären könnte. Man ist sich nur einig, dass es ein multifaktorielles Geschehen ist. Anerkannt und bekannt sind aber Faktoren, die bei Essgestörten Personen gehäuft auftreten und daher einen kleinen Einblick in mögliche Ursachen geben. Die oben angesprochenen drei Familenstrukturen sind nur ein kleiner Ausschnitt aus den vielfältigen Umständen die im Leben von Essgestörten eine Rolle spielen. Als miteinander verwobenen Komplexe hat man erkannt: Eine bestimmte Persönlichkeitsstruktur, bestimmte Familienkonstellationen, eine falsche Körperwahrnehmung und eine komplizierte Einstellung zur Geschlechtsrolle und Sexualität. Das sei hier nur zur Vedeutlichung kurz angeschnitten. Mir scheint diese einseitige Sicht auf bestimmte  Familiestrukturen als äußerst gefährlich. Eltern von betroffenen Kindern könnten daraus den Schluss ziehen, dass sie alleine und die Familie für die Essstörung ihres Kindes verantwortlich sind und werden somit in die Rolle der Schuldigen gedrängt.

Das Schönheitsideal, Ursache oder Auslöser?

>“Beauty is one thing, glamour is another. Beauty comes from externalizing inner power. Glamour comes from our need to pretend we are beautiful, a compensation for our own inner fears and weaknesses. …
>“But true power comes from within. It is a state of consciousness that commands respect regardless of our looks. A woman who knows she is powerful does not need to prove it. As long as we believe glamour is beauty, we will be taken in by a bunch of lies.”

Hier werden Auslöser und Ursache verwechselt. Sehr schön prangert Frost die gesellschaftlichen Normen bezüglich weiblichem Schönheits- und Schlankheitsideal an. Untersuchungen an Betroffenen haben aber gezeigt, dass das gängige Schlankheitsideal, das über die Medien täglich an junge Menschen herangetragen wird, sehr häufig den Einstieg in eine Diät bildet, damit sozusagen die Auslöser sind für den Beginn einer erwünschten Gewichtsabnahme. Normen für das Äußere werden selbstverständlich in überwältigenden Maß an junge Menschen herangetragen und sie müssen sich damit auseinander setzen, wie tief sie sich darauf einlassen wollen. Das dürfte freilich davon abhängen, in welchem Umfang ein junger Mensch sein Selbstbewusstsein entwickeln konnte. Ein Fixierung auf von außen kommende Schönheits- und Schlankheitsnormen an denen sich ein junger Mensch ausrichtet, sind somit ernst zu nehmen, bilden aber keineswegs die Ursachen für Essstörungen.

Eine Frage die sich nur Mormonen stellen:

>Are Eating Disorders Spiritually Damaging?

>Neither anorexia nervosa nor bulimia is mentioned or implied in the scriptures; these disorders have only recently been diagnosed. However, a test one might use to determine if a behavior is condoned by the Lord is to ask: “Does it promote life? Does it help build up the Lord’s kingdom? Will it help lead me back to my Heavenly Father?”

>Eating disorders interfere with one’s ability to seek love from or give love to others. As people become more involved with aberrant eating, they turn to food instead of reaching out to a parent, a friend, a spouse, or the Lord. Joan, who was actively bulimic through her entire mission, thinks that she could have served the Lord much better if she hadn’t spent so much time struggling with bulimia.

>In addition, placing too much emphasis on worldly goals leaves one little time for developing spirituality. Elder Neal A. Maxwell suggests, “Think for a moment how different it would be if people took on that physical appearance which would reflect distinctly how well they are doing spiritually. … Under such telling circumstances—when the outer person reflected the inner person—whom would we applaud? And who would really deserve our pity?”

>In the Doctrine and Covenants, the Lord chastises James Covill, saying, “Behold, I have bestowed great blessings upon thy head; Nevertheless, thou hast seen great sorrow, for thou hast rejected me many times because of pride and the cares of the world.” (D&C 39:8-9.)

Sich zu fragen, ob sich Esstörungen schädlich auf die Geistigkeit auswirken, darauf kann auch nur ein Mormone kommen. Es zeigt, dass Essstörungen nicht als Krankheit anerkannt sind, in dem Maß wie es andere Krankheiten sind. Oder fragt ein Mormonen seinen Bruder der einen Herzinfarkt hatte, wie sich das auswirkt auf dessen Geistigkeit? Wohl kaum.

Das was danach noch an Kommentar kommt ist eher geeignet die Krankheit und damit ohnehin verbundene Schuldgefühle noch zu verstärken. Dabei wird aufgerechnet,  wie sehr negativ sich das Kreisen um Äußerlichkeiten auf die Geistigkeit auswirken. Und wiederum zeugt das von wenig Inspiration, denn wiederum werden hier Ursache und Auslöser verwechselt. Ich stelle mir die ohnehin äußerst schwierige Therapie einer Essstörung um einiges schwerer vor, wenn dem Betroffenen noch eine Schuld vor Gott dazu eingeredet wird.

So sind denn auch die vorgeschlagenene Hilfen wenig präzise und entsprechen in keiner Weise einer medizinisch-psychologisch korrekten Vorgehensweise.

Hilfe:

> Can We Help?

>Eating disorders are far more complex than they appear. Parents, spouses, and friends—in an effort to help—have said, “Just eat,” or “Chew and swallow.” But simplistic suggestions don’t work; eating disorders have emotional roots, and we must address emotional problems in order to solve the disorders.
>The following are some ways you can help a family member or friend who is suffering from an eating disorder:
>1. Help her recognize that she has a problem. Her attitudes and behaviors won’t change until she admits she is in trouble.
>2. If she has lost a significant amount of weight or is binging and purging on a daily basis, get professional help. Be a smart consumer; slick brochures and fancy buildings do not guarantee competent treatment. Ask pointed questions: What are the credentials of those who will be working with your loved one? Will they respect her religious beliefs? Do they have a genuine interest in treating eating disorders? Stay away from programs where therapists view eating disorders from a single perspective or promise magic cures.
>3. Be involved in the treatment. The whole family may need to change to accommodate changes your loved one will make in therapy.
>4. Don’t let your concern for her be contingent upon her changing. Interact in ways that don’t center on her problem.
>5. Freely express your thoughts, feelings, and shortcomings. Then she will be more likely to do so, too. One of the mistaken beliefs of eating-disorder victims is that they should not be having any difficulties or negative feelings.
>6. Be patient. There are no quick or easy cures.
>People with eating disorders have hopes and dreams, just like everybody else; they seek love, success, and happiness. However, they have been misguided in their efforts to find these things. But with the right kind of help, love, encouragement, and patience, they can return to a knowledge of “things as they really are.” (See Jacob 4:13.)

Nicht dass man die Punkte 1- 6 als falsch bezeichnen könnte. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Essstörungen sehr komplex sind. Die Ratschläge beziehen sich aber gleichermaßen auf Eltern, Familie und Freunde. Sie mögen hingehen für Freund. Der Rest ist nicht ausreichend für eine solch schwere Krankheit. Gerade der letzte Satz lässt beim Leser den Eindruck entstehen, dass alles schon wieder in den Griff zu bekommen ist, eben gar nicht so schlimm. Das ist ein fataler Irrtum, denn wie erwähnt enden 10% aller Magersuchtfälle tödlich und nur 30% der an Essstörungen erkrankten Personen, die eine mehrmonatige, stationäre Therapie erfolgreich hinter sich gebracht haben, sind langfristig von der Krankheit geheilt.

Essstörungen gehören auf allen Ebenen nicht gerade zu den einfachen Erkrankungen und ihre Therapie ist langwierig und nicht immer von Erfolg gekrönt. Das kommt m. E. in diesem Artikel nicht rüber.
Solche Artikel gehen an, als erste Information für Personen, die noch nichts darüber wissen, können aber auf keinen Fall eine fundierte Hilfe sein. Ich kritisiere die im Artikel an den Tag gelegte Haltung, weil sie falsche Hoffnungen weckt, die Ursachen viel zu oberflächlich angeht und vor allem, weil sie bei den Ursachen das ungenügende persönliche Streben nach Geistigkeit mitverantwortlich macht. Eine Website,  die sich einem vorrausschauenden Lebensstil verpflichtet hat, sollte da schon um einiges mehr an Hilfestellung bieten.
Diese im Artikel aufgezeigte Einstellung ist nur vor dem Hintergrund mormonischer Theologie speziell dem Streben nach Perfektion zu sehen. Dass es da etwas gibt, was nicht in den Schriften steht und noch dazu nicht einfach erklärbar ist, sprengt die Ketten. Man kann nur hoffen, dass die Betroffenen dennoch auf anderen Wegen adäquate Hilfe finden.

Quellen:
http://library.lds.org/nxt/gateway.dll/Magazines/Ensign/1990.htm/ensign%20january%201990.htm/the%20thinness%20obsession.htm?fn=document-frame.htm&f=templates&2.0

http://library.lds.org/nxt/gateway.dll/Magazines/NewEra/1993.htm/new%20era%20february%201993.htm/eating%20disorders%20a%20deadly%20state%20of%20mind.htm?fn=document-frame.htm&f=templates&2.0

Literatur zu Essstörungen bitte bei mir direkt anfragen, da bin ich jetzt zu faul zum alles tippen;-) Ich hoffe Ihr seht mir das nach

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