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Verfasser: Gunar
Datum: Freitag, den 21. Februar 2003, um 14:39 Uhr
Betrifft: neue Wiedenroth-Ausstellung zu Mäser

Man sollte meinen, irgendwann zerstreut sich das Gerücht, dass Mäser die Brigham-Young-Universität gegründet hat. Aber mormonische Mythen halten sich eben hartnäckig. Weder hatte die Brigham-Young-Akademie damals universitären Status, noch war Mäser der erste Leiter dieser Schule. Warum also dieser Mythos? Der wirkliche erste Rektor, der die BYA für ein Jahr leitete, wandte sich von der HLT-Kirche ab. Auch das ist also wieder so eine Geschichtsklitterung der HLT.

Stuttgarter Zeitung
vom 21.02.2003
Kreis Ludwigsburg

Ein Mormone und seine Lehrerkarriere in der neuen Welt

Diskussionswürdige Ausstellung im Schulmuseum Nordwürttemberg über den 1857 nach Utah ausgewanderten Sachsen Karl Mäser

KORNWESTHEIM. In Utah weiß jedes Kind, wer Karl Mäser war. In Deutschland wurde der gebürtige Meißener und Gründer einer Universität in Salt Lake City erst kürzlich entdeckt. Nun steht Mäser im Mittelpunkt einer Ausstellung im Kornwestheimer Schulmuseum.

Von Frank Buchmeier

Irmgard Sedler lässt sich nicht beirren. "Konträr geführte Diskussionen gehören zu einer guten Ausstellung", sagt die Leiterin der Kornwestheimer Museen. Und: "Wir kommen in einem Schulmuseum nicht herum, einen deutschen Schulmeister zu würdigen, der für das amerikanische Schulwesen viel geleistet hat." Selbst wenn er Mormone war.

Die Person, um die sich die Diskussionen drehen, heißt Karl Mäser. Der gebürtige Meißener wird am 3. Januar 1829 in einer evangelischen Kirche getauft. Als er 27 Jahre alt und Leiter einer Schule in Dresden ist, kommt er mit der Glaubensgemeinschaft "Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage" in Berührung. Mäser ist von den religiösen Ideen fasziniert; am 14. Oktober 1855 lässt sich der Lutheraner in der Elbe zu einem Mormonen umtaufen. Im protestantisch geprägten Sachsen wird gegen den Lehrer daraufhin ein Berufsverbot verhängt.

Karl Mäser zieht die Konsequenzen: Er segelt mit seiner Familie nach Nordamerika, schließt sich einem Treck an, durchquert zu Fuß 1800 Kilometer Prärie. Sein Sohn Franklin stirbt unterwegs. Am 1. September 1860 erreicht Karl Mäser mit seiner Frau Anna, seinem Sohn Reinhard und seiner Schwägerin Camilla das Ziel Salt Lake City. Dort kommt er bei dem mormonischen Kirchenführer Brigham Young unter. Analog zu der sprichwörtlichen amerikanischen Vom-Tellerwäscher-zum-Millionär-Karriere erlebt Karl Mäser in den folgenden Jahren einen Vom-Hauslehrer-zum-Hochschulgründer-Aufstieg.

Die Brigham-Young-Universität besuchen heute 32 000 Studenten. Vor dem Eingang steht eine riesige Bronzestatue, die den 1901 verstorbenen "Vater des Bildungswesens im Staate Utah" darstellt. Wahrscheinlich hätte sich der Ruhm des sächsischen Lehrers nie bis in seine alte Heimat herumgesprochen, wenn nicht der Bundespräsident Johannes Rau im vergangenen Jahr bei einem Besuch der Olympischen Spiele in Salt Lake City von den Gastgebern öffentlichkeitswirksam auf Karl Mäsers Bedeutung aufmerksam gemacht worden wäre. Seither beschäftigen sich auch hier zu Lande die Biografen mit dem Lebensweg des Auswanderers.

Die Kornwestheimer Ausstellung "Karl Mäser - ein deutscher Schulmeister unter den Mormonen" basiert auf der Sammlung und den Recherchen von Hermann Wiedenroth. Der Antiquar aus dem niedersächsischen Bargfeld hatte sich jahrelang mit dem Werk Karl Mays beschäftigt, der in seinen Romanen mehr oder minder sachlich die Gebräuche der in der neuen Welt lebenden Mormonen schildert. Wiedenroth nahm dies zum Anlass, der Frage nachzugehen, wie der Alltag des deutschamerikanischen Mormonen Karl Mäser aussah.

Im nordwürttembergischen Schulmuseum kontrastiert folglich der Wild-West-Mythos deutscher Abenteuerliteratur mit der weniger romantischen amerikanischen Realität des 19. Jahrhunderts. Auf der einen Seite stehen Leihgaben des Radebeuler Karl-May-Museums, die jedes Kinderherz höher schlagen lassen: der Tomahawk eines Indianers, das bunt bestickte Ledergewand einer Squaw oder ein Miniaturplanwagen. Auf der anderen Seite findet der Besucher das authentische Utah des Einwanderers Karl Mäser: Federhalter, schwarze Kleidung oder simple Handkarren. "Das Aufeinandertreffen von Fiktion und Wirklichkeit verleiht der Ausstellung eine ironische Note", sagt Hermann Wiedenroth.

Wiedenroths distanziertes Verhältnis zum eigenen Forschungsgegenstand ist durchaus angebracht. Karl Mäser, der vor religiöser Intoleranz geflohen war, wurde in dieser Hinsicht selbst kein Vorbild: Unter seiner Leitung durften ausschließlich Mormonen an der Brigham-Young-Universität studieren. Mittlerweile ist die private Hochschule bei Studenten aus arabischen Ländern beliebt - "wegen des strengen Sittenkodexes", wie Wiedenroth erklärt. Zudem galt Mäser als harter Verfechter der Polygamie: Weil er doppelt verheiratet war, wurde er 1888 zu einer Geldstrafe verurteilt. Seine Geburtsstadt Meißen weigert sich aus diesen Gründen beharrlich, ein Denkmal aufzustellen, das finanzkräftige amerikanischen Mäser-Nachkommen gespendet haben.

Die Kornwestheimer Schau, betont die Museumsleiterin Irmgard Sedler, dürfe nicht als Hommage an einen Mormonen verstanden werden. "Mein Thema ist nicht Glaube, sondern Auswanderung." Seit Dezember ist in der Stadtgeschichtlichen Sammlung (Mühlhäuser Straße 14) die von Sedler konzipierte Ausstellung "Ein Koffer voller Hoffnung - Gastarbeiter in Kornwestheim" zu sehen. Im Schulmuseum Nordwürttemberg kann nun Immigration aus der Perspektive eines Deutschen betrachtet werden, der im Ausland einen Neubeginn wagte. Dass Irmgard Sedler dafür das Beispiel Karl Mäser gewählt hat, verleiht der Ausstellung zusätzlichen Diskussionsstoff: Auch im nordwürttembergischen Schulmuseum wird in den kommenden Monaten über die Ziele eines amerikanischen Aufsteigers und religiösen Heilsbringers debattiert.

Die Ausstellung "Karl Mäser - ein deutscher Schulmeister unter den Mormonen" wird heute um 19 Uhr im Schulmuseum Nordwürttemberg (Kornwestheim, Schillerstraße 13) eröffnet. Anschließend ist die Schau bis zum 18. Mai samstags und sonntags von 11 bis 17 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei.

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