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Verfasser: Gunar
Datum: Mittwoch, den 8. Januar 2003, um 1:44 Uhr
Betrifft: Sander: Die Helmuth-Hübener-Gruppe 1941/42

junge Welt
08.01.2003 
 
Inland
Friederike John
 
Zwei deutsche Journalisten
 
Heute wäre der 1942 von den Nazis ermordete Antifaschist Helmuth Hübener 78 Jahre alt geworden

 
Helmuth Hübener war erst 17, als er am 27. Oktober 1942 in Berlin mit dem Fallbeil hingerichtet wurde – der jüngste aller 1574 in Plötzensee Ermordeten. Vom »Volksgerichtshof« zum Tode verurteilt – »wegen Abhörens eines Auslandssenders und Verbreitung der abgehörten Nachrichten in Verbindung mit Vorbereitung zum Hochverrat und landesverräterischer Feindbegünstigung«. In Flugblättern hatte der heute vor 78 Jahren, am 8. Januar 1925, Geborene zwanzigmal dazu aufgefordert, Hitler zu stürzen und so den Krieg zu beenden.

Im Alter von ebenfalls 78 Jahren starb kürzlich der Spiegel-Gründer und -Herausgeber Rudolf Augstein. Mit Hübener verbindet ihn der Drang, sich mitzuteilen. Außerdem saßen sie zeitweilig im selben Hamburger Untersuchungsgefängnis ein. Hochgeehrt der eine, fast vergessen der andere. Hübeners großes journalistisches Talent, das sich allerdings nie entfalten konnte, wurde bereits vor fast 60 Jahren gemeuchelt. Ulrich Sander hat jetzt ein Buch über ihn geschrieben.

Darin ist zu erfahren, daß es in Hübeners kurzer Biographie eigentlich wenig gab, was ihn zum Widerstandskämpfer prädestinierte. Die Mutter war Hausfrau, der Vater zum Zeitpunkt der Verhaftung des Sohnes beim berüchtigten Sicherheitsdienst. Und: Seit seiner Kindheit gehörte der Junge der »Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage« an und nahm aktiv am Gemeindeleben teil. Er war Pimpf und Mitglied der Hitlerjugend; ob er je Kontakt zu Kommunisten hatte, ist nicht bekannt. Aber sein Klassenlehrer August Meins bescheinigte dem Jungen im Gespräch mit Sander: »Man merkte es oft: Er war Widerständler durch und durch«. Er sei wegen seiner Eigenständigkeit unbeliebt gewesen und oft gehänselt worden, sei »seinen eigenen Weg gegangen«. Trotzdem habe er sich anderen gegenüber nicht abgeschlossen.

Vor dem Volksgerichtshof bekannte sich Hübener mutig zu seinen Taten. Er habe sich verpflichtet gefühlt, seine aus dem Abhören des »Feindsenders« gewonnenen Kenntnisse anderen Leuten weiterzugeben, damit sie die Wahrheit erführen. Bei der Strafbemessung wurde ihm erschwerend bescheinigt, »weit über dem Durchschnitt stehend intelligent« zu sein, wie es in der Urteilsschrift hieß.

Sanders Buch dokumentiert dreißig Flugblattexte, Kommentare, Pamphlete, alle entstanden zwischen Sommer 1941 und Februar 1942, als er verhaftet wurde. Seine Flugschriften gegen das »Land des Terrors und der Tyrannei« heftete er zusammen mit drei Freunden, die später zu langen Haftstrafen verurteilt wurden, an die Anschlagtafeln der NSDAP, die Kästen des Stürmer und an Telefonzellen.

Karl-Heinz Schnibbe, einer der Freunde, die die Nazizeit überlebt haben, sagte später: »Unsere Aktivität war zwar zum Teil ein Spiel und zum Teil ein Abenteuer, aber sie war vor allem tödlich ernst«. Die Dokumente – Selbstzeugnisse und Aussagen der Freunde, Bekannten und von Zeitzeugen, die Sander jetzt vorlegt, belegen Hübeners Kenntnisse von und sein Urteil zu den Verbrechen Hitlers und aller, die ihm folgten oder seine Verbrechen zuließen. All dem kann entnommen werden, daß es möglich war zu wissen, was geschah, und daß es Menschen gab, die dagegen aufstanden.

Nachdem Johannes Rau kürzlich Rudolf Augstein an seinem Grabe ehrte, appellierte Sander in einem Brief an den Bundespräsidenten, er möge demnächst auch Hübener würdigen, der »nicht so alt werden konnte«. Auch möge er sich dafür einsetzen, »daß Hübeners Beispiel in der Jugendbildungsarbeit genutzt wird«. Die Antwort aus dem Bundespräsidialamt: Man bitte um »Verständnis dafür, daß der Bundespräsident nicht alle Menschen, die Widerstand geleistet haben, namentlich nennen kann«.

* Ulrich Sander: Jugendwiderstand im Krieg – Die Helmuth-Hübener-Gruppe 1941/42. Pahl Rugenstein 2002, 200 Seiten, 14,90 Euro

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