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Verfasser: Elvira
Datum: Donnerstag, den 7. November 2002, um 22:55 Uhr
Betrifft: Wie der Satan in die Bibel kam

Wir hatten hier kürzlich schon einmal einen Diskussionszweig über den Satan und das Böse. Dort habe ich bereits gesagt, dass ich ohne den Satan auskomme mich aber dennoch als Christ verstehe. Heute nun etwas ausführlicher meine Gedanken und meine Interpretation.

Katastrophen, Naturgewalten, Not, Krankheit, Krieg, Tod, Gewalt, Missbrauch, Hunger, Armut, Ungerechtigkeit, Betrug, Lüge, auf Besitz aufbauende Gesellschaftssysteme, Unterdrückung, Freiheitsberaubung und die unzähligen schmerzlichen und verletzenden Verhaltensweisen im täglichen Miteinander.
Alles Beispiele für das „Böse“ in der Welt. Warum?

Diesen Geschehnissen gegenüber haben wir das Empfinden, dass sie eigentlich nicht sein dürften, gleichzeitig können wir uns ihnen nicht entziehen, sowohl als Opfer als auch vielfach als Täter.
Wie kommt dann der Mensch dazu, Böses zu tun, obwohl er so etwas, wie eine natürliche Abneigung dagegen hat?
Die vorschnelle Antwort: Der Teufel verleitet ihn dazu

DAS WORT GOTTES ?

Wenn man das NT als das buchstäbliche von Gott gesprochene Wort betrachtet, dann muss man angesichts der dort getroffenen Aussagen (siehe dazu den Beitrag Satan von Chamael),  zu der Ãœberzeugung kommen, dass es eine personifizierte, böse Macht gibt, die gegen Gott arbeitet und sich dazu des Menschen bedient.
Mir scheint das etwas zu oberflächlich betrachtet. In der Bibel liest man von Satan= Widersacher, Diabolo= Verleumder , aus diesem Begriff kam der Ausdruck Teufel, Luzifer= Morgenstern, Sohn des Lichtes. Aber die Aussagen über das personifizierten Böse sind nicht Teil einer verbindlichen Lehre, sie sind jeweils Teil des Weltbildes das zu der Zeit vorherrschte als die Bibel geschrieben wurde.
So wurde der Pentateuch nicht etwa von Mose verfasst, sondern gehen etwa auf den Zeitraum 850- 800 v.Chr. zurück. Diese Aufzeichnungen sind also rund 2800 Jahre zeitlich von uns entfernt. Auch die inspiriertesten Schreiber der biblischen Texte, waren in ihrer jeweiligen Zeit und Kultur zu Hause und waren damit beeinflusst von der zu ihrer Zeit vorherrschenden Weltsicht. Sie sprachen die Sprache ihrer Zeit und konnten sich auch nur ausdrücken in dieser Sprache. Begriffe erfahren im Lauf der Jahrtausende eine Änderung ihrer Bedeutungen  und so ist selbst eine sorgfältige Ãœbersetzung der biblischen Texte aus den Originalsprachen mit gewissen Ungenauigkeiten behaftet.
So stellen für mich, die in der Bibel erzählten Geschichten und ihre Personen für mich nicht geschichtlich existierende Personen dar und die Geschehnisse nicht reale Vorkommnisse.  Die biblischen Geschichten stellen für mich weitgehend Gleichnisse dar. Nur in dieser Form sind sie heute für uns noch deutbar. Die Geschichten erzählen vom Umgang der Menschen miteinander und vom Umgang des Menschen mit Gott.

DIE PARADIESERZÄHLUNG

Auch wenn ich nicht glaube, dass Adam und Eva und das Paradies nicht geschichtlich existente Personen und Orte sind, verwerfe ich damit keineswegs diese Erzählung. In Adam und Eva wird stellvertretend für alle Menschen ein Typus dargestellt. Der Typus des Menschen der in Versuchung gerät , dieser Versuchung erliegt und damit sündig (Volkstümlich wird Sünde gleichgesetzt mit moralischen Verfehlungen. Im NT bedeutet Sünde das Gegenteil der Liebe. Der Sündenbegriff wäre eine eigenen Betrachtung wert.) wird. So ist die Sünde Adams und Evas nicht die aller erste Sünde in der Weltgeschichte, sondern ein Symbol für die das menschliche Verhalten zu sündigen.
Gott hat den Menschen „gut“ geschaffen (Genesis 1,31 ), aber offenbar mit der Anfälligkeit  Böses zu tun. Das ist ein Teil des Menschseins von Anfang an.
Neigt der Mensch dazu, die ihm gegebene Wahl zwischen Gut und Böse zu nützen, um eher dem Bösen Raum zu geben? Wenn man sich die Welt ansieht, entsteht dieser Eindruck.
Anderseits ist dem Menschen gleich welcher Kultur und Epoche er angehört, ein Sinn für Recht und Gerechtigkeit  angeboren, haben sie ein Empfinden dafür was Böse ist und was eigentlich nicht sein dürfte.
Woher aber kommt dieses Böse? Laut Markus 7, 21-23 kommt es von innen aus dem Herzen des Menschen.
Und wie kam es da hinein? Allein diese Frage zeigt, wie sehr sich der Mensch dagegen wehrt, für sein böses Tun selbst verantwortlich zu sein. Schon in der Paradieserzählung erfahren wir, wie Adam die Schuld auf Eva abwälzt und diese wiederum die Schlange dafür verantwortlich macht. Immer suchen wir einen Mitschuldigen für unsere Sünden.

WIE SATAN IN DIE BIBEL KAM

Zwischen  538- 331 v.Chr. war Israel ein Teil des persischen Großreiches, viele Israeliten waren als Sklaven aus ihrer Heimat verschleppt worden. In dieser Exilzeit prallten zwei sehr unterschiedliche Theologien aufeinander.
Die persische Religion die einen guten und einen bösen Gott annahm, von denen all das Gute und Böse in der Welt kam. Die jüdische Religion die streng monotheistisch war und für die der persische Erklärungsweg für das Böse nicht in Frage kam. Die Juden konnten, neben ihrem einzigen Gott Jahwe nicht noch einen zweiten, bösen Gott gelten lassen, das hätte ihrem Grunddogma (Deuteronomium 6,4- 6) widersprochen.
Dennoch kam es zum Austausch und zur gegenseitigen Beeinflussung der Religionen.
Die frühe jüdische Theologie macht Gott selbst zum Anstifter zur Sünde. (Vergl. dazu die Pharaoerzählungen und die Erzählung von David und der Volkszählung ).
Damit aber hatte man das Dilemma. Auf der einen Seite das streng monotheistische Gottesbild, auf der anderen Seite das Böse, dass dann zwangsläufig nur von dem einen Gott stammen konnte. Eine Möglichkeit sich daraus zu lösen, bekamen die Israeliten über die Beeinflussung durch die Perser. Sie mussten das Böse von Gott lösen, durften es aber keinem anderen Gott zuweisen. In dieser Situation entstand das „Zwischenwesen“ Satan= hebr. Widersacher. (Vergl. David und die Volkszählung ältere Version 2.Samuel 24 -àGott reizte David, jüngere Version 1.Chronik 21 à Satan reizte David ).
Satan einer der Gottessöhne, der sich gegen Gott stellt, wird fortan verantwortlich für all das Böse in der Welt gemacht. (Dieser gefallenen Engel spielt in der mormonischen Theologie eine überragende Rolle.)
Diese neue Weltsicht ist erst in den nachexilianischen biblischen Texten des AT zu finden. Zur Zeit des NT war Satan dann fester Bestandteil der jüdischen Theologie und bot eine plausible Erklärung für das Böse in der Welt.
Auch das Gottesbild hat bis zur Zeitenwende zahlreiche Wandlungen erfahren. Während in den älteren AT Texten Gott noch unbefangen mit dem Menschen Umgang hat (Adam, Kain, Noah, Abraham, Jakob, Mose) sich ihm zuwendet, mit ihm spricht, rückt dieser Gott mit der Zeit in weite Ferne. Der Name Gottes darf nicht mehr direkt ausgesprochen werden und Gott kommuniziert mit dem Menschen über Profeten. Etwa 200 v.Chr. war Gott in der jüdischen Theologie so weit vom Menschen entfernt, dass eine große, leere Distanz entstanden  war. In diese Leere hinein tauchen plötzlich Geister und Engel auf. Voll von diesen Wesen sind die Erzählungen der Apogryphen und Pseudepigraphen. Das Böse kommt fortan nicht nur von Satan, sondern von eine zahllosen Schar böser Geister. Zur Zeit des NT begegnet Gott dem Menschen nicht mehr selbst, oder durch Profeten sondern er schickt Engel (Vergl. Maria, Josef, die Hirten auf dem Feld bei Bethlehem, die Frauen am Ostermorgen ). Aus dem gegenwärtigen dem Menschen nahen Gott ist ein auf seine Hoheit bedachter Gott geworden, der nur noch über Engel mit dem Menschen kommuniziert.
Das Problem mit dem Bösen war auf eine andere Ebene verschoben. Woher kamen all  diese bösen Geister und Dämonen? Alles was existiert hat Gott geschaffen. Hat der gute Gott, die bösen Geister erschaffen, damit sie dem Menschen das Böse ins Herz geben?
Aus diesem Dilemma wiederum gab es nur einen Ausweg: Gott hatte diese Geister, Engel gut geschaffen. Ein Teil von ihnen hat sich aber gegen Gott aufgelehnt, wurde deshalb bestraft und aus Gottes Gegenwart verstoßen und deshalb böse. (Worin diese Auflehnung der Engel gegen Gott bestand war und ist Gegenstand vieler Spekulationen und wäre eine eigene Betrachtung wert.)
So sind die im NT getroffenen Aussagen über den Satan nicht Lehre oder Botschaft, sondern ein Teil des damaligen, jüdischen Weltbildes. Sie spiegeln die religiösen Vorstellungen ihrer Zeit wider, in der das Böse personifiziert worden war.
(Im Judentum war der Satans- und Dämonenglaube nur eine kurze Episode. Es wandte sich wieder davon ab und er spielt auch heute keine Rolle mehr.)
Umso stärker hat das Christentum den Satansglauben gehegt. Dieser hat sich mit vorherrschenden nichtchristlichen Religionen vermischt und daraus entwickelte sich eine Art Volkssfrömmigkeit mit ihren bekannten grausigen Auswüchsen in Europa zwischen dem 13. und 17. Jahrhundert. Interessant dabei ist, dass die Satanslegenden hauptsächlich, den apogryphen und pseudepigraphischen Schriften entstammen, die nie ganz zum offiziellen Kanon der etablierten Kirchen gehörten.

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