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Seite erstellt am 25.4.24 um 17:56 Uhr
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Verfasser: Erwin
Datum: Mittwoch, den 10. September 2014, um 11:54 Uhr
Betrifft: Ein solcher Vergleich ist nicht zulässig

>Allgemeine gesellschaftliche Norm in Deutschland ist es, niemanden zu verachten. Respekt vor der Person kommt vom Respekt für das Leben.

Du setzt nicht vorhandenen Respekt vor dem Leben mit Verachtung gleich. Das ist zu weit hergeholt. Man kann durchaus jemanden verachten, und dies entspricht auch der gesellschaftlichen Norm (man spricht auch von "normiertem" Verhalten). Die Linken verachten die Neonazis, oder willst du hier widersprechen? Und diese Verachtung findet z.B. ihren Ausdruck in Hauswandparolen oder Liedtexten usw. Umgekehrt ist es genauso. Die Anarchisten verachten die Polizei (Hauswandparole: "All cops are bastards") und für sie ist sie ein Repressionsorgan (hör mal den Hamburger Sender "Tide", selbsternanntes "freies Kombinat" in in Sachen Rundfunk. Die Gesellschaft verachtet Padophile, sie verachtet Raubmörder, sie verachtet korrupte Politiker, sie verachtet Steuerhinterzieher usw. Die Beispiele ließen sich endlos fortsetzen. Und dann sprichst du davon, dass dies nicht die Norm sei?

Respekt vor dem Leben ist eine andere Sache. Aber Verachtung für jemanden oder seine Handlungsweisen aufzubringen, ist nicht nur menschlich, sondern auch durchaus legitim. Wie sagte Manfred Krug in der Anwaltsserie "Liebling Kreuzberg" einmal? "Sich aufzuregen ist ein Menschenrecht."

> Mormonen fehlt es auffallend häufig am Respekt vor dem Leben, weil ihnen eingetrichtert wird, dass der Wert eines Menschen von seiner Erreichung der höchsten Stufe im celestialen Reich und damit der eigenen Gottwerdung abhängt und alle anderen Menschen damit weniger wert sind.

Schon möglich, ich kann das nicht so genau beurteilen. Dieses Phänomen, das auch mit einem gewissen Nihilismus verbunden sein kann, oder mit einer allgemein niedrigen Wertschätzung des Lebens und in Bezug auf materielle Güter, findet man aber in allen Erlösungsreligionen. Es ist nur eine Frage des Grades der Fanatisierung, inwieweit dem Paradies mehr Wert zugemessen wird als der irdiischen Existenz. Jedoch befolgen die Mormonen durchaus christliche Grundsätze. Auch betreiben sie viele Hilfsprojekte z.B. in Afrika, wie mir gesagt wurde, und helfen Kranken und Hilflosen. Ich würde einmal sagen, deine Aussage hinsichtlich des fehlenden Respekts vor dem Leben in Bezug auf die Mormonen erscheint mir  etwas zu ideologisch verfärbt, was ich aber nachvollzehen kann, wenn man deine Vorgeschichte und deine "Kollisionen" mit der Kirche berücksichtigt.

>In der Frühgeschichte der Mormonen wurden Anders- bzw. Nichtgläubige auch einfach mal abgeschlachtet - siehe Mountain Meadows Massaker.

Das MMM ist ein Extrembeispiel. Es fand vor dem Hintergrund der drohenden Besetzung Utahs und wahrscheinlich auch unter massenpsychotischem Aspekt statt. Die Einzelheiten des MMM und die Frage der Beteiligung Brigham Youngs an der Sache wurden hier schon mehr als ausreichend diskutiert. Es ist wohl davon auszugehen, dass es eine  relativ autarke Splittergruppe unter Führung eines fanatisierten Bischofs weit im Süden Utahs war. Ich erinnere aber auch an die vorangegangenen und im Kollektivbewusstsein der Mormonen verhafteten Traumata bezüglich der Ãœbergriffe in Missouri und Illinois (z.B. Extermination Order und Haun’s Mill Massacre sowie die Ermordung Joseph und Hyrum Smiths).

>Dass die Respektlosigkeit der Mormonen heute nicht mehr in Morden endet liegt einfach an der dominierenden Staatsgewalt, die deren Fanatismus in Schach hält. Ihre Ideologie jedoch kategorisiert weiterhin Menschen in bessere und schlechtere.

Für einige westliche Länder und Demokratien mag das zutreffen. Für die meisten Länder jedoch nicht. Von der jeweiligen "dominierenden Staatsgewalt" gehen häufig die schlimmsten Verbrechen aus. Auch die Gesellschaft kategorisiert Menschen in bessere und schlechtere. Das habe ich ja schon erörtert.

>Unser Grundgesetz und unsere Rechtsprechung legitimieren diese aber keineswegs, im Gegenteil: sie fordern Respekt vor dem Leben und der Person ein, möge das Individuum welche Weltanschauung auch immer haben, welche sexuelle Orientierung auch immer, möge sie dumm oder klug, reich oder arm sein.

Ich wiederhole: Respekt vor dem Leben aufzugeben ist nicht gleichzusetzen mit Verachtung. Und was hat Verachtung überhaupt mit Art. 1 des GG zu tun? Es heißt dort, dass die Würde des Menschen unantastbar sei. Es ist auch vom Recht auf körperliche Unversehrtheit die Rede (Art. 2). Aber was hat das damit zu tun, wenn man jemanden verachtet? Du spielst auf die Weltanschauung an? Auf die sexuelle Orientierung? Ich glaube, Neonazis unterliegen hier in Deutschland einer ziemlich ausgeprägten Ächtung, und Padophile noch mehr.

Und vergiss bei all deinen auf mich romantisch wirkenden und idealisierten Sichtweisen nicht Art. 6 des GG, der von den homosexuellen Gruppierungen  schamlos unterminiert wird. Und vergiss nicht Art. 19 GG, wonach Grundrechte auch eingeschränkt werden können. Es handelt sich bei Art. 1 GG also nicht um einen kategorischen Imperativ, sondern letztendlich auch nur um eine idealisierte Festlegung, die in vielen Bereichen unserer Gesellschaft reine Fiktion darstellt. Ich könnte Beispiele aus dem Bereich der Psychiatrie bringen, oder aus dem Bereich der Altenpflege etc., was hier den Rahmen sprengen würde.

>Die gesellschaftliche Norm jedoch ist gesetzt, und die besagt: Respekt vor der Person - oder wie unser Grundgesetz es formuliert: Die Würde des Menschen ist unantastbar.

Wie gesagt, du übersiehst hierbei einige wichtige Fakten und typisch menschliche Verhaltennormen. Würde muss ein Mensch auch erst einmal erlangen, so wie ich es einst in der Schule gelernt habe. Wer sich würdelos verhält, wird wohl mit Sicherheit nicht Bundespräsident werden - oder sollte ich da etwa irren? Und was ist denn Würde überhaupt? Darüber könnte man ellenlange Diskussionen führen. Entspricht es der Würde des Menschen, wenn  psychisch Kranke in  betreuten Einrichtungen nur 50,00 Euro Taschengeld für den ganzen  Monat bekommen, nur weil sie "Kost und Logie" frei haben? Wie gesagt, ich könnte die Reihe der Beispiele beliebig fortsetzen. Eines jedoch steht fest: wem ich Würde beimesse, obliegt immer noch mir selbst. Und es obliegt jedem, wem er welches Maß an Würde beimisst. Und es hängt von jedem selbst ab, ob er sich würdevoll oder würdelos verhält.

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