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Beitrag 22 von 81
zum Thema Zeitungsartikel über die Mormonen
Seite erstellt am 24.4.24 um 18:30 Uhr
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der Beitrag:
Verfasser: Gunar
Datum: Donnerstag, den 7. Februar 2002, um 1:48 Uhr
Betrifft: Schlaflos in Salt Lake City (4)

Süddeutsche Zeitung
Donnerstag, 7.2.2002

Schlaflos in Salt Lake City (4)

Orgien! Orgien!

Salt Lake City bietet sich für eine interessante Untersuchung an: Was hat der Drogenkonsum der Bewohner mit der baulichen Ästhetik einer Stadt zu tun? Mormonen rauchen nicht. Sie trinken weder Alkohol noch koffeinhaltige Getränke und machen es auch ihren Besuchern nicht leicht: Mehr als drei Prozent Alkohol im Bier sind verboten. Wer trinken will ohne zu essen, muss erst zahlendes Mitglied in einem „Club“ werden. Zum Ausgleich halten sich die Einheimischen an den legalen Drogen Zucker und Antidepressiva schadlos. Diabetes grassiert, Wackelpudding wurde zu Utahs „offiziellem Snack“ gekürt. Der Verbrauch des Antidepressivums Prozac liegt 60 Prozent über dem US- Durchschnitt.

Wenn hier also Orgien gefeiert werden, dann nur paradoxe Orgien der Mäßigung. Auch in der Architektur. Wer Geld hat, spendet es der Gemeinde. Große Häuser baut man für seine elf Kinder, nicht, um seinen Reichtum zu illustrieren. Spektakuläre Gesten bleiben der Kirche vorbehalten, die das höchste Bürohaus und – am Temple Square – die einzigen bemerkenswerten Gebäude der Stadt besitzt. Noch höher sind nur die Dreitausender der Umgebung. Entsprechend unaufregend sind auch die Wettkampfstätten ausgefallen, von denen die allermeisten ohnehin schon länger stehen. Berlin? München? In Salt Lake City geht es architektonisch weder um Ideologie noch um Utopie, sondern um Funktionalität. Auch das hat etwas Erfrischendes. Während die Architekten des von Ferne wunderbar leichten, aus der Nähe reichlich windig erscheinenden Olympic Ovals in der Pressemappe kaum erwähnt werden, liefert diese eine ausführliche Biografie des dort wirkenden „Eismachers“ Marc Norman, dessen „Geheimrezept“ das olympische Eis zum „Großartigsten Eis der Welt“ mache. Schließlich wird es eher seiner Kunst als der der Eisschnellläufer zu verdanken sein, wenn in Salt Lake City wie erwartet die Weltrekorde fallen.

Nach langer Suche zwischen provisorischen Tribünen, PVC-Zelten, Wohnwagen und Büroblocks, die mit bedruckten Textilbahnen verhängt sind, findet sich – in Form eines eher apokryphen Accessoires – dann doch noch ein spektakuläres Stück Architektur: der Hoberman Arch auf der Olympic Medals Plaza. Der New Yorker Erfinder Chuck Hoberman hat mit der bislang größten seiner auch auf der Expo vertretenen „Sphären“ den Bühnenvorhang des 21. Jahrhunderts geschaffen. Tagsüber verschließen die 96 Alupaneele der netzartigen, halbkreisförmigen und gewölbten Konstruktion die Bühne. Abends falten sie sich in einer graziösen Bewegung von der Mitte aus zu einem schmalen Bogen, der die Medaillenzeremonien rahmen wird. Wer will Gold, wenn er auch Aluminium haben kann.

JÖRG HÄNTZSCHEL

http://www.sueddeutsche.de/aktuell/sz/artikel120226.php

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