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zum Thema Zeitungsartikel über die Mormonen
Seite erstellt am 20.4.24 um 15:36 Uhr
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Verfasser: Gunar
Datum: Donnerstag, den 7. Februar 2002, um 1:31 Uhr
Betrifft: FR: Cola ist erlaubt

Tztztz ... dass manche Journalisten immer noch davon ausgehen, dass Missionare selbständig denken ... kaum zu glauben.

Frankfurter Rundschau
07.02.2002

Cola ist erlaubt

Die Mormonen, Herrscher im Staate Utah, sind von missionarischem Eifer beseelt / Kritiker befürchten in Salt Lake City eine "Molympiade"

Von Dietmar Ostermann (Salt Lake City)

"Sagen Sie mal", fragt Carol aus Florida, "lesen Sie auch die Bibel?" Ihr Mann mit der zerknitterten Baseballmütze und der für einen Wintertag in den Rocky Mountains eindeutig zu dünnen Windjacke will wissen, wie viele Götter es eigentlich gibt, wenn jeder Gottheit erlangen kann: "Haben Sie einen oder mehrere?" Der dicke Herr aus Ohio hat gehört, dass Mormonen keine Cola trinken, weil da Koffein drin ist. Das klingt für ihn nach einem traurigen Leben: "Kein Bier, keine Cola, wovon leben Sie denn?"

Schwester Manmar hat ein strahlend schönes Lächeln und gütige Augen wie Mutter Theresa. Die junge Frau mit der steifen weißen Bluse unter dem schwarzen Filzmantel führt die kleine Touristengruppe über den verschneiten Tempelplatz von Salt Lake City, und weil sie so etwas schon seit dem vorigen Sommer macht, kennt sie längst alle Fragen. "Die nach der Bibel kommt immer", sagt Schwester Manmar, "das mit der Cola ist eher selten. Meist wird nach Alkohol gefragt. Außerdem stimmt es nicht. Cola ist nicht verboten. Ich trinke Diet-Coke."

Die Mormonen, die zwei Drittel der Einwohner im US-Staat Utah stellen und damit quasi als inoffizielle Gastgeber der Olympischen Winterspiele von Salt Lake City gelten, dürften nicht nur für die meisten Sportfans aus aller Welt unbekannte Wesen sein. Auch in den USA weiß man über die eigenbrötlerischen Frömmler aus den Bergen in der Regel wenig außer, dass ihre Vorfahren einst der Vielweiberei frönten und vor religiöser Verfolgung Richtung Westen flohen.

Dabei will die Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage nichts mehr, als endlich das alte Hinterwäldler-Image loswerden, das ihr seit anderthalb Jahrhunderten anhängt. In der vergangenen Dekade hat der volkstümliche Präsident Gordon Hinckley vorsichtig begonnen, die Kirche zu öffnen. Der heute 91-Jährige, der mit Gott in direkter Verbindung steht, ging zu CNN-Talker Larry King ins Studio, empfing erstmals Reporter in seinem Büro und ermunterte seine Glaubensbrüder, nicht "frommer als der Papst" zu sein.

Was er damit gemeint haben könnte, darüber will Schwester Manmar lieber nicht Auskunft geben. Dafür drückt sie am Ende der Führung jedem Gast noch einen Zettel in die Hand. "Schreiben Sie uns, wie es Ihnen gefallen hat", werden im Besucherzentrum am Tempelplatz die Touristen üblicherweise zu ein paar Zeilen ermuntert, nicht ganz ohne Hintergedanken. Denn wer hier seine komplette Adresse angibt, bei dem kann später schon mal ein mormonischer Sendbote vor der Tür stehen. Nicht zuletzt wegen der eifrigen Missionsarbeit sind die Mormonen heute die am schnellsten wachsende Religionsgemeinschaft in den USA. Ihre Zahl in den Vereinigten Staaten hat sich in 30 Jahren mehr als verdoppelt, auf heute fünf Millionen. Weltweit hat die Kirche mit Stammsitz in Salt Lake City nach eigenen Angaben elf Millionen Mitglieder. Weltweit sind 60 000 Missionare im Einsatz; jedes Jahr öffnen 400 neue Gebetshäuser.

Das florierende Kirchenimperium geht beim Werben um neue Glaubensbrüder oft so penetrant vor wie Kreditkartenunternehmen bei der Suche nach Kunden, doch während der Olympischen Spiele wollen sich die Mormonen dezent im Hintergrund halten. "Wir wollen gute Gastgeber sein", versprach Kirchenchef Hinckley. Missionarinnen wie Schwester Manmar wurden in speziellen "Zivilkursen" trainiert, um ausnahmsweise mal nicht in jedem Touristen eine verirrte Seele zu sehen, die Erlösung braucht. Auch sollen Olympiabesucher nicht nach ihrer Adresse gefragt werden.

Vor gut einem Jahr hatte sich die Kirchenleitung noch beim Fernsehsender NBC, der die Übertragungsrechte für die Wettkämpfe hält, nach den Preisen für Reklameblöcke bei Top-Ereignissen erkundigt. Überlegt wurde eine millionenschwere Werbekampagne. Dann aber entschied sich die Kirchenleitung für ein bescheideneres Auftreten. Jetzt wollen die Mormonen sich als weltoffene Glaubensgemeinschaft präsentieren, ohne gleich mit der Mitgliedskarte zu winken. Sportjournalisten wurden dazu Themenvorschläge für Artikel zugeschickt, eine professionelle PR-Abteilung eingerichtet und der berühmte Tabernakel-Chor für die Eröffnungsveranstaltung am heutigen Freitag abgestellt.

Den Olympia-Veranstaltern um Cheforganisator und Kirchenmitglied Mitt Romney hat die Kirche zudem kostenlos einen Parkplatz im Zentrum von Salt Lake City überlassen. Dort sollen alle Siegerehrungen stattfinden. Zwar nicht mit auf dem Treppchen, aber gleich dahinter rücken die Mormonen ins Bild: Die Siegestribüne wurde so montiert, dass im Kamerabild über den jubelnden Olympioniken unweigerlich die weißen Marmortürme des neogotischen Mormonen-Tempels aufragen. Kritiker werfen der Kirche deshalb vor, trotz aller Zurückhaltung die Spiele zu einer "Molympiade" umfunktionieren zu wollen. Unfair, findet Schwester Manmar und gibt die offizielle Kirchenantwort: "Wenn Olympia in Rom stattfindet, spricht ja auch niemand von einer Kolympiade."

http://www.fr-aktuell.de/fr/150/t150026.htm

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