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Beitrag 9 von 12
zum Thema Widmung an John Doe alias Rene Krywult
Seite erstellt am 23.4.24 um 17:20 Uhr
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der Beitrag:
Verfasser: James
Datum: Samstag, den 2. Dezember 2000, um 10:35 Uhr
Betrifft: Gute Frage

Mark schreibt u.a.:

"Wie steht es aber mit der Verantwortung, die ich anderen gegenüber trage?   Hat man eine Familie, so kann man nicht so einfach "entfühlen", wie du sagst."

Gute Frage. Doch, kann man und muß man. Hart, sehr hart. Dies ist einer der schmerzvollsten Prozeße der oft Jahre dauern kann. Ich kenne ungefähr 20 "HLT-Väter" die mir im Laufe der Jahre "gestanden" haben, daß sie kein sog. "Zeugnis" haben etc. Auch einige Frauen. Eben aus "Familiengründen" noch in der Kirche sind. Das ist schon bitter. Auch eine Handvoll die es zum Glück in der Zwischenzeit mit (!) der Ehefrau bzw. Familie geschafft haben. Dies hat m.E.n. auch etwas mit der Ehrlichkeit, Offenheit und offenen Kommunikation in einer Beziehung zu tun. Es ist schon bitter von HLT-Männern zu hören: "Ich muß mich anpassen. Es ist zwar ein Gefängnis für mich, aber fast alle der Familie (inkl. Großfamilie) sind Mormonen. Ich wäre völlig alleine." Angst. Angst der Ächtung, Verlustängste, Alleinsein, ich bin ein Abtrünniger, Abgefallener, Verleugner, etc. Diese "Gefühle" sind durch den Mormonismus geschürt und gelehrt. Wer HLT ist ist "gut", auf dem Weg ins celestiale Reich, wer nicht, eben nicht. Ist "böse", voll der "Sünde", man "fällt nur ab" aus moralischen Gründen etc. So die Denke, Fühle und Lehre. Die Kirche definiert das Wertesystem und Gefühlswelt. Diese "Maßstäbe" gilt es zu hinterfragen und zu "entfühlen." Seine Gefühle selbst (!) zu definieren und zu bewerten. Selbstverantwortlich zu werden.

"Und ist man für Mitglieder in der Gemeinde verantwortlich, so geht das auch nicht so einfach.   Man ist als Individuum ja eingebunden (wobei ich zugeben muß, das die Kirche das ganz geschickt einfädelt...) unterliegt sozusagen gruppendynamischen Prozessen."

Sehe ich anders. Weiß was Du meinst. Dieser Punkt hat mich auch lange in der Kirche gehalten. Gehört jedoch auch zum HLT-Wertesystem und auch dem christlichem (Bin ich meines Bruders ...). Ich bin nicht für Mitglieder in der Gemeinde "verantwortlich." Sie sind es selbst. Ob Du da bist oder Peng: Die Kirche funktionert ohne den Einzelnen. Die Mitglieder gehen sehr schnell zur Tagesordnung über. Sollte ein Mitglied zu "abhängig" von mir sein, dann liegt ein Problem vor. Kann an beiden Parteien liegen. Habe ich das evtl. sogar gewünscht und gefördert? Dann wird es höchste Eisenbahn diese "Rettungsleinen" zu kappen. Was bewegt, drängt mich in der "Gemeinde" tätig zu sein? Evtl. zu "führen?" Zu "Heimlehren?" Bin ich ein "Retter?" Brauche ich das für mein Selbstwertgefühl?
Vor einigen Jahren habe ich von einem Bruder der Kirche ggesagt bekommen (sinngemäß und kurzgefaßt): "Pfahlpräsidentschaft will mich zum Bischof berufen. Frau will es nicht. Was mache ich?" (gegenwärtiger Bischof war völlig entnervt, kaputt, Ehe kriselte, er hatte bereits gebetet und gefastet). Konflikt. In einer Selbstreflektion (habe nur gespiegelt und Fragen gestellt)stellt er fest, daß seine Frau Angst um die Ehe und ihn hat, er Angst vor der Ehekrise hat, sie verliert, zumindest emotionell, "muß" er die Berufung annehmen, ist schließlich der Wille des Herrn? Zum Schluß kommt er drauf, "erfühlt" es, daß er die Berufung annehmen möchte, weil er es als Selbstbestätigung sieht, "ich bin würdig, von Gott geschätzt etc.", es tut meinem Selbstwertgefühl gut, eigentlich brauche ich das. Erschütternd. Wir vergossen am Ende Tränen. Er war auf dem Weg zur offenen Ehrlichkeit sich selbst gegenüber, seine Ängst anzunehmen und zu artikulieren. Er faßte allen Mut zusammen und sprach alles offen mit seiner Frau an. Er war bereit den Preis zu zahlen. Er bemerkte, daß er selbst (!) bestimmen muß, welchen Wert er hat, nicht eine Institutíon etc. Die Familie "entfühlte" sich vom HLT-Wertesystem. Sind alle nicht mehr HLT und führen ein gutes und glückliches Familienleben.

"Als biederer Familienvater muß ich auf jeden Fall Rücksicht auf die mir anvertrauten nehmen."

Richtig, nur welche Art von Rücksicht? Zur Selbständigkeit erziehen oder zum celesetialen Reich hinerziehen?

"Schließlich gibt man Segen, glaubt selbst oftmals das, was man sagt..."

Wichtiger Punkt! Wozu muß man einen Segen geben? Mal zum Nachdenken: Wozu ist ein Segen von einer z.B. göttlich "inspirierten" Instanz notwendig? Offen reden, abwägen, durchleuchten. Selbst (!) sein, anstatt eine anderen (den "Geist") für sich reden lassen.

"... und will seinem Kind auch moralische Prinzipien beibringen."

Ein fataler Denkfehler. Kein Mensch hindert Dich daran Kindern "moralische Prinzipien" zu lehren. Man muß kein Mormone, kein Christ etc. sein um dies tun zu können. Die alte Mär (ohne Kirche etc. bricht die Kulter, die Familie etc. zusammen). Muß ich immer drüber lachen. Frage, anderer Blickwinkel: Wer ist der "bessere Lehrer?" Vereinfacht: Der, der Kinder belehrt: "Du sollst nicht lügen. Gott gebiete es. Du wirst dafür belohnt (oder bei Nichtbeachtung bestraft, man "sündigt" ja). Im Gegensatz dazu: Du sollst nicht lügen. Achte Dein Gegenüber, begegne ihn mit Respekt. Du belohnst Dich selbst mit Selbstachtung, dem Wissen, nicht überlegen zu müssen ob Du unehrlich warst. Andere ehrliche Menschen werden Deine Gegenwart schätzen."

"Pervers, ich weiß, denn innerlich weiß man oft: Hier hast du mit der Wahrheit vor den deinen geschummelt, obwohl du sie abgöttisch liebst.   Verteufelte Zwickmühle, aber keine Angst, man lernt damit zu leben.   Zeit ist wahrscheinlich hier, wie oft überall das Zaubermittel.   Steter Tropfen näßt das Bein sozusagen.   Seiner wahren, menschlichen Verantwortung gerecht werden kostet wohl Zeit."

Tut es. Anders hinterfragt um die Dinge in einem anderen Blickwinkel zu sehen und daraus evtl. Rückschlüsse zu ziehen: Stelle Dir vor Du willst allen von Dir oben genannten Punkten gerecht werden (Verantwortung, Gemeindemitglieder etc.), dann tausche mal die "Gemeinschaften" aus: Aus HLT wird eine SS-Familie. Ein überzeugte! Inkl. dem SS-Weltbild. Du erkennst im Laufe der Zeit Dein verbrecherisches Denken, Fühlen und Handeln. Was wiegt mehr? Die "heile Welt" oder die wirkliche Welt? Ich weiß vor wem ich mehr Achtung und Respekt habe. Nicht dem damals überzeugten Nazi, der mir vorheult er wurde verführt und mußte "so" handeln, die Familie mußte auch zusammenhalten, man mußte überleben etc., gegenüber dem, der mir heute sagt: Ich war überzeugt, Uniform, Beförderung, Anerkennung haben mir Karrierevorteile gebracht, haben mein Selbstwertgefühl gestärkt. Habe dann bitter erkennen müssen, daß ich eine Lebenslüge gelebt habe. Es war falsch. Ich war ein Verbrecher, habe mich an meiner Familie und Kinder durch ein falsche Weltbild "versündigt." Bin davon "umgekehrt und mache wieder gut, so gut ich kann. Koste es was es wolle."

Mich hat ein EX-HLT Ehefrau beeindruckt als sie sagte, nachdem ihr Mann ihr seine Zweifel offenbarte: "Endlich ist er sich selbst gegenüber ehrlich geworden und wird erwachsen. Findet und lebst sich selbst. Braucht niemanden, weder Mensch noch überirdische Wesen die ihm sagen müssen was er zu tun hat." Beide sind mittlerweile draussen. Wiegesagt, beeindruckend. Zieh meinen visionären Hut Madam!

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