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zum Thema Totentaufe
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Verfasser: locutus
Datum: Mittwoch, den 6. Februar 2002, um 0:08 Uhr
Betrifft: mein Weg

Lieber Goy,
Deinen Weg kann ich Dir nicht aufzeigen, denn wie James schon so trefflich schreibt, liegt der Weg wahrscheinlich in Dir.

Aber ich kann Dir berichten, wie mein Weg verlaufen ist. Dies ist kein Ratschlag, aber aus den Erfahrungen anderer kann jeder Rückschlüsse für sich selbst finden.

Ich wurde katholisch getauft und als Christ erzogen. In meiner Kindheit wurde ich oft von meinem Onkel mit zu seiner mormonischen Gemeinde mitgenommen, habe an den Abendmahlversammlungen und auch an der Primarvereinigung teilgenommen. Diese Zeit hat mein religiöses Denken und Handeln nachhaltig geprägt. Als ich reifer wurde, habe ich beide Theologien miteinander verglichen und mich für die katholische Kirche entschieden. Diese bläst ja bekanntlich in das selbe Homophobe Horn, wie fast jede andere religiöse Gemeinschaft.
Als ich feststellte, dass ich schwul war, kam dies einem Schock gleich. Denn damit hatte ich gewiss nicht gerechnet.
Ich stand also vor dem Problem, dass meine Gefühle als Sünde abgestempelt waren, und mein ganzes religiöses Koordinatensystem von jetzt auf gleich aus den Angeln gerissen wurde. Ich musste mich also von neuem auf die Suche machen. Denn auf einmal war ich ja ein Sünder und nicht mehr Gott gefällig.
Ich begann also von neuem die religiösen Systeme zu durchforsten, lernte die verschiedensten Lehrmeinungen kennen, und prüfte, ob ich diese annehmen könne.
Und, wie sollte es anders kommen, jede religiöse Gemeinschaft lehnte Homosexualität strikt ab.
Aber beim Studium der verschiedenen Lehrmeinungen lernte ich, dass es wichtigere Dinge gibt, als die offizielle Lehrmeinung zur Homosexualität.
Ich merkte, dass die anderen Aspekte meiner ursprünglichen Religion, der Katholizismus, immer noch mein Glaube waren.
Ich entschied mich also wiederum für die katholische Kirche.
Ich lernte zunächst homophobe Äusserungen zu ignorieren. Das reicht aber irgendwann nicht mehr. Die Ohren auf Durchzug stellen, kam mir dann ignorant vor, denn ich musste mich verbiegen.
Daraufhin habe ich begonnen mein schwules Leben öffentlich zu führen, und gleichzeitig weiterhin in schöner Regelmäßigkeit den Gottesdienst besucht.
Irgendwann hatte dann auch meine Gemeinde kapiert, dass ich nicht anders war, als vorher auch.
So lebe ich heute: katholisch, schwul, und trotzdem gut drauf.:-)
Dies war also mein Weg. Der Glaube hat mich und mein Leben geprägt, und ich habe es für mich geschafft, das Ganze mit meiner Homosexualität unter einen Hut zu bringen.

Die Namen der in meinem Weg erwähnten Kirchen sind beliebig austauschbar. ICH habe gesucht und in der katholischen Theologie gefunden. Das, was Du suchst, liegt in Dir und in Deinen spirituellen Bedürfnissen.
Aber deine Suche wird nicht einfach sein, denn Du musst die homophoben Lehrmeinungen mit den übrigen Lehrmeinungen abgleichen, und da die für Dich richtige Mischung finden.
Dass dies nicht einfach ist, weiß ich, denn ich hab es auch hinter mir.
In diesem Sinne wünsche ich dir viel Glück bei Deiner Suche und Gottes Segen, egal wo Du ihn für Dich finden magst.

Liebe Grüße
Gero

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