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Beitrag 3 von 81
zum Thema Zeitungsartikel über die Mormonen
Seite erstellt am 28.3.24 um 21:47 Uhr
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der Beitrag:
Verfasser: Gunar
Datum: Montag, den 4. Februar 2002, um 0:25 Uhr
Betrifft: SZ: Schlaflos in Salt Lake City (1)

Süddeutsche Zeitung
Montag, 4.2.2002

Schlaflos in Salt Lake City (1)

Tempelpiloten

Schwester Kim und Schwester Dorothy eilen in dunkelblauen Mänteln zum Tabernakel: „Hi, how are you?“ Schwester Susan und Schwester Anne tragen vernünftige Schuhe: „Where are you from?“ Schwester Koichi und Schwester Cazushi drücken ihre Books of Mormon in Kunstlederetuis an sich: „Can we help you?“ – Der von hohen Mauern umfriedete Temple Square in Salt Lake City, der Vatikan der Mormonenkirche, ist die Stadt der Frauen. Während ihre zukünftigen Ehemänner an pakistanischen oder japanischen Haustüren klingeln – Mission: Impossible –, kämpfen sie mit besseren Aussichten an der Heimatfront. Nie wird es dort mehr zu tun geben als in den nächsten zwei Wochen. 11 Millionen Mormonen gibt es weltweit. Bleiben noch sechs Milliarden Heiden, die von der einzig wahren christlichen Religion zu überzeugen sind.

Das wirkungsvollste Hilfsmittel der Missionarinnen dürfte der Aufwärtssog sein, den der blendend weiße Granittempel zu erzeugen scheint. Die Mormonen bauten den neo-irgendwas-gotischen Proto-Wolkenkratzer gleich, nachdem sie in das dürre Tal gestolpert waren: Es war Instant-Historie lange vor Neuschwanstein und Disneyworld. Mittlerweile nimmt die Tempelstadt mit ihren 15 Gebäuden nicht nur die halbe Downtown ein. Sie deckt auch die gesamte Geschichte ab und steckt sie symbolisch in den großen Sack der Kirche. Das alte Verwaltungsgebäude stammt aus dem antiken Griechenland. Das Besucherzentrum repräsentiert die amerikanische Moderne. Der Büroturm, das höchste Gebäude der Stadt, atmet den Flair einer Berliner Versicherungszentrale aus den Siebzigern. Und das dramatisch auf- und abgetreppte, 250 Millionen Dollar teure Konferenzgebäude, wo 21000 „Heilige“ halbjährlich die Prophezeiungen des „Propheten der Nationen“, Präsident Gordon B. Hinckley, empfangen, führt zurück bis nach Babylon. Doch erst bei Dunkelheit entfaltet die fiktive architektonische Religionsgeschichte ihre ganze Wirkung. 300000 rosa Lämpchen funkeln in den Bäumen. In den Wasserbecken treiben leuchtende Plastikkugeln. Und durch die riesigen Fenster im Besucherzentrum flutet ein tiefblaues Strahlen über den Schnee. Es ist das Weltall, Sonne, Mond und Sterne, aus dem mit offenen Armen ein marmorner Jesus herabsteigt.

Es trifft sich gut, dass gleich neben dem Tempel, auf dem Olympic Square, die Medaillen verliehen werden. So wird die himmelsstürmende Hochzeitstorte mehr Air-Time bekommen als je zuvor. Nicht die Sportler, sondern die Popstars sind jedoch die Hauptattraktion der allabendlichen Show. Unter anderem sind auch die Stone Temple Pilots fest gebucht.

JÖRG HÄNTZSCHEL

http://www.sueddeutsche.de/aktuell/sz/artikel118847.php

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