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Verfasser: Gipfelstürmer
Datum: Donnerstag, den 30. September 2010, um 15:08 Uhr
Betrifft: Wie war der Teneriffa-Urlaub?

> Kennst Du beide Seiten? Hast Du beides durchlebt? Jeder ehemalige Mormone schon. Deshalb kann Dir ein ehemaliges Mitglied auch mehr davon berichten, wie die Welt jenseits des Mormonismus aussieht als jeder Mormone, der da gar nicht hindarf in dieses Leben. Natürlich immer subjektiv;-) aber eben mehr als der, der noch mittendrinschwimmt in der Suppe.

Du sprichst natürlich über hochgradig subjektive Dinge. Wir alle kennen nicht „die“ Welt an sich, sondern nur unseren subjektiven Mikrokosmos und unsere eigene Wahrnehmung der Umgebung. Ich war mal auf Teneriffa, weil mir ein Freund begeistert davon berichtet hatte. Während unseres Aufenthalts hatte ich die Grippe, es hat geregnet und unser Auto wurde aufgebrochen. Mein Freund und ich können jetzt beide von uns behaupten, dass wir Teneriffa erlebt haben. Aber kennen wir jetzt beide die „Medaillenseite“ Teneriffa? Er fand’s super, ich fand’s zum kotzen. Und ist unser erweiterter Erfahrungshorizont an Teneriffa gebunden? Hätten wir nur dort schöne Strände, die Grippe oder den Regen erleben können? Diese Erfahrungen sind natürlich im Prinzip nicht unbedingt an einen ganz bestimmten Ort gebunden. Genauso verhält es sich mit der Religion. Kritisches Denken, Gewissensfreiheit und Selbstverwirklichung sind keine Werte, die man nur als Nicht-Mormone umsetzen kann. Ich brauche keine Austrittsbestätigung von der Kirchenverwaltung, bevor ich mein Leben selbst in die Hand nehme. Eingeschränkt und bevormundet kann man sich überall fühlen (in einer Ehe, in einer Firma, in einer Nachbarschaft, in einem Sportverein, in einer katholischen Gemeinde, …). Was ich daraus mache und wie ich damit umgehe, ist immer und überall meine Sache.

> > Abgesehen davon habe ich in meiner Glaubensgemeinschaft die von Dir aufgezählten Dinge (Leid, Verleumdungen, Meidungsverhalten, Unsicherheiten, …) noch nicht erlebt. Jedenfalls keinesfalls mehr als außerhalb meiner Kirche. Im Gegenteil. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass eine Ablösung von solch negativen Einflüssen mit einem Gefühl der Freiheit einhergeht.
> "Juhuuu", es lebe das Klischee ... Gipfelstürmer, hier hast Du die Mormonen grad selbst vorgeführt.  Es ging nicht so sehr darum, dass man diese Dinge IN der Gemeinschaft erlebt hat, sondern dann, als man AUS der Gemeinschaft ausgetreten ist. Aber unter den Mitgliedern wird das ganz gern verdreht, da geht man nämlich aus den von Dir aufgeführten Gründen und fühlt sich dann angeblich befreit. So isses aber höchst selten. Man geht, fühlt sich befreit und kriegt in’n Hintern getreten - sorum geht das;-)

Du hast mich erstens falsch verstanden und kennst zweitens meine Biographie nicht. Mir tut es leid, dass Du während Deines individuellen Ablöseprozesses derart negative Erfahrungen machen musstest. Ich werde mich bemühen, dass mein Verhalten einem Menschen niemals Anlass dazu gibt, seine Trennung von der HLT-Kirche ähnlich zu empfinden wie Du.

> Kleiner Tipp zur Selbsterfahrung: Wage doch mal das Experiment (wenn Dir das möglich ist) offiziell auszutreten für ein Jahr und schau, was passiert. Dann kennst auch Du beide Seiten der Medaille.

Ich habe nicht dieselbe Familie wie Du. Auch nicht denselben Bischof. Unsere Freunde sind nicht dieselben. Wir haben völlig unterschiedliche Einstellungen im Hinblick auf die HLT-Kirche. Unsere Hobbys sind andere. Wir haben unterschiedliche Stärken und Schwächen. Unsere Persönlichkeiten unterscheiden sich offenbar sehr stark. Wir haben womöglich auch sehr unterschiedliche Gottesbilder. Wir gehen möglicherweise anders mit Stress um und nehmen uns verschiedene Dinge unterschiedlich stark zu Herzen. Die zwei Seiten der Medaille stehen ganz offenkundig für das Leben innerhalb und außerhalb der HLT-Kirche. Wenn ich aus meiner Religionsgemeinschaft austrete, dann kenne ich nicht das, was Du jetzt schon kennst. Du kennst auch nicht das Leben in der HLT-Kirche so wie ich es kenne. Denn ich bin jemand völlig anderes als Du. Ich würde bei einem Austritt nicht genau das Gleiche erleben, was Du erlebt hast und würde es auch nicht genau gleich empfinden. Ich würde nicht die Kehrseite der Medaille „an sich“ erfahren, denn wir spielen nicht im selben Film mit.

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