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Verfasser: Gipfelstürmer
Datum: Dienstag, den 20. Juli 2010, um 19:33 Uhr
Betrifft: Die Welt unter der Käseglocke

> Ich verstehe deinen Wunsch, es ist der Wunsch, sich mit der Kirchengeschichte auseinanderzusetzen, ohne immer gleich eins mit der Keule übergebraten zu bekommen. Es ist aber auch der Wunsch nach Anerkennung.

Wenn ich mich in meiner Freizeit ein wenig mit Kirchengeschichte auseinandersetze, erhalte ich dafür von meinem Umfeld weder Anerkennung noch Ablehnung.

> Diese wissenschaftlichen Arbeiten müssen finanziert werden - und scheinbar gab es dafür nur wenig Interesse oder Geld von neutraler Stelle.

Diese Einschätzung teile ich überhaupt nicht und kann meine Auffassung vermutlich auch ganz gut belegen. Es gibt immer mehr Center of Mormon Studies an staatlichen und privaten Universitäten. An der Claremont Graduate University, der University of Durham, der Utah Valley University oder der University of Wyoming existieren meines Wissens nach schon jetzt gut etablierte Institute. Die Berkley University und die University of Virginia stoßen wohl in Kürze dazu. Einen informativen (wenn auch schon etwas älteren) Zeitungsartikel findest Du dazu unter http://www.boston.com/news/education/higher/articles/2008/02/19/colleges_scramble_to_offer_curriculum_on_mormon_religion/. Der Mormonismus ist für viele „neutrale“ Historiker und universitäre Einrichtungen offenbar spannender denn je. Ich bin wie gesagt der Meinung, dass es mittlerweile wirklich sehr viele Fachleute gibt, die sich mit der HLT-Kirche und ihren Ablegern beschäftigen. Und was sie so schreiben, hat irgendwo so rein gar nichts mit dem zu tun, was man z.B. auf Manfreds Internetseite lesen kann. Das ist oft ein Unterschied wie Tag und Nacht. Es sind komplett andere Welten. Robert Remini ist einer der Top-Historiker in den USA. Im Jahr 2005 wurde er zum „Historian of the United States House of Representatives“ ernannt. Ihm macht niemand was vor. Drei Jahre vorher hat er eine Biographie über Joseph Smith veröffentlicht, für die er fast nur Originalquellen verwendete. Über Joseph Smith weiß er im Grunde alles (er kennt seine Schatzsucheraktivitäten, seine Beziehung zu Fanny Alger, seine Rolle in der Kirtland Saftey Society, seine „Übersetzung“ des Buches Abraham usw.). Und er ist von ihm geradezu begeistert. Remini glaubt nicht an die Wiederherstellung des Evangeliums, aber schätzt Joseph Smith gerade wegen seiner Menschlichkeit und seiner Fehler, aber auch wegen seiner Begeisterungsfähigkeit, seiner Courage und seiner Errungenschaften. Für ihn war Joseph Smith natürlich kein Betrüger, sondern ein Visionär und ein Weltverbesserer mit Ecken und Kanten. Er sagt über ihn:

„Mormons don’t do Joseph Smith the justice that he deserves. He gave them their Bible. But what do we see on the top of every temple? Moroni. Mormons honor their pioneers, but there is no celebration of Josephs’ birth or death.”

Mich hat die Begeisterung Reminis angesteckt und ich finde es wirklich sehr schade, dass die Auseinandersetzung mit dem Mormonismus in diesem Forum oder bei exmormon.org offenbar stets nur unter einer Käseglocke stattfindet. Du hast ewig viele Ordner über die HLT-Kirche gehortet und Dich jahrelang kritisch mit Deiner ehemaligen Religion auseinandergesetzt, aber musst bei Wikipedia nachschauen, um etwas über Jan Shipps zu erfahren? Du unterliegst trotz Deiner guten Informiertheit dem Eindruck, dass es kaum „neutrale“ Experten zum Mormonismus gibt? Wie kann man diese Welt nur ignorieren? Sappho liest „Tempelkult und Totentaufe“, aber hat von dem Klassiker „The Mormon Culture of Salvation“ vermutlich noch nicht einmal was gehört. Leute in diesem Forum zitieren die Tanners, aber ignorieren dabei im Grunde komplett die Welt der wissenschaftlichen „Mormon Studies“. Besonders wenig Verständnis habe ich für Menschen, die in ihren Äußerungen eine gewisse Überlegenheit artikulieren, weil sie ja so viel im Internet oder bei den Tanners über den Mormonismus gelesen und deswegen „die Wahrheit“ erkannt haben. Sie glauben, die Pariser Gastronomie durch und durch zu kennen, waren dort aber immer nur bei McDonald’s. Auch wenn ich mich darüber gewundert habe, dass Du Shipps offenbar nicht kennst, trifft diese Beschreibung nicht auf Dich zu. Du wirkst auf mich angenehm differenziert und teilweise auch bescheiden.

> Mich würde es nur mal freuen, wenn du zumindest nach der ganzen Fragerei dann auch mal was davon liest und uns dazu etwas mitteilst.

Das mach ich. „ Early Mormonism and the Magic World View “ von Michael Quinn steht in meinem Bücherregal. Ich nehme mir das Ding nochmal vor und kommentiere es dann an dieser Stelle.

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