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Verfasser: Sappho
Datum: Sonntag, den 25. April 2010, um 15:00 Uhr
Betrifft: Mormonen in Nazideutschland - eine Betrachtung

Aus meinem Artikel:

Die Weimarer Republik, welche nach dem Ersten Weltkrieg mit Hilfe der Siegermächte aufgebaut wurde, war di einzigste Demokratie, die Deutschland bis dato hatte. Das Recht zu wählen, erlaubte es auch kleinen Parteien, ins Parlament zu kommen, was s für eine Regierung unmöglich machte, zu regieren und Bündnisse zu bilden. 
Die Schlägertrupps der Nazis und Kommunisten lieferten sich Straßenkämpfe. Dann, am 31. Januar 1933, als das neue Parlament gewählt war, geschah etwas, was niemand erwartet hatte: Die NSDAP wurde die stärkste Partei, und erhielt die absolute Mehrheit.
Sofort sandten Kirchen und Institutionen Briefe an Hitler, in denen sie ihm ihre Glückwünsche und Ergebenheit aussprachen. Nicht nur katholische Bischöfe und Kardinäle, ebenso Protestanten,  mit Ausnahme der „Bekennenden Kirche“ des Pastor Niemöllers, schrieben solche Briefe und Telegramme. Ebenso viele Sekten, wie beispielsweise die Zeugen Jehovas, die auf einem in Berlin-Wilmersdorf stattfindenden Kongress eine Resolution an Hitler im Sommer 1933 verabschiedeten, indem sie unter anderem schrieben, dass sie von „Geschäftsjuden“ und „Katholiken“ würden, und die selben moralischen Werte wie die Nazis haben würden.
Und die Mormonen?
Die waren meist vollkommen über Hitler begeistert. Viele Mormonen sahen Hitler als Wegbereiter Christi (das bei einem Judenhasser anzunehmen, mutet seltsam an), als Vorbereiter des Milleniums (des 2.Kommen Christi), der „Vereinigten Ordnung“ (eine kommunistisch anmutende Gesellschaftsordnung, wo alles allen gehört), so das viele Mormonen in die Nazipartei eintraten, und manche ebenso in die SS.
In einem Artikel, der in der liberalen Mormonenzeitschrift  Sunstone erschien, schrieben Alan F. Keele und Douglas F. Tobler darüber:

"Hitler enjoyed at least as much popularity among German Saints as he did among the population in general. His apparent dynamism and self-confidence seemed to show a way out of the chaos and weakness of the Weimar years. Moreover, as ‘good Germans,’ the Mormons were acutely aware that Hitler had risen to power through legal channels... Some Church members even saw Hitler as God’s instrument, preparing the world for the millennium. Superficial parallels were drawn between the Church and the Nazi party with its emphasis on active involvement by every member... The vital importance of ‘Aryan’ ancestry gave new significance to genealogical research. And the Fuhrer himself, the non-smoking, non-drinking vegetarian who yielded to no one in his desire for absolute law and order, seemed to embody many of the most basic LDS virtues."
Quelle: Alan F. Keele and Douglas F. Tobler, “The Fuhrer’s New Clothes: Helmuth Huebner and the Mormons in the Third Reich,” Sunstone, v. 5, no. 6, pp. 20-29, found at: http://www.ils.unc.edu/~unsworth/mormon/nazi.html

Hier mein Versuch einer Ãœbersetzung:

"Hitler genoss mindestens soviel Beliebtheit unter deutschen Mormonen, wie er unter der Bevölkerung im Allgemeinen. Sein offenbarer Dynamismus und Selbstbewusstsein schienen einen Weg aus der Verwirrung und Schwäche der Weimarer Jahre zu zeigen. Außerdem, als ’gute Deutsche,’ waren die Mormonen sich bewusst, dass Hitler legal an die Macht gekommen war... Einige Kirchenmitglieder sahen sogar Hitler als das Instrument  Gottes, die Welt für das Millennium vorzubereiten.  Äußerliche Parallelen wurden zwischen der Kirche und der Nazipartei mit seiner Betonung auf der aktiven Beteiligung von jedem Mitglied gezogen... Die Lebenswichtigkeit der arischen Herkunft gab neue Bedeutung der genealogischen Forschung. Und der Fuhrer selbst, der nichttrinkende und nichtrauchende Vegetarier, der unnachgiebig in seinem Wunsch nach dem absoluten Recht und Ordnung war, schien viele der grundlegendsten LDS Vorstellungen zu verkörpern."

Die folgende Aussage stammt von Max Zimmer, einem Mormonen, dessen Aussage in der Deseret News, einer mormonischen Zeitschrift, in deren Ausgabe vom 24. November 1945, also Monate nach Ende des Krieges, erschien:

“Paul Kayser proved to be a true father of the Saints in Alsace. In the first two years of the German occupation he had a difficult time as the branch president in Strassburg, because many of the presiding brethren were 100% Nazis who tried, during their visits to the branch, to preach National Socialism instead of the Gospel of Jesus Christ. The Saints were admonished, both at home and in church meetings, to pray for the Fuhrer, and to consider him called of God. They said Hitler would prepare the world for the United Order.
These brethren must have said some very stupid things, and the members did not always know what the Church´s actual stand was. Many had the impression, that we as a Church were in favor of National Socialism. They tried to reconcile the Nazi salute with the teachings of the Church, and to prove that the Nazi Party was organized according to the way the Church was organized. They said that the Fuhrer was like the president of the Church, and we should obey him. The SS was compared with the Melchisedek priesthood, and the SA (brownshirts) with the Aaronic priesthood. The Gau leaders were compared with stake presidents, district and neighborhood leaders with home teachers, etc. It was good that Brother Kayser was there. He did not let himself get converted to National Socialism, but rather held to the iron rod and finally was able to get the brethren to leave him alone and let him lead his branch in the right way.”
Quelle: http://forum.newordermormon.org/viewtopic.php?p=187&sid=92b83b81d095b0d0de...

Hier mein Ãœbersetzungsversuch:

"Paul Kayser erwies sich, ein wahrer Vater der Heiligen (Selbstbezeichnung der Mormonen) in Elsass zu sein. In den ersten zwei Jahren der deutschen Besatzung hatte er als der Zweigpräsident in Strassburg harte Zeiten, weil viele der präsidierenden Brüder 100%ige Nazis waren, die während ihrer Besuche im Zweigen der Kirche versuchten, Nationalsozialismus statt des Evangeliums von Jesus Christus zu predigen. Die Heiligen wurden ermahnt sowohl zuhause als auch in Kirchenversammlungen für den Fuhrer zu beten, und ihn als Gesandten Gottes zu betrachten. Sie sagten, dass Hitler die Welt auf die Vereinigte Ordnung vorbereiten würde.
Diese Brüder müssen einige sehr dumme Dinge gesagt haben, und die Mitglieder wussten nicht immer, wie der wirkliche Standpunkt der Kirche war. Viele hatten den Eindruck, dass wir als eine Kirche für den Nationalsozialismus waren. Sie versuchten, den nazistischen Gruß mit den Lehren der Kirche zu verbinden, und zu beweisen, dass die nazistische Partei genauso organisiert wurde, wie die Kirche organisiert wurde. Sie sagten, dass der Fuhrer dem Präsidenten der Kirche ähnlich war, und wir ihm folgen/gehorchen sollten. Der SS wurde mit dem melchizedekischen Priestertum (ein Priestertum der Mormonen), und die SA (Braunhemden) mit dem aaronischen Priestertum verglichen und gleichgestellt. Die Gauleiter wurden mit Pfahlpräsidenten gleichgesetzt, und die Blockwarte mit Heimlehrern usw. Es war gut, dass Bruder Kayser dort war. Er ließ sich nicht werden zum Nationalsozialismus bekehren, aber hielt eher an der eisernen Stange fest, und war schließlich im Stande, die Brüder zu veranlassen, ihn allein zu lassen und ihn seinen Zweig auf die richtige Weise führen zu lassen."

Schnell passten sich die Mormonen den neuen Machthabern und deren Regeln an. Im Gegensatz zu vielen anderen Kirchen und Sekten, wie z.B. die Zeugen Jehovas, die schnell die Macht der neuen Regierung zu spüren bekamen, lebten die Mormonen in relativer Ruhe. Als einer der letzten Organisationen, die von der NSDAP verboten wurden, gehörte die Pfadfinderorganisation der Mormonen im Frühling 1934 dazu, wie Jörg Dittberner, damals ein Mormone, in seinem Dissertationskonzept in der liberalen deutschsprachigen Mormonenzeitschrift Betrachtungen vom Winter 1998/99 (S. 37) schrieb. Missionare konnten, wie ihre Missionspräsidenten, ungehindert reisen, und viele äußerten sich in Publikationen und privaten Briefen in die Heimat, mehr als positiv über die NSDAP und Hitler.
Wie Gerüchte von Mitgliedern aussagten, soll das Reichssicherheitshauptamt (Leiter war Adolf Eichmann), in mindest zwei Fällen die Mormonenkirche vor den Angriffen einiger Geistlicher beschützt haben, so auch Jörg Dittberner in seinem Artikel (S.37). Diese gleich lautenden Gerüchte stammen von einfachen Mitgliedern, die überrascht über die privilegierte Position der Mormonenkirche waren. Auch ein Senator Thomas aus den USA schien darüber sehr erstaunt zu sein, wie Jörg Dittberner in seinem Dissertationskonzept (S.37) berichtete.
In der Tat wollt niemand glauben, dass die NSDAP immer so mit den Mormonen umgegangen wäre. Zeitweise und lokal beschränkt, erlebten auch Mormonen und ihre Gemeinden  repressive Maßnahmen, unter denen sie litten. Jedoch waren sie eher selten und lokal begrenzt.
Einige Mormonen, die in Hitlerdeutschland gelebt hatten, erzählten mir, als ich noch aktives Mitglied war, also vor meiner Exkommunikation 1992, dass der Gedanke des „Eintopfsonntags“ ursprünglich von Mormonen gekommen wäre, und von den Nazis aufgegriffen wurde (als abgemilderte Form des Fastens am Fastsonntag); und auch, dass es eine Kooperation zwischen der genealogischen Abteilung der Mormonen und den Nazis gab, um deren Genealogieprogramm aufzubauen. Aussagen, die ich durch andere Dokumente weder bestätigen noch verneinen kann.

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