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Beitrag 46 von 97 Beiträgen.
Seite erstellt am 20.4.24 um 6:23 Uhr
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Verfasser: abendrot
Datum: Mittwoch, den 24. Februar 2010, um 12:23 Uhr
Betrifft: Meine Gründe

Hallo Gipfelstürmer,

> Ich habe dazu einen spannenden Artikel von Richard Sosis gelesen: Wer regelmäßig den Gottesdienst besucht, hat eine geringere Sterbewahrscheinlichkeit als jemand, der nie zur Kirche geht. Schaut man sich genauer an, was eine Religion in diesem Sinne erfolgreich macht, so sind es nach Sosis gemeinsame Werte und die Pflicht zum Befolgen bestimmter Gebote. Eine Gemeinschaft, die lediglich einen lockeren sozialen Bezugsrahmen anbietet, hat kaum eine gesundheitsförderliche Wirkung.

Oh, also eine gesundheitsförderliche Wirkung würde ich der Kirche nun nicht gerade zusprechen wollen: der Druck, den sich die Mitglieder machen (müssen) bzw. gemacht bekommen, sei es durch den Zeitaufwand, den das Kirchenleben mit sich bringt oder die Erwartungen, die die Kirchenlehre an sie stellt, kann wohl kaum als gesundheitsförderlich bezeichnet werden. Ich fühle mich jedenfalls ohne diesen Druck weitaus wohler als zuvor.

Auch gerade das Wort der Weisheit ist mindestens in Teilen offensichtlich nicht gesundheitsförderlich, wenn durch sein Befolgen dafür gesorgt wird, dass man sich die gesundheitsförderliche Wirkung von Tee und Kaffee und in Maßen auch Alkohol und Tabak (ja, Tabak, und zwar nicht nur für Quetschungen...) vorenthält.

Die von mir so genannte "Gemeinschaft der Nichtreligiösen", die natürlich keine wirkliche Gemeinschaft darstellt, sondern schlicht den Rest all derer, die eben nicht konfessionell gebunden sind, hat in der Tat noch nicht einmal "einen lockeren sozialen Bezugsrahmen" oder gar "gemeinsame Werte und die Pflicht zum Befolgen bestimmter Gebote". Aber gerade der dadurch erst mögliche Individualismus, also die Möglichkeit, sein Leben freier gestalten und nach seinen eigenen anstatt fremden Wertmaßstäben handeln zu können, sorgt für eine höhere Lebensqualität und die Möglichkeit, sich eigenständig zu entwickeln. Gläubige aller Richtungen sitzen meinem Eindruck nach dem Irrtum auf zu meinen, sie wäre alleine nicht dazu in der Lage, ihrem Leben Sinn und Richtung zu geben und müssten erst von einer höheren Macht gesagt bekommen, wie ihr Leben zu führen ist.

> Verüben atheistische Menschen weniger Straftaten als religiöse?

Immerhin verüben sie keine religiös motivierten Straftaten... diese kann man ja leider getrost zu den grausamsten und exzessivsten Straftaten zählen...

Wie schon in meinem ersten Beitrag zu diesem Thema gesagt bedeutet meiner Ansicht nach nichtreligiös nicht automatisch atheistisch. Außerdem ist das allgemeine Gottesverständnis durch die großen Religionen weitgehend so geprägt, dass anscheinend immer davon ausgegangen wird, dass ein Gott ganz selbstverständlich Religionen gründen lässt, um den Menschen so in ihr Leben hineinzuregieren und dass dies dann Ausdruck von Gottes Existenz ist bzw. ihr Fehlen das Gegenteil bedeuten würde.

> Zetteln sie weniger Kriege an? Tun sie mehr für das Gemeinwohl? Engagieren sie sich mehr für soziale Zwecke? Sind sie eher bereit, den Erdbebenopfern von Haiti zu helfen? Leben sie länger? Werden sie seltener krank? Wer ist mit größerer Wahrscheinlichkeit glücklicher – der berufliche erfolgreiche und alleinstehende Yuppie, für den Gott ein dummes Märchen ist, oder die kinderreiche Rentnerin mit einer schweren Zuckerkrankheit, die jeden Sonntag in die Kirche geht und sich an der Essenausgabe für Obdachlose engagiert? Auf alle diese Fragen gibt es Antworten. Aber sie sprechen eindeutig nicht für die Atheisten.

Die Antworten auf diese Fragen fallen wohl kaum so eindeutig aus, wie Du meinst. Das ist mehr Wunschdenken als dass es eindeutig nachweisbar sein könnte, weil eine solche Untersuchung wegen der vielen Faktoren, die zum Verhalten eines Menschen beitragen, schlicht zu komplex sein dürfte, als dass sie durchführbar wäre.

> Man braucht keine Kirche, um ein moralisch tadelloses Leben zu führen, lange zu leben und glücklich zu sein. Genauso wenig wie man vielleicht auch ohne Sport und eine ausgewogene Ernährung gesund bleiben kann. Die Wahrscheinlichkeit, dass es klappt, ist jedoch recht klein.

Was die Gesundheit betrifft, magst Du wohl recht haben, aber die Kombination Moral und Kirche ist da weitaus heikler, gerade auch bei den Mormonen, nicht etwa nur bei den älteren christlichen Kirchen bzw. sonstigen Religionen... sie sind in ihrer Geschichte allesamt mit ihren mehr als fragwürdigen moralischen Vorstellungen negativ aufgefallen und die Welt wäre ohne sie und ihre Eroberungsfeldzüge und sonstige Unterjochung Andersdenkender besser dran gewesen. Ihren Opfern war gerade ihretwegen oft kein langes Leben und sicher kein glückliches beschieden...

> > Aber wer glauben will, der wird auch glauben und sich nicht von Tatsachen abhalten lassen.
> Welche Tatsachen lassen sich denn anführen, die gegen Religionen sprechen? Inwiefern geht es konfessionell gebundenen Menschen im Allgemeinen nachweislich schlechter als konfessionslosen? Welche Tatsachen meinst Du?

Damit meine ich all das, was es einem vernünftig denkenden Menschen unmöglich machen sollte, an einer Religion weiterhin festzuhalten, wenn es einen Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit dieser Religion gibt. Bei den Mormonen gibt es dafür viele Beispiele, die hier im Forum ja regelmäßig erörtert werden, seien es die die Abweichungen zwischen offizieller und tatsächlicher Kirchengeschichte oder unhaltbare Aspekte der Kirchenlehre, seien es die Zumutungen, die das Kirchenleben für nichtheterosexuelle Mitglieder, für nonkonformistische Jugendliche bereithält oder etwa früher für Schwarze bereitgehalten hat und die mit dem Anspruch der Kirche schlicht nicht in Einklang zu bringen sind, dass ein Gott, der all seine Kinder gleichermaßen liebt, die Mormonenkirche als einzige Kirche auf Erden als seine anerkennt  und direkt führt und Abirrungen der Kirche gar nicht erst zulassen würde.

Damit meine ich, dass Menschen bereit sind, an einer Religion festzuhalten, obwohl sie deren schädliche Auswirkungen sehen können, die Religion aber nicht aufgeben wollen, weil sie schon zuviel Zeit und Energie dort hineingesteckt haben, als dass sie in der Lage wären, sich einzugestehen, dass es die Sache gar nicht wert war, weil sie getäuscht wurden und sie eben nicht wirklich in "Gottes einzig wahrer Kirche" tätig waren. Stattdessen wird dann eben relativiert und lieber geschaut, ob man nicht immerhin noch besser dran ist als die Gläubigen in anderen Religionen. Es ist sicher nicht für jeden leicht, auf eine solche Kosten-Nutzen-Rechnung zu verzichten und sich einen großen Fehler einzugestehen und aus Prinzip einem falschen Glauben den Rücken zu kehren, aber meiner Erfahrung nach ist es das wert.

Ich hoffe, ich konnte meinen Standpunkt etwas erhellen.

abendrot

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