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zum Thema Die heiße Olympia-Phase hat begonnen
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Verfasser: Gunar
Datum: Freitag, den 18. Januar 2002, um 1:57 Uhr
Betrifft: Reportage: Die olympische Festung

Hamburger Abendblatt
17.1.2002

DIE OLYMPIASTADT
Die olympische Festung
Salt Lake City hat sich verschanzt. Der 11. September verändert auch die Winterspiele.

Von Cornel Faltin

Salt Lake City - Drei Meter hohe Stacheldrahtzäune mit Bewegungsmeldern, Metalldetektoren an jedem Eingang, FBI-Agenten, Soldaten, AWACS-Radarflugzeuge und Kampfflugzeuge, die den Luftraum rund um die Uhr kontrollieren. Willkommen bei den 19. Olympischen Winterspielen im amerikanischen Salt Lake City.

Schon lange, bevor am 8. Februar die größte Sportveranstaltung der Welt feierlich eröffnet wird und sich rund 2500 Athleten aus 80 Ländern 17 Tage lang um Gold, Silber und Bronze streiten werden, kann die Mormonen-Hauptstadt in der großen Salzwüste mit einem Superlativ aufwarten. "Wir werden die sichersten Olympischen Spiele austragen, die es jemals auf dem Erdball gegeben hat", erklärt Tom Ridge, Amerikas Minister für Heimatsicherheit.

Mitt Romney, der Präsident des Organisationskomitees relativiert jedoch, dass dies nicht bedeutet, dass sich die rund 80 000 Olympia-Besucher aus aller Welt in Salt Lake City wie in einem Gefängnis fühlen werden. Doch statistisch gesehen stehen vier Sicherheitsleute hinter jedem Athleten. 310 Millionen Dollar (340 Mio. Euro) lassen sich Washington und Utah die Sicherheit kosten. Nach den Anschlägen des 11. September wurde der Etat noch einmal um 15 Prozent aufgestockt.

"Sagen Sie den Leuten, dass sie bei uns so sicher sind wie in Abrahams Schoß, aber verschrecken Sie sie nicht mit dem ganzen Gerede über Sicherheit", bittet Salt Lake Citys Bürgermeister Ross C. Anderson. Das Stadtoberhaupt will alles daran setzen, das Image der Wüsten-Metropole zu korrigieren. In den USA und - wo man es kennt - auch im Rest der Welt steht Salt Lake City für Mormonen und damit für Polygamie, keinen Alkohol, Rauchverbot und wenige Sehenswürdigkeiten.

Wie so oft bei Klischees verbirgt sich dahinter ein bisschen Wahrheit und viel Unsinn. Die Olympiastadt mit ihren 181 000 Einwohnern ist die Kapitale des US-Bundesstaates Utah, der 1847 von der Religionsgemeinschaft der Mormonen gegründet wurde. Noch heute sind über 70 Prozent der Bewohner Utahs Mitglieder dieser uramerikanischen Religion.

Während die mormonische Kirche in manchen Ländern als Sekte eingestuft ist, wird sie in den USA, nicht ohne Stolz, als wichtigste eigene Religionsgemeinschaft gewertet. Sie verfügt weltweit inzwischen über 11 Millionen Mitglieder. Die Zeiten, wo Mormonen offiziell mehrere Ehefrauen haben durften, sind übrigens lange vorbei. Monogamie war 1896 eine der Aufnahmebedingungen des Staates in die amerikanische Union.

In den USA stehen Mormonen für hartes Arbeiten, brillanten Geschäftssinn und eine hohe Moral, die weder Alkohol noch Rauchen oder Drogen erlaubt. Die Schulen und Universitäten der Mormonen gehören zu den besten im ganzen Lande, und nirgendwo in den USA sind Arbeitslosen- und Kriminalitätsraten so niedrig wie in Utah.

Wenngleich Bürgermeister Ross C. Anderson, selbst kein Mormone, zugibt, dass sie fast überall in Utah an den Hebeln der Macht sitzen und auch in Salt Lake City nichts gegen ihren Willen läuft, will er nichts davon wissen, dass die Spiele zur "M-Olympiade" - M wie Mormonen - verkommen.

Nichts scheint den Stadtvätern wichtiger zu sein, als jede Art von Skandal zu vermeiden. Die Freude über die Vergabe der Spiele an die Stadt am Ufer des Großen Salzsees wurde Ende 1998 schwer getrübt, als sich herausstellte, dass finanzkräftige Mormonen Mitgliedern des Internationalen Olympischen Komitees mit Millionenbeträgen, teuren Geschenken und Sex ihre Entscheidung zu Gunsten Salt Lake Citys "erleichtert" hatten.

Vom Skandal wollen Anderson und auch Mitt Romney, die damals beide noch nicht in Amt und Würden waren, nichts mehr hören. Sie möchten der Welt zeigen, dass Salt Lake City keineswegs eine freudlose Wüstenstadt, sondern eine "fun-city" - Spaß-Stadt - ist.

Während Touristen vor einigen Jahren vom Empfangschef der Hotels gegen ein ordentliches Trinkgeld verstohlen Zettel mit einer Alkohol-Adresse bekamen, gibt es heute in vielen Restaurants so genanntes "weak beer" (schwaches Bier) mit bis zu 3,2 Prozent Alkohol. Stärkere Getränke und Wein bekommt man dagegen nur in "Social Clubs". Mit zehn Dollar erwirbt man eine zweiwöchige Mitgliedschaft für bis zu sechs Personen und kann dann nach Herzenslust "richtiges" Bier, Wein und harte Sachen trinken.

Salt Lake City ist zugegebenermaßen kein architektonisches Wunderland, und auch kulturell wird der Besucher nicht gerade überfordert. Was Salt Lake City einzigartig macht, ist die Tatsache, dass man innerhalb einer Stunde von hier aus 14 Weltklasse-Skigebiete erreichen kann.

Wie wichtig den Leuten in Utah der Wintersport und der Schnee sind, ist auf jedem Auto-Kennzeichen zu sehen, wo man mit dem Slogan "Greatest snow on earth" (Bester Schnee der Welt) wirbt. Sicherlich keine Lüge, denn nirgendwo sonst gibt es, da sind sich Sportler, Meteorologen und Physiker einig, so trockenen, leichten Pulverschnee.

Und so warten die Menschen in der Mormonen-Metropole voller Spannung auf den Beginn der Spiele. Denn im Gegensatz zu den Vorvätern, die vor 155 Jahren mit ihren Jüngern in die unwirtliche Region am Fuße der mächtigen Wasatch-Berge flüchteten, um vom Rest der Welt in Ruhe gelassen zu werden, freuen sich die Bürger jetzt darauf, die Welt in Salt Lake City willkommen zu heißen.
   
http://hamburger-abendblatt.de/contents/ha/news/reportage/html/170102/0317SALT0.HTM
http://hamburger-abendblatt.de/contents/ha/news/reportage/html/170102/grafik.htm

Die Stadt der Mormonen

Salt Lake City und der US-Bundesstaat Utah wäre ohne den Religionsgründer Joseph Smith und den Missionar Brigham Young undenkbar. Die Religion der Mormonen beruht zwar streng auf der Bibel, doch Smith fügte ihr in dem Kapitel Mormon noch einige Abschnitte hinzu, die ausschließlich in den USA spielen. Smith, der bei der Verbreitung seiner Religion augesprochen erfolgreich war, wurde 1844 von einem Anti-Mormonen-Mob ermordet.

Sein Werk setzte Brigham Young fort, seit 1823 engster Gefolgsmann von Smith. Brigham Young führte die starken Verfolgungen ausgesetzten Mormonen in einer Art Exodus an den großen Salzsee und gründete dort Salt Lake City. Young, der 20 Frauen heiratete, wurde Oberhaupt der Kirche und starb 1877. Die Universität in Salt Lake City trägt heute noch seinen Namen. (il)

http://hamburger-abendblatt.de/contents/ha/news/reportage/html/170102/0317INF12.HTM

Erkaufte Spiele

Fast wäre die Austragung der Spiele in Salt Lake City noch geplatzt, denn heute steht fest, dass für die Vergabe der Winterwettbewerbe beachtliche Summen an Bestechungsgeldern gezahlt worden sind. Eine amerikanische Untersuchungskommission stellte fest, dass von Salt Lake City rund 1,2 Millionen Dollar für Mitglieder des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) ausgegeben wurden.

Dazu zählten Stipendien für afrikanische IOC-Mitglieder wie Professor Rene Assomba aus Kamerun. Jean Claude Ganga aus dem Kongo wurde von einem Mitglied des Bewerbungskomitees ein Grundstück an der olympischen Abfahrtsstrecke angeboten. Ganga kaufte die Parzelle und verkaufte sie mit 60 000 Dollar Gewinn. Als Folge des Skandals schloss das IOC 1999 zehn Mitglieder aus. (il)

http://hamburger-abendblatt.de/contents/ha/news/reportage/html/170102/0317INF23.HTM

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