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Verfasser: Gipfelstürmer
Datum: Donnerstag, den 17. September 2009, um 16:30 Uhr
Betrifft: Der Gang auf dünnem Eis

Liebe Sappho,

vielen Dank, dass Du Dir so viel Mühe gegeben hast, um mir zu antworten. Ich betrachte Dich als aufrichtige Diskussionspartnerin, die mit ihrem Anliegen für Gleichberechtigung eine Botschaft zu verkünden hat, die auch und gerade in meiner Glaubensgemeinschaft mehr als bisher beherzigt werden sollte.

Deine Behauptungen im Hinblick auf die Stellung der HLT-Kirche im 3. Reich haben auf mich etwas befremdlich gewirkt. Sie passen natürlich wunderbar ins Bild einer totalitär geführten Sekte, in der kein Platz für freies Denken bleibt. Die Frage ist nur, ob die Aussagen auch tatsächlich stimmen. Durch die Offenlegung Deiner Quellen ist meine Skepsis nicht gewichen – im Gegenteil. Ein nicht erfolgreich umgesetztes Konzept für eine Dissertation ohne jegliche Literaturhinweise wirkt auf mich zunächst einmal wenig vertrauenserweckend. Einige der nicht belegten Behauptungen kann ich anderweitig überprüfen, andere nicht. J. Dittberner hat beispielsweise in den Raum gestellt, dass die Pfadfinderorganisation der HLT-Kirche die allerletzte Nichtnaziorganisation war, die aufgelöst wurde. Diese Angabe lässt sich leicht kontrollieren. Und siehe da, die Behauptung erweist sich als haltlos. Einige vergleichbare Verbände (wie der Bund Katholischer Pfadfinderinnen) wurden nachweislich erst später verboten. Und die Zwangsauflösung sehr vieler „Nichtnaziorganisationen“ aus ganz vielen anderen Lebensbereichen (z.B. der Neutemplerorden, die Montessori-Vereinigung, der Weltbund der Illuminaten, alle sorbischen Vereinigungen, der Orion-Bund, die Bahai-Vereinigung, fast alle lebensreformerischen Organisationen, die anthroposophische Gesellschaft, viele Schüler- und Studentenverbindungen, …) erfolgte ebenfalls später. Abgesehen davon können z.B. die katholische oder evangelische Kirche sicher nicht als von Nazis ins Leben gerufene Institutionen bezeichnet werden. Diese „Nichtnaziorganisationen“ wurden jedoch überhaupt nicht verboten.

Die Frage lautet nun für mich: Wie viel Vertrauen kann ich in Behauptungen aus einem nicht erfolgreich umgesetzten Dissertationskonzept ohne Quellenangaben setzen, wenn sich überprüfbare Aussagen als falsch erweisen und andere Statements nicht nachvollziehbar sind? Warum sollte ich J. Dittberner vertrauen, wenn er z.B. ausführt, dass die HLT-Kirche unter dem Schutz des Reichssicherheitshauptamtes stand, obwohl sich in den mir zur Verfügung stehenden Quellen nicht der kleinste Anhaltspunkt für die Glaubhaftigkeit einer solch kühnen Behauptung findet? Mir fällt kein überzeugender Grund ein. Hierzu hattest Du übrigens geschrieben: „Die Mormonen standen unter dem persönlichen Schutz des Reichssicherheitshauptamtes (Leiter war ein gewisser Heinrich Himmler)“. Danach hattest Du allerdings bestritten, dass Himmler selbst seine schützende Hand über die HLT-Kirche legte, sondern dass sich die Bemerkung lediglich auf das Reichssicherheitshauptamt bezog. Man kann allerdings überhaupt nicht unter dem persönlichen Schutz einer Organisation stehen. Denn ein Amt ist keine Persönlichkeit – Heinricht Himmler war es hingegen schon.

Wie dem auch sei, ich möchte nicht kleinkariert wirken. Ich bin nur einfach sehr skeptisch gegenüber einfachen Schwarz-Weiß-Malereinen. In meiner Religionsgemeinschaft gibt es sowohl viel Licht als auch viel Schatten. Ich mag es nicht, wenn meine Glaubensgeschwister jedes „geistig aufbauende“ Gerücht für bare Münze nehmen, so lange es ins eigene Weltbild passt. Umgekehrt ärgere ich mich auch darüber, wenn kirchenkritisch eingestellte Menschen v.a. solchen Behauptungen vorschnell Glauben schenken, die Mormonen besonders ungünstig dastehen lassen. Das Motto „solange die HLT-Kirche dabei schlecht wegkommt, glaube ich jedem Forumsbeitrag, jeder Internetseite und jedem Gerücht“, behagt mir nicht. Damit möchte ich nicht unbedingt Dich ansprechen. Andere Forumsteilnehmer sind in dieser Hinsicht meinem Eindruck nach viel, viel unkritischer. Wie gesagt schätze ich Dich und Dein Anliegen wirklich (das meine ich wirklich ohne jeden Zynismus). Oft sind Deine Argumente seriös belegbar. Der Verweis auf das Konzept von J. Dittberner hat mich diesmal allerdings nicht überzeugt. Seine Ausführungen scheinen keine solide Basis zu sein. Offenbar handelt es sich hierbei eher um dünnes Eis, auf dem ich nicht laufen möchte.

Viele Grüße

Gipfelstürmer

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