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Seite erstellt am 25.4.24 um 1:06 Uhr
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Verfasser: Gipfelstürmer
Datum: Freitag, den 22. Mai 2009, um 10:53 Uhr
Betrifft: Wie gehst Du denn mit Widersprüchen um?

Lieber Waldläufer,

vielen Dank für Deine netten Zeilen.

> Ich hätte große Lust mit Dir noch weiter zu diskutieren! Du umgekehrt auch?
> Oder sollen wir "Adieu" sagen? (Ich hätte noch viel zu sagen und zu fragen!)

Ja, ich diskutiere gerne weiter mit Dir. Religiöse Überzeugungen sind eine recht emotionale Angelegenheit und es ist oft nicht leicht, dabei sachlich zu bleiben. Du kriegst das aber sehr gut hin und das finde ich toll. Ich denke, uns ist beiden klar, dass wir einander nicht „bekehren“ können. Aber so wie bei Dir eröffnet eine Diskussion über verschiedene Glaubensthemen auch bei mir neue Perspektiven.

> Mein Ziel, etwas darüber zu erfahren, wie HLT-Gläubige mit den vielen Widersprüchen zum NT umgehen, habe ich erreicht. Im Nachhinein muss ich sagen, dass es wohl gereicht hätte, die entsprechenden Seiten mit psycho-sozialen Aspekten, z.B. "Dissonanz-Management" bei mormonismus-online usw. nochmals zu lesen.

Mich interessiert sehr, etwas mehr über Deine gewonnenen Erkenntnisse zu erfahren. Welches allgemeingültige Muster im Hinblick auf den Umgang von HLT-Mitgliedern mit Widersprüchen zwischen den eigenen Glaubensinhalten und dem Neuen Testament hast Du durch unsere Diskussionen denn identifiziert? Und inwiefern unterscheidet sich die Art des Dissonanz-Managements unter Mormonen Deiner Ansicht nach vom Dissonanz-Management unter evangelikalen Christen? Ich persönlich habe den Eindruck, dass die Form des Umgangs relativ ähnlich ist. Vor einiger Zeit hatte ich Dich gefragt, inwieweit Du u.a. mit einem Bestseller vertraut bist, der die Glaubwürdigkeit der Bibel ganz massiv anzweifelt. Du hattest mir Folgendes geantwortet: „… und Du hast auch Recht, dass ich all das von Dir Aufgezählte nicht gelesen habe. Ich werde es auch nicht lesen. Ich orientiere mich überwiegend an der Bibel, da habe ich genug gefunden, was ich ja teilweise auch schon angesprochen habe.“ Meinem Eindruck nach gehen viele Mormonen mit Umgereimtheiten ähnlich um wie Du. Deine Einstellung finde ich okay – ich verhalte mich sehr oft ganz genauso. Wie dem auch sei, mit Widersprüchen müsst Ihr evangelikalen Christen ja auch irgendwie klar kommen. Bei Euch besitzt die Bibel einen höheren Stellenwert als bei uns. Unser Bekenntnis zur Bibel, „soweit sie richtig übersetzt ist“, wirkt ja auf einen Großteil der christlichen Welt recht provokant. Aber durch den Status, den Ihr der Bibel beimesst, ergeben sich richtig viele historische und theologische Probleme. Wie gehst Du damit um? Ich könnte Dir eine ganze Reihe von Fragen stellen: War Jesus von Beruf Zimmermann? War er der „einzige Gott“? Sind Jesus, Gott Vater und der Heilige Geist im Sinne der Dreifaltigkeit ein und dasselbe Wesen? Hat Jesus der Ehebrecherin und dem Dieb am Kreuz die Sünden vergeben? War Jesus im Angesicht seines nahenden Todes verzweifelt? Wusste Jesus, wann das Ende der Welt bevorstand? Auf jede dieser z.T. sehr wesentlichen theologischen Fragen könntest Du mir vermutlich Antworten geben, die sich mit Bibelstellen belegen lassen. Allerdings wäre die Wahrscheinlichkeit enorm groß, dass die in diesem Kontext von Dir angeführten Passagen auf ganz extrem wackeligen Beinen stehen (um es einmal wohlwollend zu formulieren). Über die Zeit des frühen Christentums gibt es viele historisch verlässliche Dokumente. Die Widersprüche, mit denen die Christen im Hinblick auf ihre Lehre in den ersten Jahrhunderten von ihren Gegnern konfrontiert wurden, entstammten meist ihren eigenen Aufzeichnungen, die als die ersten Bibelmanuskripte gelten können. Der Antike Philosoph Celsus (er lebte im späten 2. Jahrhundert) schreibt hierzu: „These objections come from your own writings, and we need no other witnesses: for you provide your own refutation.” Als Konsequenz auf diese Kritik wurden die frühen Aufzeichnungen ständig geändert. Ceslus äußert sich zu diesem Aspekt wie folgt: „Some believers, as though from a drinking bout, go so far as to oppose themselves and alter the original text of the gospel three or four or several times over, and change its character to enable them to deny difficulties in the face of criticism.“ Ich denke, dass ich als Mormone und Du als evangelikaler Christ in gewisser Weise im selben Boot sitzen: Wir müssen beide mit Widersprüchen klar kommen. Wie gehst Du damit um, dass Dein heutiger Glaube auf der Bibel als Fundament beruht, obwohl dieses Buch heute im Hinblick auf ganz entscheidende Aspekten nicht dieselben Lehren enthält, die damals von Jesus verkündet wurden?

Hoffentlich wirken meine Fragen nicht zu provokant. Wie gesagt bin ich mir wohl bewusst, dass ich selbst im Glashaus sitze. Über eine Antwort würde ich mich jedenfalls sehr freuen.

Viele Grüße

Gipfelstürmer

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