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Beitrag 4 von 30
zum Thema hilfe gesucht
Seite erstellt am 20.4.24 um 16:28 Uhr
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Verfasser: James
Datum: Donnerstag, den 11. Oktober 2001, um 17:19 Uhr
Betrifft: Die Bestätigungstendenz

Elli schrieb u.a.:

>es ist schwer für mich zu glauben,daß jemand dieses buch einfach so geschrieben hat,was hat das für einen sinn?

Hallo Elli, gute Frage ... wobei Du gleich zu Beginn von einer Prämisse ausgehst, die bereits falsch sein könnte, daher zu einer falschen Fragestellung führt, ganz zu schweigen von der Antwort. Wer sagt, daß Joseph Smith "dieses buch" denn "einfach so geschrieben hat"?

Die Antwort auf Deine Frage, "was hat das für einen sinn?", ist denke ich, recht einfach zu beantworten. Menschen "schreiben" i.a.R. aus zwei Gründen "Bücher." Dies gilt durchaus auch für andere Lebensbereiche, wo Menschen etwas oder sich "produzieren":

a) um Geld zu verdienen

b) um Anerkennung zu erhalten

c) weil sie eine "Botschaft" vermitteln wollen.

Wenn Dich diese Frage, das Wie und der Sinn wirklich ernsthaft interessieren, Du für Dich selbst eine Antwort finden willst, basierend auf Deine eigenen Schlußfolgerungen (nicht auf vorgegebene, wo das Ergebnis von vorherein bereits besteht ... "wenn, dann ...", ja sogar Deine "rechte" Fühlweise vorweggenommen wird), dann kann ich nur empfehlen Dir diese beiden Werke zu Gemüte zu führen:

1) Inside the Mind of Joseph Smith. Psychobiography and the Book of Mormon, Robert D. Anderson, Salt Lake City, 1999

2) The Sword of Laban. Joseph Smith and the Dissociated Mind, William D. Morain, Washington, 1998

Wenn Du schon in dieser Weise diese Frage stellst, solltest Du als Vergleich den selben Maßstab auch auf andere "Bücher" (Werke etc.) anlegen:

- welchen Sinn machte das schreiben des Koran? Der Upanischaden, der Bhagavat Gita, das Awesta, der Weda, der Granth, das Tripitaka, die Wuching, ja sogar Tolkiens Herr der Ringe, Hitlers "Mein Kampf."

>ich hab meiner freundin auch mal von den persönlichen berichten erzählt,die hier beschrieben sind,ihr gesagt,daß es für alle ehemaligen mitglieder schlimm war zu erkennen , daß die kirche nicht wahr ist,das ein ganzes weltbild zusammen bricht.sie meinte, das sie auch einiges "schlechte" gelesen hat und es ihr dann nicht gut ging ,aber sie die dinge geprüft habe und zum entschluß kam ,daß sie falsch seien.

Interessant ist Deine Beschreibung schon, die vermeintliche Reihenfolge. Wobei die Frage natürlich ist, ob es wirklich so gemeint ist, und/oder abgelaufen ist:

Zuerst wir vom "schlechten" berichtet, es ging ihr nicht "gut", es ist die Rede von Prüfung und einem Entschluß. Das Ergebnis ist von vornherein "vorherbestimmt." Der reife und unabhängige Mensch liest, prüft und fällt dann seinen Entschluß, möglichst unabhängig von seinen Gefühlen. Kaum ein Mensch könnte z.B. einen Bericht des Naziterrors lesen (oder filmisch sehen, z.B. Schindlers Liste) ohne (!) dabei sich "schlecht" zu fühlen (stellenweise). Daraus zu schließen die Botschaft als solche wäre nun selbst "schlecht", oder nicht "gut" etc., ist schlicht absurd.

>als ich mit den missionaren die lektionen durchsprach ,hatte ich einmal so ein kribbeln und hab gedacht,dass ich alles falsch gemacht habe,ich war traurig ,aber zugleich glücklich zu hören,das wir alle eine chance bekommen .

Was sehr deutlich aufzeigt, meiner Meinung nach, daß die HLT Botschaft bei Dir auf fruchtbaren Boden gefallen ist. Auf Deinen (!) Boden, den richtigen "Nerv" getroffen hat, es bei Dir Trauer und Freude zugleich auslöst. Das sind machtvolle psychologische Abläufe die Menschen wie Knete werden lassen in den Händen anderer Menschen. In solche Situation ist jeder Mensch formbar, es bedarf einer Unmenge an Kraft und Integrität, sich nicht übertölpeln zu lassen. Sich der "Emotion" hinzugeben. Bemerkenswert ist Deine Bemerkung, "das wir alle eine chance bekommen. Wozu brauchst Du z.B. eine "Chance"? Kann es sein, daß Du auch hier die HLT in Dir einen bereiteten "Acker" vorfinden, einen Menschen, der in sich das Gefühl hat, warum auch immer, eine Chance bekommen zu müssen. Womöglich eine "zweite" Chance? Wieso dies psychische Prädisposition, die natürlich fast förmlich nach "Errettung" schreit?

Wie schon Thomas Huxley sagte:

"Man traue einem Augenzeugen in allen Dingen, bei denen weder sein Eigeninteresse, seine Leidenschaften, seine Vorurteile noch seine Liebe zum Wunderbaren eine besondere Rolle spielen. Sobald sie im Spiele sind, verlange man Beweise, die das Ganze in genau dem Maße erhärten, wie die bezeugte Sache der Wahrscheinlichkeiten widerspricht." (Thomas Henry Huxley, 1825-1895)

Oder von Francis Bacon auf den Punkt gebracht:

""Der menschliche Verstand ist kein trockenes Licht, sondern empfängt Einflüsse vom Willen und von den Gemütsbewegungen; von daher rühren Wissenschaften, die man >Wissenschaften, wie man sie gern hätte< nennen könnte. Denn was nach dem Willen eines Menschen wahr wäre, wir von ihm um so bereitwilliger geglaubt. Daher lehnt er schwierige Dinge ab, aus Ungeduld, sie zu erforschen; vernünftige Dinge, weil sie die Hoffnung beschränken; die tieferen Dinge der Natur aus Aberglauben; das Licht der Erfahrung aus Überheblichkeit und Stolz; Dinge, die man gemeinhin nicht glaubt, weil er sich der Meinung der Masse beugt. Kurzum: Auf zahllose Art und Weise und zuweilen unmerklich färben und beeinflussen die Gemütsbewegungen den Verstand." (Francis Bacon, Novum Organon (1620), in: Sagan, Carl, Der Drache in meiner Garage oder Die Kunst der Wissenschaft Unsinn zu entlarven, München, 2000, S. 246)

Anders gefragt: Wie kommt es, daß insgesamt gesehen, einige wenige Menschen Mormonen werden, die Masse der Menschheit jedoch davon völlig unberührt bleibt. Mal von vernebelnden Gründen abgesehen (die nichts anderes bewirken sollen, als ein sog. "schlechtes Gewissen") wie: sind von Satan beeinflußt, sind böse, weltlich etc.

H. J. Campbell hinterfragte dies m.E.n. nach meisterhaft:

"Religiöse Richtlinien des Handelns, Anweisungen, wie die besondere Form menschlichen Verhaltens aussehen muß, sind alle als Gewißheiten formuliert und den verschiedensten Offenbarungen entnommen - heiligen Schriften, Visionen und Wundern. Die Frage nach der Richtigkeit erhebt sich, im Gegensatz zur Wissenschaft, nicht, und es wird keine Bestätigung durch Beobachtung und Tatsachenvergleich verlangt. Vielleicht werden deshalb auf religiösem Gebiet so viele Meinungen vertreten ... die Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft (ist) fast hundertprozentig das Resultat einer Gehirnwäsche durch mächtige und suggestiv wirkende Persönlichkeiten, die bestimmte Aspekte der Verkündigung sorgfältig auswählen, um damit ihre Anweisungen zu stützen." (H. J. Campbell, Der Irrtum mit der Seele, München 1973, S. 246f.)

Campbell  begründet anschließend seine These der Gehirnwäsche, wenn er wie folgt schreibt:

"Es ist ja wohl tatsächlich so, daß die überwiegende Mehrzahl der Christen Kinder von Christen sind, und dasselbe gilt für die Anhänger anderer Religionen, für Juden. Moslems, Hindus, Buddhisten und sogar für die »Unterabteilungen« der Religionen, für Katholiken, Protestanten, Anglikaner, Mormonen, die Zeugen Jehovas, Baptisten und alle anderen. Es ist der unumstößliche Beweis dafür, daß fast alle Gläubigen die religiösen Ansichten übernommen haben, die ihnen ihre Eltern und die von ihren Eltern ausgewählten Priester beibrachten. Bei so vielen zur Auswahl stehenden Religionssystemen würde genau der entgegengesetzte Effekt zu erwarten sein, wenn sich jeder einzelne mit Hilfe seiner eigenen Vernunft für eine der Religionen entschiede. Die unaufhörlichen Wiederholungen der verkündeten »Wahrheiten«, die ständigen Behauptungen, der Glaube sei ein gerechtfertigter Ersatz für Wissen, die wiederholten Aufforderungen zur Buße und die Drohungen mit schrecklicher Vergeltung auf Erden oder nach dem Tode, die fortwährende Betonung der Feindseligkeit gegenüber anderen Glaubenssystemen: Das alles kennzeichnet den langsamen Prozeß der Einpflanzung von Glaubensmeinungen, die gewöhnlich als Gehirnwäsche bezeichnet wird." (Campbell, ebd., S. 247f.)

Übrigens, "so ein kribbeln", und das Denken etwas "falsch" gemacht zu haben ist eben nicht (!) spezifisch für Mormonen, sondern weit verbreitet. Auch gekoppelt mit der Freude, einer starken Emotion etwas "richtig" gemacht zu haben, oder etwas wohl "richtig" sei. Wer sich ernsthaft und unvoreingenommen mit anderen Menschen unterhält, z.B. religiösen Menschen, wird Gemeinsamkeiten finden: ein gutes Gefühl, oft eine "Erlebnis", eine Bekehrung etc. zur eigenen Religion. Ob man es nur Geist, Herz, warmes Gefühl, Wissen (was jedoch eine perverse Vergewaltigung des Begriffes "Wissen" darstellt), Kribbeln, ein erhebendes Gefühl etc. nennt ist unerheblich. Fakt ist, daß der Christ aller Schattierungen, Gruppierungen und Überzeugungen, der Muslime (inkl. dem fanatischen, und gerade der (!), Terroristen) der Hinde, Buddhist, sogar der Faschist, sein/ihr "Kribbeln" hat bzw. hatte. Sein/ihr "Erlebnis", welches oft prägend ist. Was es aufzeigt? Von mir aus auch beweißt? Lediglich, daß der Einzelne ein solches Gefühl hatte. Mehr nicht.

Ein kleiner (;-) ) Ausflug zum Thema "Kribbeln", Gefühle etc. und dem "Wissen" um "Wahrheit." Wenn es Dich wirklich interessiert, dann empfehle ich auch dringend die weiter unter aufgeführte Literatur zu diesem Thema:

Emotion und Kognition

Eine wichtige Frage die es zu untersuchen galt, ist die, ob Gefühle durch eine Erwartung beeinflusst oder sogar bestimmt werden können. Wir erinnern uns, Mormonen "sollen eine Entscheidung treffen" und anschließend "Gott fragen, ob die Entscheidung richtig ist." Stanley Schachter und Jerome Singer postulierten, dass ein Mensch, der einen Erregungszustand des autonomen Nervensystems erlebt, diese Emotion stets innerhalb des jeweiligen sozialen Kontextes interpretiert. Nach deren Theorie ist das subjektiv empfundene Gefühl das Ergebnis von vorhergegangen Erfahrungen (z.B. Erinnerungen) und Einschätzungen, neuen, ergänzenden und integrierten Informationen, dem gegenwärtigen, also aktuellen Umfeld, dem sozialen Kontext und schließlich der Erregung des autonomen Nervensystems..

Schachter und Singer gingen daran dies mittels Experimente zu beweisen. Hierzu wurden Versuchspersonen für ein Experiment gesucht. Diesen wurde durch einen Aushang erläutert, dass sie als Probanden für einen Versuch dienen sollten, wonach ihnen eine Vitamin verabreicht werden sollte, um feststellen zu können, wie sich dies auf das Sehvermögen auswirken würde. Das Vitaminpräparat wurde Suproxin genannt, dieses wurden den Probanden injiziert. Tatsächlich jedoch erhielten sie entweder ein wirkungsloses Placebo (ein Scheinmedikament, jedoch ohne Wirkung, hier eine Salzlösung) oder eine geringe Dosis Adrenalin.

Die Placeboprobanden erhielten die Information, dass mit keinen Nebenwirkungen zu rechnen sei. Alle anderen, allesamt mit einer Dosis Adrenalin, wurden in drei Versuchsgruppen eingeteilt.

Eine diesen Gruppen wurde informiert, dass Suproxin Nebenwirkungen haben wird, sie müssten mit Herzklopfen, Hitzewallungen und Händezittern rechnen. Schachter und Singer gingen davon aus, dass diese Gruppe ihre plötzliche Erregung des autonomen Nervensystems Suproxin zuschreiben, und kaum oder über keine Gefühle berichten würden.

Der zweiten Gruppe wurde mitgeteilt, dass Suproxin ein harmloses Medikament ohne Nebenwirkungen sei. Diese Information sollte sie davon abhalten, eine aufkommende Wirkung dem Medikament zuzuschreiben. Dies war durchaus nicht unproblematisch, denn alle Versuchspersonen würden zusammenkommen. So könnte es passieren, das Mitglieder der ersten Adrenalingruppe, ja in "Erwartung" möglicher Nebenwirkungen, Anspannung und Nervosität zeigen könnten; die Probanden der zweiten Gruppe davon beeinflusst werden könnten. Aus diesem Grund wurde eine dritte Testgruppe eingeteilt.

Die dritte Gruppe wurde falsch informiert. Ihnen wurde mitgeteilt, dass ebenfalls mit Nebenwirkungen zu rechnen sei, jedoch keine, die typisch für Adrenalin wären. Ganz im Gegenteil. Sie könnten mit Hautjucken, kalten Füßen und Händen rechnen und mit leichten Kopfschmerzen. Diese Gruppe diente als Kontrollgruppe, um die Angst vor den vorhergesagten Nebenwirkungen kontrollieren zu können.

Schachter und Singer realisierten damit also eine experimentelle Situation, in der alle Versuchspersonen (außer denen, die ein Placebo erhielten) dasselbe Muster eines physiologischen Arousals [Erregung, mein Zusatz] erleben würden. Die eine Gruppe wußte, daß ihre Symptome von der erhaltenen Injektion stammten, während die anderen ihre Erregung nicht der Medikamentengabe zuschreiben konnten, weil ihnen entweder gesagt worden war, daß es nicht zu Nebenwirkungen kommen könnte oder weil sie ganz andere Nebenwirkungen erwarteten. Schachter und Singer glaubten, daß diejenigen ... die nicht darauf gefaßt waren, daß die Droge ein Arousal auslöst, die Reaktionen ihres autonomen Nervensystems nicht der Droge zuschreiben und daher eine Emotion empfinden würden. Aus ihrer Theorie leiteten sie dabei die äußerst wichtige Voraussage ab, wonach das dann tatsächlich erlebte Gefühl vom sozialen Kontext abhängig sei, und Versuchspersonen in unterschiedlichen sozialen Situationen ihre Emotionen auch unterschiedlich deuten und erleben würden. (Schwartz, ebd., S.161, meine Herv.)

Einfach ausgedrückt: Die Qualität von Gefühlen wird durch ihre Erwartung beeinflusst.

Bei der Durchführung des Experiments brachten die Versuchsleiter einen zusätzlichen "Verbündeten" ins Spiel. Dieser sollte den sozialen Kontext beeinflussen. Nach der Injektion sollten die Probanden 20 Minuten warten, bevor der Versuch weitergehen sollte, denn das Medikament würde erst nach 20 Minuten seine volle Wirkung zeigen. In dieser Zeit war auch ein Fragebogen auszufüllen. Die Probanden warteten ihn einen Raum, zusammen mit einer weiteren Person, angeblich auch eine Versuchsperson, in Wirklichkeit jedoch der "Verbündete." Dieser spielte bei der Hälfte aller Teilnehmer eine fröhliche Rolle, er malte Männchen auf seinem Notizblock, spielte mit Papierkugeln Basketball, ließ Papierflieger durch den Raum segeln. Mit allen erdenklichen Möglichkeiten versuchte er eine lustige Atmosphäre zu schaffen. Bei der anderen Hälfte verhielt er sich völlig gegensätzlich: Er verhielt sich verärgert und wütend. Er regte sich über den Fragebogen auf. Dieser konnte u.U. tatsächlich Ärger erzeugen, enthielt er z.B. die Frage: "Mit wieviel Männern hatte ihre Mutter außereheliche Beziehungen? Unter vier ...; fünf bis neun ...; zehn und mehr ...?" Zum Schluss zerriss der Verbündete den Bogen und warf ihn auf den Boden und drohte mit den Worten: "Ich verschwende hier nur meine Zeit. Ich ... gehe."

Es wurde erwartet, dass die Probanden die vorher von der Wirkung des Adrenalins informiert wurden, keine oder wenig Gefühle zeigen würden. Sie würden ihr Arousal dem Medikament zuschreiben, nicht dem Verbündeten. Anders jedoch die anderen, die keine oder eine andere Nebenwirkung erwarten würden. Diese dürften genau die Gefühlen "erleben", die der Verbündete selbst gespielt hat, Fröhlichkeit oder Ärger. Schachter und Singer beobachteten das Geschehen durch einen Einwegspiegel, mittels Fragebögen erfassten sie die jeweilige "Stimmungslage" der Probanden. Die Ergebnisse kamen ihrer Prognose sehr nahe.

Die falsch Informierten verhielten sich eher wie der Verbündete, sie berichteten von ähnlichen Gefühlen. Die Prognose war damit bestätigt. Durch weitere Versuche konnte auch festgestellt werden, dass eine Veränderung des sozialen Kontextes dazu führte, dass die Emotion verändert werden konnte.

Ein anderes Bild ergab sich bei der Placebogruppe: Sie sollten ja kein oder wenig Gefühle zeigen. Dennoch zeigte sich, dass durchaus angaben ein bestimmtes Gefühl zu haben und verhielten sich ähnlich wie der Verbündete. Schachter und Singer nahmen daher an, dass diese Personen wohl deshalb eine physiologische Reaktion zeigen würden, weil sie das Verhalten des Verbündeten beobachteten. Dies führte zu Kontrollexperimenten. Hierbei wurde die Adrenalinwirkung nicht mit einem Placebo verglichen wurde, sondern mit einem Tranquilizer, einem Beruhigungsmittel. Diese sollte also die Probanden in genau den entgegengesetzten Zustande versetzen, ihr autonomes Nervensystem nicht anregen, sondern dämpfen. Allen Probanden wurde diesmal ein lustiger Film gezeigt. Die Adrenalininjizierten empfanden den Film lustiger wie die, die ein Beruhigungsmittel erhalten hatten. Das hieß, das Personen mit einem angeregten autonomen Nervensystem in dem Kontext, in dessen emotionalen Situation sie sich gerade befanden, den Zusammenhang und Ursache für ihre Fröhlichkeit sahen. Die Versuchspersonen sahen den Film "verantwortlich" für ihre Freude:

Die physiologischen Veränderungen, die eine Aktivierung des autonomen Nervensystems hervorrufen, sind tatsächlich unspezifisch. Das Gefühl eines Menschen (wenn er überhaupt ein solches empfindet) richtet sich nach dem jeweils wahrgenommenen Kontext, in dem er eine Aktivierung seines autonomen Nervensystems erlebt. (Schwartz, ebd., S.163)

Zum vertiefenden Weiterlesen:

Heckhausen, Heinz, Motivation und Handeln, 2.Aufl., Berlin, 1989
Mandl, Heinz. & Huber, G. L. (Hrsg.), Emotion und Kognition, München, 1983
Otto, Jürgen & Euler, Harald & Mandl, Heinz (Hrsg.), Emotionspsychologie. Ein Handbuch, Weinheim, 2000
Rost,  D. H., Die Emotionen: Die Elixiere des Lebens, Berlin, 1990
Schachter, Stanley und Singer, Jerome, Cognitive, Social and Physiological Determinations of Emotional State, in: Psychological Review, Nr. 69, 1962, S.379-399
Schachter; Stanley, The Psychology of Affiliation: Experimental Studies of the Sources of Gregariousness,  Stanford, 1974

>vor kurzem hatte ich dieses gefühl wieder,als ich mit meiner freundin über die kirche redete.ich mußte heulen,weil ich wußte das es wahr ist und andererseits wußte ich,das ich dort nie eintreten kann.( weil ich einige gebote nie halten könnte und mein freund mich verlassen würde).aber nun frage ich mich ,warum hab ich dieses gefühl gehabt?es könnte ja auch nur bedeuten,das es gott gibt.

Oder es beschreibt Deinen rein persönlichen Zustand. Nicht mehr und nicht weniger. Das es z.B., wie oben schon erwähnt, Deine derzeitige Verfassung berührt, eine "Tendenz" in Dir "bestätigt." Auch wieder ein völlig normaler Zustand. Auch hierzu ein paar Gedanken:

Warum wir immer Recht behalten. Die Bestätigungstendenz

Bleibt noch die Frage, warum wir (subjektiv) trotzdem immer Recht behalten. Unsere Meinung bestätigt finden. Warum ein "Zeugnis" immer stärker wächst, z.B. der Mormone von der Wahrheit "weiß." Christoph Bördlein schreibt über dieses Thema in einer hervorragenden Übersicht (Christoph Bördlein, Die Bestätigungstendenz. Warum wir (subjektiv) immer Recht behalten, in: Skeptiker, Jhg. 13 (2000), Heft 3, S.132-138), dass "zahlreiche experimentelle Befunde stützten die Annahme, dass jemand, wenn er erst einmal eine Position bezogen hat, vornehmlich damit beschäftigt ist, diese Position zu verteidigen oder zu rechtfertigen." (ebd., S. 133)

Bördlein beschreibt die Bestätigungstendenz (engl. confirmation bias, auch Bestätigungsvoreingenommenheit) wie folgt:

Die Bestätigungstendenz (confirmation bias) ist einer der bekanntesten und weitreichendsten "Denkfehler", Man bezeichnet damit die Neigung von Menschen, ihre einmal getroffenen Annahmen stets selbst zu bestätigen. Dies geschieht durch Prozesse auf Seiten der Informationsaufnahme (Befunde werden einseitig wahrgenommen, und es wird vornehmlich nach stützenden Befunden gesucht) und der Informationsverarbeitung (Befunde werden einseitig bewertet und interpretiert), modifiziert durch Variablen der Situation bzw. der Aufgabenstellung. (ebd., S.132)

Die Kognitionspsychologie hat mittlerweile genügend Belege dafür geliefert, dass ein Verweisen auf "persönliche Erfahrungen", ein "Gefühl" etc. bauen auf Sand gleichkommt. Die Fehlbarkeit solch individueller Erfahrungen sind hinlänglich erforscht und doch relativ unbekannt. Bördlein führt R. S. Nickerson an (Confirmation Bias: A ubiquitous phenomenon in many guises. Review of General Psychology 2, 1998, S.175-220), der beschreibt, dass man unterscheiden muss zwischen dem bewussten Versuch "einen Fall zu konstruieren", indem absichtlich nur nach bestätigenden Belegen gesucht wird, und dem unbeabsichtigten Versuch. Diese unbeabsichtigte "Suche" ist mit der Bestätigungstendenz gemeint:

Er bezeichnet einen weniger expliziten, weniger bewussten Prozess, einseitig einen Fall zu konstruieren. Er bezieht sich im Allgemeinen auf eine unbewusste Selektivität bei der Beschaffung und Verwendung von Belegen. (Nickerson, S.175)

Der Mensch hat nur noch einen "Blick" für Informationen, die seinen Sicht- bzw. Fühlweise unterstützen. Diese werden bevorzugt, man erinnert sich auch leichter an diese. Es sei nochmals an die obige "Gedankenstarre" (LuB 9:9) erinnert. Die Bestätigungstendenz wird dadurch belebt, dass der Wahrnehmende genau das wahrnimmt, was er auch sehen möchte. Ganz besonders wichtig waren in diesem Zusammenhang die Untersuchungen von H. H. Kelley (The warm-cold variable in first impressions of persons, in: Journal of Personality, Nr. 18, 1950, S.431-439).

Das wohl bekannteste Experiment zur Bestätigungstendenz, ist Wasons Karten-Wahl-Aufgabe von 1968 (Wason, P.C., Reasoning about a rule, in: Journal of Experimental Psychology, Nr.20, 1968, S.273-281). Es würde zu weit führen dies hier auch noch zu beschreiben (falls nicht schon so mancher eh längst eingeschlafen ist, was evtl. lediglich beweisen würde, daß dieser Text die gleiche Wirkung hat, wie das Buch Mormon (lt. Mark Twain): eine chloroformierende).

Versuche ergaben auch, dass Personen, die viele Informationen beurteilen sollen, sich dann oft auf die zuerst genannten beziehen, dem sog. primacy effect (Vorrang Effekt). Dieser steht wiederum im Zusammenhang mit dem Phänomen des belief persistance (Überzeugungsbeständigkeit):

Hat sich eine Person erst einmal für eine bestimmte Überzeugung entschieden, so ist es schwierig, sie von dieser Überzeugung wieder abzubringen, selbst mit deutlich widersprechenden Befunden. (Bördlein, ebd., S.134)

Die meisten Menschen haben mehr Vertrauen in ihr eigenes Urteil, mehr wie es eigentlich berechtigt wäre. Dieses stimmt häufig mit den objektiven Gegebenheiten nicht überein. Oft wollen Menschen es auch nicht, dass ihre Ansichten widerlegt werden, wie Bördlein weiter ausführt:

Widerlegung unerwünscht

Bei der Suche nach Informationen konzentrieren sich Menschen vor allem oder ausschließlich auf Fälle, die geeignet sind, die bevorzugte Hypothese zu stützen. D. h. es werden keine Versuche unternommen, die Hypothese zu falsifizieren, wie u.a. die Versuche von Wason (1960) (On the failure to eliminate hypotheses in a conceptual task, in: Quarterly Journal of Experimental Psychology, Nr.12, 1960, S.129-140, mein Zusatz) eindringlich belegen: Zahlen Tripletts der Form "2-4-6" wurden Probanden als Beispiele  vorgegeben, aus denen sie eine Regel zur Erzeugung solcher Tripletts ableiten sollten. Die Versuchspersonen konnten sodann dem Versuchsleiter weitere Tripletts nennen und fragen, ob diese der Regel entsprächen oder nicht, so lange, bis sie sich sicher waren, die richtige Regel gefunden zu haben. Die allermeisten Versuchspersonen legten nur solche Tripletts zur Prüfung vor, die ihrer Ersten Hypothese entsprachen, und keine solchen, die geeignet waren, die Hypothese zu widerlegen. Im obigen Beispiel fassten viele ... als erstes die Hypothese, die Regel laute "gerade Zahlen, ansteigend" und legten ... nur solche Tripletts wie "8-10-12" oder "20-22-24" vor, nicht aber solche, die ihre Hypothese hätten widerlegen können, wie "5-7-9" ... (sie) bevorzugten offenbar solche Tests ihrer Hypothese, de positive Resultate wahrscheinlich machten. (ebd., S.135)

Warum Menschen sich so verhalten ist noch Gegenstand der Forschung. Den meisten Menschen scheint es weniger darum zu gehen, die "Wahrheit" zu finden, sondern eher größere Fehler zu vermeiden. Laut Bördlein bringt es Maria Lewicka auf den Punkt, "wenn sie die Bestätigungstendenz als einen Teil unserer "Überlebensausstattung" bezeichnet, durch die wir sichere Gewinne erzielen, ohne uns Unsicherheiten und Risiken auszusetzen. (Confirmation Bias. Cognitive error or adaptive strategy of action control?, in: Kofta, M., Weary, G., Sedek, G. (Hrsg.): Personal Control in Action. Cognitive and Motivational Mechanisms, New York, 1998, S.233-258, in: Bördlein, S.136). Deutsche Versuche haben gezeigt, dass Versuchspersonen, z.B. Mediziner, mit Fachwissen, schneller dazu neigen, von vorher angenommenen Überzeugungen, zur korrekten Alternative zu wechseln (nach Krems, J. F., Zierer, C., Sind Experten gegen kognitive Täuschung gefeit? Zur Abhängigkeit des confirmation bias von Fachwissen, in: Zeitschrift für experimentelle und angewandte Psychologie, Nr.41, 1994, S.98-115, in: Bördlein, S.137).

Wichtig ist auch die Feststellung, dass bei anderen Versuchen, Probanden, die zusätzliche Information erhielten, z.T. ihre Ursprungsüberzeugung leicht bestätigend, andere leicht widersprechend. Wie zu erwarten war, waren die bestätigenden Informationen für die Propbanden wichtiger;  erhielten sie jedoch anschließend Informationen, die ihrer Ãœberzeugung erheblich entkräfteten, ging die Bestätigungstendenz einiger Teilnehmer leicht zurück. Ein erheblicher Rückgang war dann zu verzeichnen, wenn eine plausible Alternative vorgestellt wurde (nach Gadenne, V., Oswald, M., Entstehung und Veränderung von Bestätigungstendenzen beim Testen von Hypothesen, in: Zeitschrift für experimentelle und angewandte Psychologie, Nr.33, 1986, S.360-374, in: Bördlein, S.137).

Weitere Einflussfaktoren für vermehrte Bestätigungstendenzen sind:

- Ängstlichkeit
- wenn die Person unter Zeitdruck steht
- wenn die Informationsmenge sehr groß ist
- wenn die Informationen von Experten (anstatt von Laien) bereitgestellt werden (!)
- wenn die Entscheidung nicht mehr rückgängig gemacht werden konnte
- wenn die Informationssuche mit Kosten verbunden war (siehe jeweils Bördlein für Quellen)

Von Bedeutung sind noch Untersuchungen der Bestätigungstendenz im Zusammenhang mit Gruppen. Hier zeigte sich, dass Gruppen sich sicherer wie Einzelpersonen meinen, dass also ihre Gruppenentscheidungen "richtiger" sind. Sie zeigen auch eine größere Selektivität bei der Suche und Bewertung von Informationen. Dies gilt insbesondere für homogene Gruppen. Gewählte Gruppensprecher würden der Bestätigungstendenz unterliegen (so in Frey, D., Schulz-Hardt, S., Stahlberg, D., Information seeking among individuals and groups and possible consequences for decision making in business and politics, in: Witte, E. H., Davis, J. H. (Hrsg.), Understanding Group Behaviour. Small Group Processes and Interpersonal Relations, Vol. 2, 1996, S. 211-225, in: Bördlein, S. 137). Frey et. al. stellten auch fest, dass:

"Gruppen, die sich vor ihrer Entscheidung als besonders kompetent zur Lösung des Problems eingeschätzt hatten, zeigten ein größeres Ausmaß an Bestätigungstendenz als Gruppen, die sich selbst eher wenig Kompetenz zuschrieben. Auch Gruppen mir formalen Führern und Gruppen, die ihre Entscheidungen anschließend vor Publikum rechtfertigen mussten, erlagen dem confirmation bias in besonderem Maße. ... sehen diese Ergebnisse in Übereinstimmung mit der Theorie der kognitiven Dissonanz (welche u.a. besagt, dass Menschen danach streben, ihre Gedanken bzw. Überzeugungen in Übereinstimmung mit ihren Handlungen zu bringen ... In Gruppen wirken zudem weitere Prozesse in Richtung eines confirmation bias: Gruppenmitglieder die sich im Einklang mit der Gruppenmeinung befinden, dürfen sich akzeptiert fühlen. ... Die Suche nach dissonanten Informationen ist eine lästige Pflicht - wenn sie überhaupt als notwendig erachtet wird. Gruppenmitglieder neigen dazu, anzunehmen, dass schon jemand anderes diese leidige Aufgabe übernehmen wird - mit dem Effekt, dass niemand wirklich nach widersprechenden Informationen sucht." (Frey, ebd.)

Alleine von diesem Denkfehler, der Bestätigungstendenz, zu wissen, kann schon Hilfe sein, ihr nicht so schnell zu erliegen. Sie gehört zu unserem alltäglichen Leben. Trotzdem gilt es, ihr stets bewusst zu sein, und darauf zu achten, selbst nicht voreilig oder einseitig Informationen aufzunehmen.

Zum vertiefenden Weiterlesen:

Christoph Bördlein, Die Bestätigungstendenz. Warum wir (subjektiv) immer Recht behalten, in: Skeptiker, Jhg. 13 (2000), Heft 3, S.132-138
Festinger, Leon, Theorie der kognitiven Dissonanz, Bern, 1978
Hager, W., Bestätigungstendenzen in der Urteilsbildung, Göttingen, 1991
Nickerson R. S., Confirmation Bias: A ubiquitous phenomenon in many guises. Review of General Psychology 2, 1998, S.175-220)

>ich bin einfach verwirrt und hätte gerne eure meinung dazu gehört.ich hoffe ich hab mich einigermaßen verständlich ausgedrückt.

Denke schon ... und hoffe ich ebenso. Viel Geduld, Freude, Unabhängigkeit, Ehrlichkeit und Ausdauer in Deiner weiteren Suche. Und auch Mut zu einem gelegentlichen Nein ... wozu auch immer!

James

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