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zum Thema Vielehe in Utah ( Heute in Arte )
Seite erstellt am 18.4.24 um 19:04 Uhr
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der Beitrag:
Verfasser: Alex
Datum: Donnerstag, den 23. August 2001, um 6:25 Uhr
Betrifft: Vielehe in Utah ( Heute in Arte )

aus " die Tageszeitung " - online, 23.08.01

Hahn im Korb in Utah

Ein Mann, viele Frauen: Der Arte-Themenabend "Viel Weib, viel Ehr?" beschäftigt sich mit modernen Varianten der Polygamie. Dabei beißt man als Zuschauerin hin und wieder ins Kissen (ab 20.45 Uhr)
von GITTA DÃœPERTHAL

In Ordnung, Vorurteile sind dazu da, abgebaut zu werden. Und ungewöhnliche Lebensstile sind da, um gelebt zu werden. Man könnte auch die Frage stellen, wieso ein Staat sich eigentlich anmaßt, in das Privatleben seiner Bürger hineinzufunken. Und demzufolge weiterhin fragen, warum die Vielehe eigentlich verboten ist. Denn wer sagt denn, dass die Einehe mit all ihrer Doppelmoral so viel besser ist? Man könnte sich zudem dafür interessieren, warum einen Harem sich traditionsgemäß nur ein Mann leisten kann.

Doch all dies unternimmt die Filmemacherin Jane Treays in ihrem Dokumentarfilm "Harem in Utah" im Rahmen des Themenabends "Viel Weib, viel Ehr" nicht. Stattdessen bekommt die Fernsehzuschauerin ein fettig-anbiederndes Rührstück aus dem Erzpatriarchat zu sehen. Mag sein, dass dieser Mann, der mit fünf Frauen und 29 Kindern in Utah, im Südwesten der USA, in einer Wohncontainersiedlung lebt, die Schlagzeilen der Boulevard-Gazetten zu füllen vermag. Zumal er wegen Polygamie und sexuellen Missbrauchs angeklagt wurde und sein Urteil im Fall einer gerichtlichen Bestätigung auf 25 Jahre lauten würde.

Doch es ist abstrus, wenn die Reporterin ein 16-jähriges Mädchen zum Thema Verliebtheit befragt, und die junge Frau dann verklemmt herumdrucksend - neben ihrer Mutter sitzend, die mit demselben Mann verheiratet ist - erklärt, dies sei sicherlich nicht so ganz konventionell. Auf diese Weise erfährt niemand, was die Frauen tatsächlich bewegt. Spätestens jetzt hätte das psychologische Ratgeberbuch zum Thema frühkindliche Neurosen und soziokulturelle Werte gezückt werden müssen.

Stattdessen fromme Sprüche: Vom überglücklichen Womanizer Tom Green, der behauptet, all seine Frauen im Teenageralter seien schon so wunderbar reif. Von den Frauen, deren Mimik und Sprachgestus deutlich an Sektenopfer erinnert. Sie berichten vom Verzicht auf sexuelle Befriedigung, als handele es sich dabei um eine besondere Auszeichnung durch ihren Geliebten. Last not least klärt uns die Filmemacherin selbst über ursprüngliche Regeln der Mormonen auf: "Je mehr Frauen ein Mann hat, desto höher seine Stellung im Himmel."

"Schön für ihn!", seufzt da also die halbwegs emanzipierte Fernsehzuschauerin und kann sich der Rührung kaum erwehren. Welche Stellung für die dazugehörigen Frauen im Jenseits vorgesehen ist, erfährt man nicht. Warum auch, wer die Unterordnungsmoral auf Erden schon so schön geschluckt hat, warum soll es dem später besser ergehen? So mutet die Message des Films an.

Spätestens wenn eines der Girlies selig in die Kamera schwärmt: "Er hob mein Kinn und dann küsste er mich", beißen wir ins Sofakissen und sind bereit, scheppernd in den Bildschirm hineinzuspringen, um dort endlich die angebrachten Fragen zu stellen: Warum hast du bloß so wenig Selbstbewusstsein, dass du dich von diesem großkotzigen Kerl als Serienmodell und Mutterkuh entwerten lässt? Doch solche Fragen werden in Dokumentarfilmen dieser Art nie gestellt, deshalb plätschern sie so angenehm lau vor sich hin. Immerhin haben wir noch erfahren: Gott hat Green die jungen Frauen zugeführt. Lobet den Herren!

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