Das Exmo-Diskussionsforum

Beitrag 47 von 78
zum Thema Der Vorteil und der Segen der Kirche...
Seite erstellt am 19.4.24 um 19:10 Uhr
zur Nachrichtenliste
der Beitrag:
Verfasser: vedma
Datum: Dienstag, den 31. Oktober 2000, um 7:50 Uhr
Betrifft: Gottesbilder

Das Schlimme an den Gottesbildern sind ja gar nicht die Statuen, die fürchterlichen Gemälde auf dem Liahona usw., sondern viel schlimmer fand ich es immer schon, wie sehr die Mormonen sich überhaupt ihre Vorstellung von Gott zurechtbasteln, klein und handlich, so dass sie ihn bequem in der Tasche nach Hause tragen können. Sie schreiben ihm bis ins Kleinste vor, wie er zu sein hat.

Er wird wirklich kleingemacht, damit man ihn sich vorstellen und in Worte fassen kann, und wehe, einer hat eine andere Vorstellung oder engt ihn nicht so ein.

Nicht dass der Gott der Mormonen sich im Laufe der zeit nicht gewandelt hätte, aber immer schön brav innerhalb der vorgegebenen Richtlinien. Schließlich können sie ihn sogar zwingen, genau das zu tun, was sie von ihm wollen.

Dazu passt etwas, was der Herr K. von Bert Brecht erlebt hat:

Wenn Herr K. einen Menschen liebte

"Was tun Sie?" wurde Herr K. gefragt, "wenn Sie einen Menschen lieben?" "Ich mache einen Entwurf von ihm", sagte Herr K.", und sorge, daß er ihm ähnlich wird." "Wer? Der Entwurf?" "Nein", sagte Herr K., "der Mensch."

Oder dieses von Max Frisch:

Du sollst dir kein Bildnis machen

Es ist bemerkenswert, dass wir gerade von dem Menschen, den wir lieben, am mindesten aussagen können, wie er sei. Wir lieben ihn einfach. Eben darin besteht ja die Liebe, das Wunderbare an der Liebe, dass sie uns in der Schwebe des Lebendigen hält, in der Bereitschaft, einem Menschen zu folgen in allen seinen möglichen Entfaltungen. Wir wissen, dass jeder Mensch, wenn man ihn liebt, sich wie verwandelt fühlt, wie entfaltet, und dass auch dem Liebenden sich alles entfaltet, das Nächste, das lange Bekannte. Vieles sieht er wie zum ersten Male. Die Liebe befreit es aus jeglichem Bildnis. Das ist das Erregende, das Abenteuerliche, das eigentlich Spannende, dass wir mit den Menschen, die wir lieben, nicht fertigwerden: weil wir sie lieben; solang wir sie lieben. Man höre bloß die Dichter, wenn sie lieben; sie tappen nach Vergleichen, als wären sie betrunken, sie greifen nach allen Dingen im All, nach Blumen und Tieren, nach Wolken, nach Sternen und Meeren. Warum? So wie das All, wie Gottes unerschöpfliche Geräumigkeit, schrankenlos, alles Möglichen voll, aller Geheimnisse voll, unfassbar ist der Mensch, den man liebt ---
Nur die Liebe erträgt ihn so.
Unsere Meinung, dass wir das andere kennen, ist das Ende der Liebe, jedesmal, aber Ursache und Wirkung liegen vielleicht anders, als wir anzunehmen versucht sind --- nicht weil wir das andere kennen, geht unsere Liebe zu Ende, sondern umgekehrt: weil unsere Liebe zu Ende geht, weil ihre Kraft sich erschöpft hat, darum ist der Mensch fertig für uns. Er muss es sein. Wir können nicht mehr! Wir kündigen ihm die Bereitschaft, auf weitere Verwandlungen einzugehen. Wir verweigern ihm den Anspruch alles Lebendigen, das unfassbar bleibt, und zugleich sind wir verwundert und enttäuscht, dass unser Verhältnis nicht mehr lebendig sei.
"Du bist nicht", sagt der Enttäuschte oder die Enttäuschte: "wofür ich dich gehalten habe."
Und wofür hat man sich denn gehalten?
Für ein Geheimnis, das der Mensch ja immerhin ist, ein erregendes Rätsel, das auszuhalten wir müde geworden sind. Man macht sich ein Bildnis. Das ist das Lieblose, der Verrat.

Max Frisch

Und genauso traurig muss der Gott der Mormonen wohl manchmal sein, weil er nie so sein darf, wie er es sicher gern wäre, nämlich wirklich unendlich, vor allem unendlich liebevoll und allumfassend.

zur Nachrichtenliste
auf diesen Beitrag antworten:

nicht möglich, da es sich um einen Legacy-Beitrag handelt

zur Nachrichtenliste
das Themengebiet: zur Nachrichtenliste
die neuesten Beiträge in diesem Themengebiet: zur Nachrichtenliste
die neuesten Beiträge außerhalb dieses Themengebietes: zur Nachrichtenliste
zurück
www.mormonentum.de