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zum Thema mormonen missionieren?
Seite erstellt am 19.4.24 um 14:49 Uhr
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der Beitrag:
Verfasser: James
Datum: Donnerstag, den 5. Juli 2001, um 5:41 Uhr
Betrifft: Sie schlagen ihre Sichel ein

Heinz schrieb:

>wir leben in der dominikanischen republik und fast in jedem grösseren dorf missionieren immer zwei junge männer. sie sind sehr sauber gekleidet und tragen weisse hemden. ich habe das bei all meinen reisen noch nie gesehn. meine frage an euch; warum machen sie das?

Weil sie "wissen" (in ihrem ureigenen Mormonenslang (Mormonspeak) haben sie ein "Zeugnis", zeugen also von ihrem Wissen, Glauben und Erkenntnis), daß sie zur "einzig wahren
Kirche" gehören. Und diese "frohe Botschaft" tragen sie in alle Welt. Besonders erfolgreich sind sie in den Teilen der Erde wo Armut, Arbeitslosigkeit etc. herrscht.

Alle anderen Glaubensgemeinschaften sind "im Irrtrum", ihre "Glaubensbekenntnisse ... ein Greuel" in den Augen des Herrn, ihre "Glaubensbekenner ... alle verderbt" (also "verdorben"). So ihre Botschaft an die Menschheit, nachzulesen in einer ihren sog. "Heiligen Schriften", der "Joseph Smith Lebensgeschichte" in der sog. "Köstlichen Perle" (engl. "The Pearl of Great Price" bzw. "Joseph Smith - History 1:19).

Und gemäß dem "Credo" der Mormonenmissionare, dem Abschnitt 4 aus einer neuzeitigen Sammlung sog. Offenbarungen, dem Buch "Lehre und Bündnisse" (jeweils die Verse 1-7, engl. Doctrines and Covenants), sind sie "im Begriff" ein "wunderbares Werk" hervorzubringen. Sie tun es mit "ganzem Herzen, aller Macht, ganzem Sinn und aller Kraft", damit sie "am letzten Tag schuldlos vor Gott stehen" mögen. Weil sie den "Wunsch" haben "Gott zu dienen." Deshalb fühlen sie sich "berufen." "Das (Missions)Feld ist schon weiß, zur Ernte bereit", deshalb schlagen sie "ihre Sichel mit Macht ein", wieder, damit "er nicht zugrunde geht, sondern seiner Seele Errettung bringt." Eigentlich recht eigennützig. Deshalb "klopfe(n) (sie) an", in der festen Zuversicht, daß sie "empfangen" werden und ihnen "aufgetan" wird.

Kannst die "Elders" (gelegentlich auch "Sisters", wobei die "Sisters" i.d.R (auch außerhalb) "elder" (older) sind (i.d.R, auch außerhalb 21 bis 22 1/2 Jahre) wie die "Elders" (19 bis 21 Jahre) ja mal obigen Abschnitt 4 aus Doctrines and Covenants (D&C) fragen, sollen es Dir bitte aufsagen. Mit ein bißchen Glück wirst Du erleben, daß sie sich erheben und den kompletten Abschnitt voller Euphorie und Inbrunst runterschnattern. Unglaublich ... aber doch wahr. Meine Reaktion darauf, es funktioniert fast immer, gebe ich hier lieber nicht preis ... sonst kriegen einige Leser wieder einen Anfall. Manche schlagen halt die Sichel ein ... andere die Hacken zusammen.

Natürlich kann man auch andere Motive erkennen, so man will. So z.B. das jegliche Art von Missionseifer das Ziel hat Bekehrte zu finden, die Reihen aufzufüllen. Eric Hoffer beschreibt in seinem "Der Fanatiker. Eine Pathologie des Parteigängers," Frankfurt a. M., 1999, den wahren Gläubigen, den wahren Missionar. Der Titel der deutschen Übersetzung und Ausgabe ist m. E. n. unglücklich gewählt. Im Original lautet dieser "The True Believer. Thoughts on the Nature of Mass Movements," (New York, 1951),

Das Thema der Missionsarbeit wird von Hoffer beleuchtet:

>Es ist offensichtlich, daß eine missionierende Massenbewegung alle existierenden Gruppenverbindungen niederreißen muß, wenn sie sich eine ausreichende Gefolgschaft sichern will. Der ideale Konvertit ist der alleinstehende einzelne Mensch, der sich nicht in einer Gruppe verlieren und so die Bedeutungslosigkeit und Schäbigkeit seiner Einzelexistenz verdecken kann. (S.49)
>Eine entstehende Massenbewegung gewinnt und hält ihre Gefolgschaft nicht mit einer Doktrin und mit Versprechungen, sondern indem sie Zuflucht bietet vor den Ängsten, der Unfruchtbarkeit und Bedeutungslosigkeit der individuellen Existenz. Sie heilt den zutiefst Enttäuschten nicht durch eine absolute Wahrheit oder durch die Beseitigung der Mängel und Schwierigkeiten in seinem Leben, sondern sie befreit ihn von seinem unfähigem Ich, indem sie ihn aufsaugt in eine geschlossene, begeisterte Körperschaft.
>Es ist ganz offensichtlich, daß eine Massenbewegung wenn sie Erfolg haben will, schon in frühesten Anfängen eine geschlossene korporative Organisation bilden muß, die den einzelnen aufnehmen und mit den übrigen zu einer Einheit verschmelzen muß. Es ist müßig, die Erfolgaussichten einer neuen Bewegung nach der Wahrheit ihrer Doktrin und der Qualität ihrer Versprechungen beurteilen zu wollen. Was beurteilt werden muß, ist ihre korporative Organisation und deren Fähigkeit, die Masse Enttäuschten sofort und vollständig aufzusaugen. ... Ziel aller Sehnsüchte des Enttäuschten ist, »irgendwo zu gehören«, ... (S.56f.)

Der "übermäßig Selbstsüchtige" wird wie folgt beschrieben:

>Die wildesten Fanatiker sind häufig Selbstsüchtige, die durch angeborene Mängel oder äußere Hindernisse ihr Selbstvertrauen verloren haben. Sie trennen das vorzügliche Werkzeug ihrer Eigenliebe vom bedeutungslosen Ich und stellen es in den Dienst einer heiligen Sache. (S. 65)
>Bei den "Sündern" muss laut Hoffer "religiöser und revolutionärer Enthusiasmus ... oft als Refugium auf der Flucht vor einem schlechten Gewissen (dienen). Es ist der Sünder, wie auch der, gegen den gesündigt wurde, der "in der Massenbewegung einen Ausweg aus einem verunstalteten Leben findet" (S.70f.):
>Die Technik einer missionierenden Massenbewegung legt es darauf an, in ihrer Gefolgschaft die Stimmung und die Geistesverfassung eines reuigen Sünders wachzurufen. ... Eine wirksame Massenbewegung kultiviert den Gedanken an Sünde. ... Beichten und bereuen heißt hier die persönliche Welt und alles Eigenleben aufgeben, und die Erlösung erfolgt im Verlust des Ich an die heilige Einheit der Gemeinschaft. (S.71)

Von äußerster Wichtigkeit ist die "Gemeinschaftsaktion und die Selbstaufopferung" des wahren Gläubigen. Aus dieser bezieht die Massenbewegung ihre Stoßkraft und ihren Erfolg. Damit eine solche Bewegung erfolgreich sein kann, muss sie ihren Anhängern die Möglichkeit eröffnen, dass diese in der Gemeinschaft agieren  und sich dabei selbst aufopfern können:

>Was fehlt dem Enttäuschten? Das Bewußtsein eines wirksamen und zweckbestimmten Ich. Sein größter Wunsch richtet sich darauf, sich von seinem gehaßtem Ich zu befreien - und dieser Wunsch manifestiert sich in seinem Hang zu geschlossener Aktion und Selbstaufopferung. Der Ekel vor dem unerwünschten Ich und der Impuls, es zu vergessen, zu verdecken, abzuschieben und zu verlieren, erzeugen gleichermaßen eine Bereitschaft, das Ich zu opfern, wie es in der Verschmelzung mit einem kollektiven geschlossenen Ganzen, die die individuellen Unterschiede auslöscht, zu verlieren. (S.74f.)
>Einen Menschen für die Selbstaufopferung reif zu machen heißt ihn seiner individuellen Identität entkleiden und die Unterschiede zum Mitmenschen zu verwischen. Er darf nicht mehr mit George, Hans, Iwan oder Tado leben. ... Der radikalste Weg zu diesem Ziel wird da beschritten, wo der einzelne endgültig in eine kollektive Körperschaft assimiliert wird. Das völlig assimilierte Einzelwesen betrachtet sich selbst und die anderen nicht mehr als menschliche Existenzen. Fragen wir ihn, wer er sei, so lautet die automatische Antwort: ein Deutscher, Russe, Japaner, Christ, Moslem ... Die Aufhebung der persönlichen Isoliertheit muß gründlich geschehen. In jedem Akt , auch dem kleinsten, muß sich das Einzelwesen in seinem Ritual irgendeiner Art mit der Gemeinde, dem Stamm, der Partei usw. verbinden.
> ...
>Aus der Gruppe verstoßen zu sein sollte für es gleichbedeutend sein damit, von allem Leben abgeschnitten zu sein. (S.77ff.)

So Hoffer.

Dann ist es auch durchaus denkbar, daß das Wirtschaftsimperium Kirche dem wirtschaftlichen Dikat unterliegt, wie jeder andere Konzern etc.: Wachsen, expandieren, exportieren um zu überleben.

Die Missionare selbst werden eher dazu neigen, die erstere Version Dir mitzuteilen.

Herzliche Grüße an die andere Seite des Globus (na ... fast).

James

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