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Seite erstellt am 23.4.24 um 17:37 Uhr
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Verfasser: James
Datum: Montag, den 2. Juli 2001, um 17:33 Uhr
Betrifft: Der Verrat

Anna schrieb u.a.:

>Spencer W. Kimball: "Das Wunder der Vergebung"  ... "Verräter. Was ist aber von den Mitgliedern zu sagen ... ihre Kritik an der Kirche veröffentlichen ... Untreue gegenüber einer Verpflichtung, das ist die Eigenschaft eines Verräters, und gewiß ist ein getauftes Mitglied verpflichtet, die Kirche zu unterstützen und ihre Ziele zu fördern. Was könnte verächtlicher sein als ein Verräter an einem Freund, einer Kirche, einem Staat oder einer Sache? Der Verräter handelt hinterlistig, im Finstern. Wir sind auch heute in der Kirche nicht ohne Verräter, die darauf aus sind, das zu zerstören, was gut ist, um egoistisch ihren irdischen Lohn zu erhalten oder um ihre niedrigen Absichten zu verwirklichen.

Wie schwachsinnig die obigen Thesen sind, ergibt sogar eine oberflächliche Betrachung:

1) Selbstverständlich ist kein "rechtschaffener" Mormone überhaupt in der Lage die obigen Zeilen kritisch und laut (!) zu hinterfragen. Im Moment wo er es tut beginnt die, für Mormornen schwerwiegende, Sünde der Kritik an den Kirchenführern. Hier hat er sogar einen Eid als Tempelgänger geschworen. Diesen, ohne vorherige Information außerhalb des Tempels.

Der Mormone wird ständig darüber belehrt wie zwingend notwendig ein sog. "Zeugnis" ist. Beispielhaft dafür die folgenden Zeilen eines ehemaligen Apostels, Bruce R. McConkie, der einen massiven Einfluss auf die Kirchenlehre und deren Auslegung in den letzten drei Jahrzehnten hatte, ein "berühmter Heiliger der Letzten Tage Gelehrter-Apostel." (sic!), (in: Review of: Gileadi, Avraham, The Book of Isaiah: A New Translation with Interpretive Keys from the Book of Mormon, by Donald W. Parry, in: FARMS, Review of Books, Bd. 4, Provo, 1992, Hrsg. Daniel C. Peterson, S.47):

>Wir sind ein Volk, das Zeugnis gibt - und so soll es auch sein. In unseren Versammlungen kommt sehr oft feierlich zum Ausdruck, das wir wissen: das Werk, in dem wir tätig sind, ist wahr. Wir bekunden eindringlich und voll Überzeugung, dass Jesus der Herr ist, dass Joseph Smith sein Prophet ist und die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage "die einzig wahre und lebendige Kirche auf dem ganzen Erdboden" ist (LuB 1:30).
>Das machen wir schon recht gut. Aber wir müssen noch mehr tun. Von einem inspirierten Lehrer, einem der durch die Macht des Geistes lehrt, wird erwartet, dass er Zeugnis davon gibt, dass der Grundsatz, den er lehrt, wahr ist. (in: Lehren, die größte Berufung. Nachschlagewerk für die Unterweisung im Evangelium, KJCdHdLT, o.O., 2000, S. 10, meine Herv.))

Er muß von allem was er z.B. "lehrt", wissen, daß es "wahr" ist. Ein Abweichen vom Wissen ist somit Verrat. Es handelt sich bei der obigen Quelle, um den offiziellen "Leitfaden", Lehrbuch und Nachschlagewerk, für "Lehrer" innerhalb der Kirche. Es es zu beachten, dass neubekehrte Mitlieder durchaus nach einigen Wochen bereits als Lehrer "berufen" werden. Dies kann in allen Organisationen geschehen, vom Mitglied wird sodann erwartet, dass es regelmäßig Klassen belehrt ((Sonntagsschule (Jugendliche und Erwachsene), der Primarvereinigung (Kinder), Frauenhilfsvereinigung, Priestertumsversammlung, etc.). Diese "Berufung" geschieht oftmals ohne Schulung und weitere Vorbereitung. Im Idealfall durchläuft das Mitglied einen Lehrerschulungs-Grundkurs, einen Kurs bestehend aus zwölf Lektionen, enthalten im obigen Leitfaden. Dies bedeutet konkret, dass bereits von Neubekehrten erwartet wird, dass sie ein Zeugnis, also ein Wissen über ihren Lehrstoff haben, der übrigens jeweils mittels Leitfäden vorgegeben ist. Die Lehrer sind in diesem Moment die "Beauftragten des Herren, daher sind (sie) nur ermächtigt, das zu sagen, was er gesagt haben möchte." (McConkie, S.8)

Für McConkie ist ein Zeugnis unanfechtbar. Tatsächliches, verifizierbares Wissen, wird dem mormonischen Zeugnis untergeordnet, von besonderem Interesse die Rechtfertigung McConkies, aber auch die Methodik, wie Zuhörer ebenfalls von der "Wahrheit" der Lehre wissen können. Ein in sich geschlossenes System:

>Wer kann gegen ein Zeugnis streiten? Ungläubige mögen über unsere Lehre streiten. Sie mögen die heilige Schrift zu ihrem eigenen Verderben verdrehen. Sie mögen das eine oder das andere von einem rein intellektuellen Standpunkt aus wegdiskutieren, aber gegen ein Zeugnis sind sie machtlos.
Wenn ich sage, diese oder jene messianische Prophezeiung Jesajas habe sich durch dieses oder jenes Ereignis im Leben unseres Herren erfüllt, werden gleich viele Stimmen laut, die darüber diskutieren und aufzeigen wollen, dass die klugen Männer der Welt das anders sehen. Sage ich: Weil der Heilige Geist es meiner Seele offenbart hat, weiß ich, dass die messianischen Äußerungen sich auf Jesus aus Nazaret beziehen, den Sohn Gottes - was gibt es dann zu diskutieren? Ich habe das, was gelehrt wird, bezeugt, und jedem Zuhörer, der mit diesem Geist im Einklang ist, weiß im Herzen, dass das, was ich gesagt habe, wahr ist. (McConkie, S. 10, meine Herv.)

Wie man "im Einklang ist" ist, damit man "im Herzen (weiß) ... was ... wahr ist"? Selbiger Leitfaden beschreibt explizit, wie ein Mormone "rein vor Gott" stehen kann, um den "den Geist auch wirklich bei (sich) zu haben." Man muss:

... bei allem, was wir tun, an den Erretter denken ... immer wie wahre Jünger verhalten ... von unseren Sünden umkehren ... danach trachten was tugendhaft oder liebenswert ist ... guten Klang oder lobenswert ist ... müssen täglich mit festem Vorsatz in der heiligen Schrift lesen ... gute Bücher lesen und erbauliche Musik hören ... an heiligen Stätten stehen ... indem wir zur Kirche gehen, vom Abendmahl nehmen und so oft wie möglich in den Tempel gehen ... Gespräche und Vergnügen meiden, die unpassend oder leichtfertig sind ... Kleidung darf nicht unschicklich sein ... niemals einen anderen verletzen, auch nicht durch müßiges Geschwätz ... den Namen des Herrn nicht missbrauchen ... keiner unanständigen, derben Ausdrucksweise bedienen. Wir dürfen uns nicht gegen die erwählten des Herrn  auflehnen oder Kritik an ihnen üben. (Lehren, die grösste Berufung, ebd., S. 13, meine Herv.)

In diesem geschlossenen System kann es daher nur folgerichtig sein, dass bei den Mitgliedern, das "Zeugnis immer stärker wird, wenn sie oft Zeugnis geben" (ebd., S.44). McConkie handelte also lediglich entsprechend seiner eigenen Überzeugungen, wenn er 1980 in einem Brief, an einen "HLT Intelektuellen", bemerkte, "Es ist mein Aufgabenbereich der Kirche zu lehren, was die Lehre ist. Es ist ihr Aufgabenbereich zu wiederholen (engl. to echo) was ich sage, oder zu schweigen." (in: Buerger, David J., Speaking with Auhority. The Theological Influence of Elder Bruce R. McConkie, in: Sunstone, Nr. 10:3, 1985, S. 12)

Mormonismus pur.

2) Mormonen verstehen einen Grundsatz des alltäglichen Lebens nicht: Verträge, Zusagen, Eide etc. werden zwischen zwei "Vertragspartnern" gemacht. Stellt sich heraus, daß ein Vertragspartner die Unwahrheit gesagt hat, falsche Zusagen, falsche Angaben gemachte hat, getäuscht hat etc., so hat der andere Vertragspartner nicht nur das Recht, sondern sogar die Pflicht den ursrpünglichen "Vertrag" zu wandeln, anzufechten etc. Wer sich näher mit dem Mormonismus beschäftigt, in ernsthafter und offener Weise, lernt schnell mehr über die Täuschungen, Fälschungen etc. der Kirche und deren Führer. Hier von Verrat etc. zu sprechen ist schlichtweg unmoralisch und die Tatsachen verdrehend.

3) Der Mormone muß aufgrund seines Weltbildes und Glaubenswelt immer in Gut und Böse Kategorien denken ... und fühlen!: Von jeher, bis in die heutigen Tage ist wer "intelligent" ist und "nicht anerkennt", ein "Widersetzer":

>Jede intelligente Person unter den Himmeln, die nicht anerkennt, dass Joseph Smith jr. ein Prophet Gottes ist, nachdem sie informiert wurde, befindet sich in Dunkelheit und widersetzt sich uns, Jesus und seinem Königreich auf Erden. (Brigham Young, Journal of Discourses, hiernach JD, Bd. 8, Liverpool 1861, S. 223)

Wer Joseph Smith in seiner prophetischen Berufung nicht gänzlich anerkennt, wird dann schlussendlich von seinem Nachfolger im Amte des Propheten, Sehers und Offenbarers, Brigham Young, als "Anti-Christ" gebrandmarkt:

>Diese Generation jedoch ist nicht ohne eine Möglichkeit des Testens. Über dreißig Jahre habe ich gelehrt, und lehre es noch, dass derjenige, der in seinem Herzen glaubt, und mit seinem Mund bekennt, dass Jesus der Christus ist, und Joseph Smith sein Prophet für diese Generation ist, ist von Gott; und derjenige, der nicht bekennt, dass Jesus im Fleische gekommen ist und Joseph Smith mit der Fülle des Evangeliums für diese Generation geschickt hat, ist nicht von Gott, sondern der Anti-Christ. (JD, Bd. 9, Liverpool 1862, S. 312)

Dallin H. Oaks, Mitglied des zweithöchsten Gremiums der Kirche, dem "Rat der Zwölf," und damit im Amte eines "Apostels", beschreibt den obigen Vorgang mit erstaunlicher Offenheit wenn er sagte:

>Unsere individuellen, persönlichen Zeugnisse basieren auf dem Zeugnis des Geistes, nicht auf einer Kombination oder Ansammlung von historischen Fakten. Wenn wir auf solchen Boden stehen kann keine Veränderung von historischen Fakten unsere Zeugnisse erschüttern. (CES Doctrine and Covenants Symposium 1985, Brigham Young University, Provo, 16. Aug. 1985, S. 26, meinen Herv.)

Noch deutlicher die folgende Aussage von Apostel Boyd K. Packer, derzeit "Präsident des Rates der Zwölf" (Stand 27.12.00), mit guten Chancen, Präsident der Gesamtkirche zu werden:

>In der Kirche sind wir nicht neutral. Wir sind einseitig. Es herrscht ein Krieg und wir sind darin beteiligt. (Boyd K. Packer, The Mantle is Far, Far Greater Than The Intellect, Brigham Young University Studies, Summer 1981, Bd. 21:3, S. 267)

So einfach ist das. So einfach der mormonische Mikrokosmos.

4) Selbst wer historische Grundkenntniss hat, weiß wie absurd Kimballs Thesen sind. Ein Beispiel nur, schreibt er doch:

>Was könnte verächtlicher sein als ein Verräter an ... einem Staat oder einer Sache?

Kimball konnte diese Zeilen garnicht schreiben, hätten seine britischen Vorfahren nicht "Verrat" an der britischen Krone geübt (aus sich von King George natürlich, aber auch vieler (!) "Amerikaner", die der Krone nachwievor treu ergeben waren. Kimball und die Mormonen sind Nutznießer britischer Verräter! So, wenn ich seinen Worten folge. Nun wäre ich fast geneigt, als geborener, erzogener und patriotischer Brite, Kimball zu folgen ... "Nieder mit den Rebellen! Aber der Kampf ist nun schon längst gekämpft. Und der Widerstand im Dritten Reich, insbesondere derjenigen, die auf den "Führer" einen Eid geleistet haben, ob freiwillig oder genötigt, sind nach Kimballs Logik ebenfalls Verräter.

5) Schreibt Kimball noch:

>Der Verräter handelt hinterlistig, im Finstern.

So "hinterlistig" und "im Finstern", daß selbst Mormonen in den finsteren Windungen und Labyrinthen des Internets abtauchen und in diesem oder anderen Foren auftauchen. Doch nicht so "im Finstern?"

Jeder weitere Kommentar erübrigt sich und wäre reine Zeitverschwendung.

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