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Beitrag 22 von 30
zum Thema Reportage über Mormonen bei ZDF.reporter
Seite erstellt am 25.4.24 um 3:33 Uhr
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der Beitrag:
Verfasser: James
Datum: Donnerstag, den 21. Juni 2001, um 15:18 Uhr
Betrifft: Junge Missionare

Burkard scrhieb u.a. (über die Missionare):

>... mit 20 Jahresaltern und wenigen Wochen Ausbildung und in der Regel im Aufwachsen des Mormonentums eingebunden und dadurch das Verbot des Nachdenkens (Nachforschens der -wirklichen- Mormonen-Kirchen-Geschichte, usw) vermittelt bekommen.). Sie haben, (Ausnahmen bestätigen die Regel) keine Möglichkeit ihr Sein zu bekucken.

Sorry, Burkard. Sehe ich anders. Die Tatsache, daß es wenige gibt, die "ihr Sein bekucken! (sic), ist Beleg genug, daß es eine "Möglichkeit" gibt. Nicht jeder (!) junge Mormone wird zum linientreuen Missionar. Dies berührt das alte Thema, was nicht nur mit Mormonismus zu tun hat, der eigenen Verantwortung. Es reicht eben nicht nur den "Befehl" erhalten zu haben. Ich selbst denke, daß mit dem Argument zu kommen, die sie, ich, wer auch immer "hat keine Möglichkeit" gehabt, ist ein schlichter Affront gegen die, die doch ihre Möglichkeit genutzt haben! Wir reden i.d.R. immer von einer Minderheit. Von Gruppendruck, Angst, pure Angst vor dem Abgesondertsein, Alleinsein etc. Manchmal bin ich fast geneigt gerade bei den Mormonen einen noch höheren Maßstab anzulegen, denn ... sie selbst (!) sind es doch, die immer wieder von freier Entscheidung u.ä. fasseln (und wie wir wissen, in aller Regel was ihrer eigene Schrift und/oder Kirchenführer dazu reden, keinen blassen Schimmer haben); sie sind es, die davon reden, und lehren (!!!), daß der Mensch mit 8 Jahren seine eigenen bewußte Entscheidung (Verantwortlichkeit) fällen kann, siehe Taufbündnis! Jeder Mormone, jeder Mensch hat die Möglichkeit sich aus seinem System zu lösen. Nur entscheiden sich viele dagegen. Jede Nation hat ihre Beispiele dafür. Ihre Geschichte. Die jüngste deutsche Geschichte ist voll davon. Ich erinnere nur an den jungen Mormonen (sogar im Missionarsvoralter!) Helmuth Hübener, der es schaffte mit seinen Freunden alle Angst zu überwinden und gegen die Nazis zu opponieren.

>Meiner Meinung nach sollte es für Dich nicht wirklich eine Überaschung sein, was in diesem Chat abgelaufen ist.

Denke StellA, die ja selbst Missionarin war, kurz danach Exmo wurde, weiß gerade in diesem Punkt wovon sie redet. Natürlich war sie nicht überrascht über den Ablauf und Verlauf des Chats. Wer Mission erlebt hat, kennt die Mechanismen. Der ZDF Beitrag hat es ja auch wunderbar aufgezeigt. Der typische Durchschnittsmissionar überrascht nicht. Jedenfalls so manche hier nicht. Meine Frau und ich erleben es oft genug, daß wir sie sehen und treffen. I.a.R. vor sich hinschlurfen. Man kann immer so schön erkennen wer der Senior und wer der Junior ist. Meine Frau sagt immer wieder, und ich muß ihr immer wieder zustimmen: Sie können einem Leid tun. Ich sag immer zu mir selbst: Was für eine Zeitverschwendung. Veschwendung an Ressourcen und Talenten. Denke man muß nicht über die Missis sich wundern. Einer ihrer Führer, Joseph Fielding Smith hat es wunderbar auf den Punkt gebracht:

"Der Missionar der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage ist ein modernes Wunder (Zugegeben, wenn ich Missis sehe, dann geht mir diese "Wunder" durch Kopf und ich muß grinsen. Deshalb habe ich immer ein Lächeln im Gesicht wenn ich einen begegne! mein Zusatz). ... Wir berufen unsere jungen Männer und Frauen am Anfang, eigentlich, ihres Lebens, ... Wir schicken sie untrainiert in die Welt, ... Sie sind, was Bildung und Wissen betrifft, unvorbereitet. Die meisten von ihnen haben niemals das Buch Mormon gelesen, ein großer Teil von ihnen, wenn nicht sogar der größte Teil, haben nie das Neue Testament gelesen. Sie sind mit den Offenbarungen in den Lehren und Bündnissen nicht vertraut. Ich finde dies heraus wenn ich sie interviewe. Aber sie haben eine Sache, die die Welt nicht hat, und nicht haben kann, und das ist ein Zeugnis und die Entschlossenheit ins Feld zu gehen, so unvorbereitet sie auch sind, und verbringen zwei oder vielleicht mehr Jahre damit, von der Wiederherstellung des Evangeliums Zeugnis zu geben, die Schriften auslegend, während sie diese erlernen." (Joseph Fielding Smith, Improvement Era, Okt. 1961, S. 716)

Bingo kann ich nur sagen. Das Ding muß man sich auf der Zunge zergehen lassen! Nun denke ich, daß die Kirche mittlerweile etwas "professioneller" Ihre "Seelenfänger" ins Feld schickt. Gerade der Bericht hat es gezeigt. Nicht umsonst werden ein Großteil der Missionare ja eben zwei Monate in den Trainingszentren kaserniert. Nur ... und das ist mal wieder der Gipfel der Arroganz, der typische Blickwinkel des mormonischen Mikrokosmos, zu sagen:

"Aber sie haben eine Sache, die die Welt nicht hat, und nicht haben kann, und das ist ein Zeugnis und die Entschlossenheit ins Feld zu gehen ...

Fast unglaublich. Selbst hier versucht Fielding Smith "Zeugnis" und "Entschlossenheit" zu vereinnahmen. Wir erinnern uns, Fielding Smith ist selbiger der ernsthaft behauptet und lehrt, daß die Mormonen "das beste Volk der Welt" sei. Nicht um "zu prahlen", sondern als "Tatsache." Und auch auf die Gefahr hin, daß wieder die Hölle losbricht, diese Art von Zeugnis, Zeugnis über ihre frohe errettende Botschaft und ihrer Propheten und Führer, Entschlossenheit, beste-Volk-der-Welt-Denken, alles als Tatsache, ist nicht eigentümlich für Mormonen, nicht eine Sache die die Welt nicht (!) haben kann. Es ist eine Sache die die Welt oft genug hervorgebracht hat und wird. Sie ist Ausdruck des Fanatismus. Vor rund 60 Jahren hat die Elite der Welt, voller Zeugnis und Entschlossenheit fast ganz Europa überrannt. Und ab 1943,44 hat man die zweite Garnitur voller "Entschlossenheit ins Feld" geschickt. 17, 18-jährige durften voller Begeisterung in schwarzer SS-Uniform in Feld ziehen. Die Begeisterung war i.d.R. schnell verfolgen wenn das erste Blut floß. Trotzdem haben sie Blut und Terror verbreitet.

>Was ich aber nach wie vor nicht akzeptiere ist, sich auf kosten von Menschen, die (in der Regel) nicht wissen, worum es geht, mich lustig (vielleicht besser; hämisch) auszudrücken. Ich achte Menschen, die für etwas Einstehen, sich mit ihrer "Überzeugung" mitteilen.

Ich denke man muß da differenzieren. Ich habe z.B. keine Achtung vor dem IRA-Überzeugten der mittels Terror seine "Überzeugung" mitteilen will. Da trage ich eher lieber dazu bei ihn zur Strecke zu bringen. Egal wie. Ich habe sehr wohl Achtung und Respekt vor dem Sinn Fein Anhänger der dafür ist, das die Briten aus ganz Irland verschwinden und dies politisch aktiv kundtut. Nur mal als Beispiel, daß mir Deine Aussage in diesem Punkt zu pauschal ist.

Ich habe Respekt vor dem Menschen als solchen, seinem Recht zu glauben und zu reden was er will. Wie ich immer wieder sage: Wenn jemand den Kopf einer Sardine anbeten will, dann soll er das. Nicht respektieren tue ich ihn und seine Meinung, in dem Moment, wenn er mir, oder anderen Menschen verkündet, es gäbe nur eine alleinseligmachende Sardine (ersetzbar durch was auch immer), und wer nicht an die Sardine glaubt sei unehrlich, ein Sünder etc. (übrigens, auch nicht gerade ein Zeichen von Respekt). Das heißt nicht, daß ich mit dem Sardinengläubigen nicht rede! Ganz im Gegenteil! Und ich denke in der Kommunikation zu bleiben, nicht auszugrenzen, nicht als Ausweg den anderen persönlich zu beleidigen, aber trotzdem hart in der Sache zu sein ... das ist Respekt. Auch wenn der andere es in dem Moment nicht unbedingt so sieht.

Grüße, James

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