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Beitrag 59 von 61
zum Thema Budget
Seite erstellt am 25.4.24 um 2:33 Uhr
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der Beitrag:
Verfasser: James
Datum: Mittwoch, den 13. Juni 2001, um 4:01 Uhr
Betrifft: Vegasinfo für "Peter"

Extra für "Peter". Um Deinen Wissensdurst zu stillen, oder um Dich auf weitere Fragen zu bringen:

"Willi Winkler schreibt über ein eben in den USA erschienenes Buch, das die Geburt von Las Vegas aus dem Kalkül der Mafia schildert: "Money and the Power. The Making of Las Vegas and its Hold on America, 1947- 2000" von Sally Denton und Roger Morris. Auch heute ist Las Vegas "ein florierendes Wirtschaftsunternehmen. Dort wird mehr Drogengeld als je zuvor gewaschen, und besonders eifrig dabei ist die größte Bank des Landes, die den Mormonen des Nachbarstaates gehört. Den Mormonen, das nur nebenbei, sind Glücksspiel ebenso wie Alkohol und alle weiteren Drogen untersagt. Aber so funktioniert schließlich die Welt, und deshalb ist das verruchte Las Vegas auch ein Disneyland für Erwachsene."

http://www.zeit.de/2001/24/Kultur/2001224_kulturbrief_0612.html

"Das längste Spiel

Als die Mafia sich den Präsidenten kaufte: Ein neues Buch über den dunklen Mythos von Las Vegas

Das Hotel „The Venetian“ ist so frech, dass der eingebildete Europäer nur starr schweigen kann. Das ist zweifellos Venedig, aber das kann doch gar nicht sein: Markusplatz, Campanile, Seufzerbrücke, die Kanäle, die Gondeln, alles ist da. Und alles so schön bunt. Die Deckengemälde allerdings in schreienden Tapetenfarben, aber ist das da nicht Dante? Vergil? Raffael? „Tintoretto“ heißt die Bäckerei, Mona Lisa, Ideal-Venedigerin auch sie, wirbt für das Eis von Häägen-Dasz, der Gondoliere singt durch den Lautsprecher, wenn er einen für zehn Dollar einmal vor und zurück durch die Fußgängerzone schaukelt. Alles so schön alt hier: Selbst die Brüche im als Marmor gemeinten Maßwerk sind fabrikmäßig geprägt. Der Boden ist sogar noch besser, aus durablem Hartgummi. Der Himmel drüber immer bayrisch weiß und blau und zugedacht, denn das Wetter soll die italienische Stimmung niemals stören dürfen.

Venedig ist vollkommen nur in Las Vegas. Das echte, das alte Venedig im noch älteren Italien verblasst da schnell. Und haben sie hier nicht an alles gedacht? Die sonst so alpine Rialtobrücke lässt sich hier mühelos mit einem berg- und dann talwärts laufenden Förderband bewältigen. Die hiesigen Italiener sind Amerikaner, sprechen alle Englisch und würden nie wagen, hinter dem Rücken der Touristen zu spotten. Die Preise stehen in echten Dollars auf der Speisekarte. Kein Handtaschenräuber weit und breit, kein lästiger Andenkenverkäufer. Nicht einmal der Kulturkritiker und berufsmäßige Desillusionist kann meckern: Die Aussicht nach hinten auf Baustelle und Parkhaus ist ein eigenes Meisterwerk. Nur bei den Gondeln haben sich die Kopisten ein ganz klein wenig verhauen, denn die sind nach den Beerdigungskähnen gemodelt.

Aber das ist so ein typisch mitteleuropäischer Einwand. Schon aus der Luft ist Las Vegas eine perfekte Stadt, rasiermesserscharf aus der Wüste herausgeschnitten und säuberlich in Viertel gebacken. Als wäre es von einem größenwahnsinnigen Architekten entworfen und einem neuen Sonnenkönig vor die Füße gebreitet, das, wie der Reporter Tom Wolfe vor vier Jahrzehnten meinte, „Versailles Amerikas“. Dabei war es ein richtiger Gangster, der das moderne Las Vegas erfunden hat, weil sich in dieser Einöde mit der Sünde Geld verdienen ließ: mit Glücksspiel, Alkohol, Mädchen oder – heute – mit dem Rauchen in aller Öffentlichkeit.

Milliarden werden in diesem Illusionstheater jährlich umgesetzt. Längst kommen nicht mehr bloß rüstige, violetthaarige ältere Damen, die hier lang nach Mitternacht, die eine Hand um einen Styroporbecher mit Vierteldollarmünzen geklammert, die andere an den einarmigen Banditen geschweißt, ihre Rente verspielen. Die amerikanische Buchhändlervereinigung tagt hier und eigentlich jeder Verein, der nicht eindeutig kirchlich organisiert ist, denn Las Vegas ist notfalls familienfreundlichste Unterhaltung. Steve Martin stellt hier seine nicht ganz unbedeutende Kunstsammlung aus, die Zauberer und Schnulziers zaubern und schnulzen und tanzen und spielen für die jährlich Abermillionen Besucher. Las Vegas ist ein Zufluchtsort der Infantilgesellschaft, also einfach schön.

Nur die beiden Journalisten Sally Denton und Roger Morris sind Spielverderber. Mit biblischem Zorn beten sie in ihrem Buch „The Money and the Power. The Making of Las Vegas and its Hold on America, 1947- 2000“ (New York: Knopf 2001. 480 Seiten. 26,95 Dollar) das kurze und lange Sündenregister von Las Vegas herunter: Verbrechen und Geld, Geld und Verbrechen. Las Vegas und mit ihm die gesamten USA fest im Würgegriff einer besonderen Triade: das Kapital, die Politik und die Gangsterei. Das ist nicht ganz neu, aber nie so plausibel zusammengetragen und auch noch belegt worden. Las Vegas ist Amerika, und zwar genauso, wie es Francis Ford Coppola in seinen drei „Paten“ geschildert hat.

Voller Ingrimm und schwer belastet mit einem historischen Auftrag betrachten Sally Denton und Roger Morris ihr Buch als einen „Stein von Rosetta, um die entscheidenden, aber noch immer verschütteten oder chiffrierten Kapitel unserer nationalen Vergangenheit zu entziffern“. Na ja. Die Vergangenheit, die nicht vergehen will: Mit Hilfe des FBI war die Mafia erfolgreich durch den Zweiten Weltkrieg gekommen und wollte als vorausschauendes Wirtschaftsunternehmen investieren und expandieren. Der Alkoholschmuggler Meyer Lansky hatte die Idee, an einer Kreuzung in der Wüste von Nevada ein luxuriöses Casino für Soldaten und Touristen einzurichten. Nevada besaß wenig Bodenschätze, so gut wie keinerlei natürliche Reize und kam sich schon wie von aller Welt vergessen vor. Die im Nachbarstaat Utah hatten wenigstens ihren mormonischen Gott, und auf der anderen Seite grünte und blühte Kalifornien bis zum pazifischen Ozean hin. Gegen selbstverständlich hochmoralische Bedenken wurde deshalb in Nevada das Glücksspiel erlaubt und dann, um der heimischen Hotellerie auch noch auf die Beine zu helfen, die Ehescheidung nach kurzer Verweildauer im Staat gestattet. So kam Las Vegas ins Geschäft.

Amerikanisches Roulette

Bugsy Siegel errichtete das „Flamingo“, das erste Casino. Er scheiterte mit seinem Unternehmen im großen Stil, wurde möglicherweise auch deswegen erschossen, aber der Strip, dieser eigentliche Broadway Amerikas, streckte sich trotzdem immer länger. Die Gangster investierten weiter, die Entstehungskosten amortisierten sich, die Renditen wuchsen, und Amerika veränderte sich. Weil sie sich weigerte, wie die anderen Schwarzen im Ghetto zu übernachten, erkämpfte sich die Sängerin Lena Horne 1947 ein Hotelbett am Strip. Die Zimmermädchen allerdings erhielten Anweisung, die Bettwäsche jeden Morgen zu verbrennen. Die organisierte Kriminalität, so die einleuchtende These der beiden Autoren, sorgte dafür, dass die Rassenschranken irgendwann doch fielen. „Die Einnahmen aus dem Geschäft mit Drogen und Glücksspiel kamen aus dem ganzen Land und finanzierten, bereicherten und verstärkten einen gesellschaftlichen Querschnitt, der so vielgestaltig war wie die Wirtschaft, die Politik und die Gesellschaft überhaupt.“

Geld, und sei es illegal, macht den Weg frei. Seit Dwight Eisenhower konnte ohne gute Verbindungen nach Las Vegas niemand mehr Präsident werden. Schönstes Muster dafür ist immer noch die Familie Kennedy. Der Vater Joseph, selber einst Alkoholschmuggler und entsprechend vermögend, später Filmproduzent und Botschafter am englischen Hof, tritt hier als „Gangster aus der Oberwelt“ auf. Die Laufbahn seines Zweitgeborenen „verlief parallel zum Aufstieg der Stadt“. Joe Kennedy durfte auf die Beihilfe seiner Gangsterfreunde vertrauen, und aus Las Vegas kamen bis dahin unerhörte 15 Millionen Dollar Wahlkampfhilfe. Zumindest an der Wahl im Bereich Chicago war so aufwändig gedreht worden wie sonst am Rad beim Roulette. John F. Kennedy siegte 1960 denn auch über Richard Nixon, der sich zu spät der Unterstützung eines Milliardärs versichert hatte, dem später ein großer Teil der großen Casinos in Las Vegas gehören sollte: Howard Hughes. Auf die Frage, warum er nur so knapp gewonnen habe, antwortete Kennedy: „Weil sich mein Vater keinen Erdrutschsieg leisten konnte.“ Oder wie es Denton und Morris formulieren: „Am Ende hatte der Strip das Weiße Haus gekauft, als handle es sich um ein Spielcasino.“ Das war nicht ganz falsch, hatte doch die Mafia eben ihre Casinos an die kubanischen Revolutionäre um Fidel Castro verloren. Meyer Lansky setzte eine Million Dollar auf dessen Kopf aus, und brav unterstützte der neugewählte Präsident dann die Invasion in der Schweinebucht.

Las Vegas hat selbst dieses Fiasko überlebt und ist heute ein florierendes Wirtschaftsunternehmen. Dort wird mehr Drogengeld als je zuvor gewaschen, und besonders eifrig dabei ist die größte Bank des Landes, die den Mormonen des Nachbarstaates gehört. Den Mormonen, das nur nebenbei, sind Glücksspiel ebenso wie Alkohol und alle weiteren Drogen untersagt. Aber so funktioniert schließlich die Welt, und deshalb ist das verruchte Las Vegas auch ein Disneyland für Erwachsene. Die Autoren unken vom „Schicksal“ der Stadt und dem eisernen „Griff krimineller Vereinigungen und dann einer Tyrannei der Konzerne“, aber wüsste das der gewöhnliche Mitteleuropäer nicht längst aus seinem Grundkurs Marxismus? Bebend vor Empörung weisen sie (zu Recht) darauf hin, dass Politik Verbrechen ist, und verderben sich dann doch wieder fast alles, wenn sie dunkel von lasveganischen Verstrickungen um Lee Harvey Oswald, Jack Ruby und Jack Kennedy raunen.

Es sind dann wie immer die Anekdoten, die das Buch retten: Wie die Gangster Bürgerbegehren gegen das Glücksspiel unterstützten, soweit sie in anderen Bundesstaaten stattfanden; in Nevada sollten die Würfel möglichst exklusiv rollen dürfen. Oder jene über den Mimen Ronald Reagan, der sich, als seine Schauspielerlaufbahn dem Ende entgegen trudelte, mit 42 Jahren als Witze- Erzähler in Las Vegas versuchte und kläglich scheiterte. Seiner Frau schwor er, sich „nie wieder so billig zu verkaufen“. Dann ging er in die Politik. Zuletzt meldete sich Bill Clinton als Spendensammler im fast schon ehrbar gewordenen Las Vegas. Er forderte die Gäste eines Galadiners auf, reichlich für die Demokraten zu spenden, „damit Sie Ihren republikanischen Lebensstil beibehalten können“.

Henry Miller nannte die USA nach seiner Rückkehr aus Europa den „klimatisierten Albtraum“, aber war der nicht auch bloß ein neidischer Fremder? Jedenfalls kannte er das moderne Las Vegas nicht. Die Stadt in der Wüste ist heute eine Ideal-Landschaft, wie sie das 18. Jahrhundert mit seinen angestrengten Klassik-Zitaten, mit Schäferszenen und lebenden Bildern zu suggerieren versuchte. Las Vegas ist perfektes Rokoko im Einundzwanzigsten Jahrhundert. Hier wird wahr, was bereits Oscar Wilde schwante: „Life imitates art“.

Der Besucher streift durch Paris, den Dschungel, Bayern, die Südsee und – am schönsten – durch das gute, alte Venedig, und er bleibt doch in Las Vegas. Nur die regelmäßige Ãœberschwemmung des Markusplatzes fehlt noch. Aber sie arbeiten dran. Las Vegas darf nicht untergehen.

WILLI WINKLER"

http://www.sueddeutsche.de/aktuell/sz/artikel50470.php

"The Money and the Power
The Making of Las Vegas and Its Hold on America, 1947-2000
Sally Denton and Roger Morris
April 2001, $26.95

ABOUT THIS BOOK

The shadowy past and present of Las Vegas—and its role in the shaping of today’s America—are here revealed as never before by two of the country’s leading investigative reporters. After five years of intensive research and interviewing, Sally Denton and Roger Morris make clear how and why Las Vegas became the greatest "business success story" of the twentieth century, and how the rest of America ensured this success by contributing capital as well as customers.

Headquarters of a trillion-dollar worldwide empire, the site of unprecedented political and economic power, Las Vegas, in the view of Denton and Morris, is by no means an aberrant sin city. They demonstrate how, on the contrary, it has grown out of, and reflects, a corruption and a worship of money that have crept into American life since Prohibition.

They trace the original funds for the founding of the Las Vegas we know today to nationwide narcotics trafficking. They show how deeply a multiethnic criminal syndicate, in part feeding off gambling profits and the skim in Las Vegas, came to influence American politics and the larger society, and how pervasively its "style of business" has penetrated the entire nation.

Denton and Morris detail the amazing rise and reach of Meyer Lansky—the mind that ran the city; exactly how criminals, politicians, and businessmen worked together to control Las Vegas; the curious interplay of the city with the fates of Joseph, John F., and Robert Kennedy; how Howard Hughes and J. Edgar Hoover vastly intensified the city’s corruption; how Mormon bankers and Wall Street financiers have bankrolled and profited from casinos ruled by organized crime; how a handful of dedicated journalists and law enforcement officers were destroyed before they could expose the city’s secrets.

The Money and the Power is a detailed and illuminating chronicle of an extraordinary place and time—
and a provocative reinterpretation of twentieth-century American history.

"What a good book this is. From the pioneering Mormons to the racketeering Mob, this book is a terrific read, an investigative biography and secret history of America’s most surreal and wired city. With characters like Bugsy Siegel and Benny Binion, The Money and the Power is proof-positive that Las Vegas is not only stranger than fiction: it’s scarier."
--Jim Hougan, author of Secret Agenda:
Watergate, Deep Throat and the CIA

AUTHOR BIOGRAPHY

Sally Denton, an award-winning investigative reporter in both print and television, has written for the New York Times, the Washington Post, and the Chicago Tribune. She is the author of The Bluegrass Conspiracy: An Inside Story of Power, Greed, Drugs, and Murder. She lives in the Southwest with her husband, who is her coauthor, and her three sons. Roger Morris served on the senior staff of the National Security Council under Presidents Johnson and Nixon, until he resigned over the invasion of Cambodia. He has won several national journalism prizes, including the Investigative Reporters and Editors Award for the finest investigative journalism in all media nationwide. He is the author of several books on history and politics, including Richard Milhous Nixon: The Rise of an American Politician, which was short-listed for both a National Book Award and a National Book Critics Circle award.

http://www.randomhouse.com/knopf/catalog/display.pperl?isbn=037540130X

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