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Seite erstellt am 24.4.24 um 19:14 Uhr
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Verfasser: Misery
Datum: Freitag, den 23. Januar 2009, um 2:02 Uhr
Betrifft: Kommentare

> Ich habe sie immer angenommen, weil ich weiß, dass es Gottes Wille ist und die Lehre der Kirche ist hier ganz klar: Familie geht vor Berufung!

Es sei dahingestellt, ob dies denn Gottes Wille ist. In erster Linie ist es der Wille der Kirchenführer, dass du ohne Entlohnung Aufgaben im Netzwerk übernimmst. Ich habe es auch noch nie erlebt, dass Jemand tatsächlich eine Berufung abgelehnt hat, immerhin werden ja reichlich Segnungen dabei versprochen. Wie sehen die denn aus? Dass eine Mutter nach berufung als Leiterin der FHV keine Zeit mehr für ihre Familie hat?
Stell dir mal vor, du wirst zum Gemeindesekretär berufen, eine Aufgabe mit vielen Verpflichtungen. Du bist aber verheiratet und hast Kinder um die du dich neben deinem Job auch noch zu kümmern hast. Also überlegst du tatsächlich was du tun sollst. Schließlich wirst du die Berufung dennoch annehmen, obwohl du weisst, dass du dafür eigentlich keine Zeit hast, weil dir ja Segnungen versprochen werden, und dein Gefühl dir sagt "Nimm die Berufung an, sonst fühlst du dich schlecht!". Wer hat schon den Mut tatsächlich hinzugehen und die Schmach auf sich zu nehmen, etwas für Gott (für die Kirche) nicht zu tun.

> Ich habe schon echte kleine Wunder mit dem Zehnten erlebt und das Halten der Gebote hat mir sehr viele Segnungen eingebracht.

Kannst du das mal genauer Definieren? Welche Ereignisse interpretierst du denn als Segnungen, bzw. als Belohnungen für dein Zehntenzahlen? Warscheinlich ist es das ganz Alltägliche, was wir hier alle kennen und früher genau wie du als Segnungen angesehen haben.

> Wo siehst Du denn den Zwang in der Kirche betreffs Halten der Gebote, Zehnten zahlen und Besuchen der Versammlungen?

Man muss kein Psychoanalytiker sein um zu wissen, dass eine religiöse Gemeinschaft auf den Einzelnen Druck ausübt, in welcher Form auch immer. Gehst du tatsächlich mal einen Sonntag nicht zur Kirche, wirst du mit Fragen bombardiert "Warum warst du nich da?". Bei mir waren es auch Telefonanrufe von Mitgliedern, die sich mit mir verabreden wollten, um mich nicht aus der Herde zu verlieren. Das nennt man Gruppendynamik. Der Einzelne ist eben Teil der Gemeinschaft und wird umsorgt, sobald festgestellt wird, dass derjenige vielleicht die Gruppe verlassen könnte. Und das ist Druck, psychischer Stress wie auch immer du das nennen willst. In religiösen Gruppen noch viel ausgeprägter.
Was den Zehnten angeht, das ist leicht zu beantworten. Du wirst ja gleichsam Bestraft wenn du nicht zahlst. Somit wird dir der Zutritt in den Tempel, also die Nähe Gottes, verwehrt. Als Treuglaubendes Mitglied möchtest du das ja nicht. Außerdem wie würdest du das deinen Freunden und deiner Familie erzählen, dass du nicht mit ihnen in den Tempel gehen kannst weil du nicht gezahlt hast? Die siehst, es ist nicht alles so freiwillig wie es scheint. Ganz alte psychologische Mechanismen werden als Werkzeuge benutzt, wie sie schon immer in Kirchen und Religionen benutzt wurden.
Das Einhalten der Gebote ergibt sich von selbst. Du fühlst dich ja unglaublich schlecht wenn du etwas verbotenes tust. Somit vermeidest du automatisch dieses miese Gefühl und hälst dich somit zwangsweise an die Regeln. Wer will sich schon schlecht fühlen.

> Wenn ich das nicht wollte, würde ich es einfach lassen.

Das tust du aber nicht, weil du dich eben nicht schlecht fühlen willst. In deinem eingeschränktem Blickfeld ist kein Platz mehr die Dinge Neutral zu betrachten. Es gibt nur Gut und Böse, Schwarz und Weiß. Somit ist ein wechsel von Weiß in Schwarz eher unwarscheinlich. Das Mittel ist, zu versuchen, objektiver zu sein.

> Wenn ich nicht zu den Versammlungen gehen will, bleibe ich zuhause, aber ich habe dann zu Recht ein schlechtes Gewissen und versuche, das nächste Mal mich aufzuraffen morgens.

Das ist nur erlich, und genau das, was ich dir oben versucht habe zu erklären. Deswegen stehst du morgens auf und gehst hin, um diesem schlechten Gewissen was du sonst haben würdest zu entfliehen. Tag für Tag. Und das macht dir Spass?

> Ich sehe hier definitv keinen Zwang oder eine irgendwie geartete Unfreiwilligkeit! Aber ich sehe natürlich eine Erwartungshaltung von Gott an mich-und dazu habe ich mich gerne entschieden.

Erwartungshaltung, Zwang. Wortklaubelei. Es kommt das gleiche bei raus.
Ein Beispiel. Wenn ich mir eine Zigarette ansehe und überlege ob ich sie rauchen soll oder nicht, dann wege ich objektiv ab. Es schadet meiner Gesundheit, es schadet meinem Körper, es macht Abhängig. Und doch reizt es mich es mal zu probieren. Ich kann freiwillig entscheiden was ich will, ob ich sie rauche oder nicht.
Du siehst dir die Zigarette an, und denkst dir, es ist Teufelswerk um die Menschen zu verführen. Es ist für dich Schlecht und unrein, und es kommt nicht in Frage sie zu rauchen, immerhin verstößt es gegen die Gebote. Du betrachtest die Zigarette und übernimmst die Ansichten der Kirche, anstatt dir selbst eine Meinung (oder Erfahrung) zu bilden. Die Meinung der Kirche ist deine. Alle Erwartungen die in dich gesteckt werden müsstest du enttäuschen wenn du nur einmal deine eigene Entscheidung triffst.

> Es sind meine eigenen Ansichten, ob schon aus der Kirche bekannt oder nicht. Natürlich übernehme ich vernünftige Lehrsätze der Kirche und wende sie in meinem Leben an und rede darüber. Ist doch klar. Wozu ist Lehre da, wenn man sie nicht anwendet? 

Eben. Jetzt sind es auch deine Ansichten, nachdem du sie von der Kirche assimiliert hast. Warum eigenständig sein, wenn man auch abhängig sein kann? Ist doch viel einfacher.

> Woher willst Du denn wissen, dass mich diese Schriftstelle mächtig unter Druck setzt?

Weil wir auch Erfahrungen haben. Und wir haben mal gar nicht so anders geredet wie du.

> Sie entlastet mich vielmehr.

So kann man es sich natürlich auch einreden.

^v^

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