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Verfasser: Gipfelstürmer
Datum: Dienstag, den 2. Dezember 2008, um 12:01 Uhr
Betrifft: Hetzen find ich auch nicht gut

Hallo supernova,

Hetze finde ich auch überhaupt nicht gut – eine sachliche Auseinandersetzung über theologische und historische Themen hingegen schon. Meiner Erfahrung nach entwickeln einige Menschen deswegen eine mehr oder weniger intensive Abneigung gegenüber der HLT-Kirche, weil sie irgendwann eine Diskrepanz zwischen Wirklichkeit und Anspruch wahrnehmen. Über viele heikle Themen haben sie im Seminar, im Institut oder in der Sonntagsschule kaum etwas erfahren. Wenn Ihnen dann hierüber Informationen in die Hände fallen, fühlen sie sich verraten. Das halte ich für ebenso bedauerlich wie verständlich. Deswegen fände ich es wichtig, wenn innerhalb und außerhalb dieser Religionsgemeinschaft ein intensiverer Dialog darüber stattfinden würde, was die HLT-Kirche ist – und was nicht.

Sie ist zum Beispiel keine Konfession, deren Gründer im Hinblick auf seine „Rechtschaffenheit“ (was auch immer darunter zu verstehen sein mag) gleich nach Jesus einzuordnen ist. Mir ist die Geschichte meiner eigenen Religion zwar deutlich lieber als die der römisch-katholischen Kirche. Ungeachtet dessen weist die Historie meiner Glaubensgemeinschaft einige Schattenseiten auf, über die man offen sprechen sollte. Die HLT-Kirche ist also alles andere als ein perfektes Gebilde mit einem stolzen Erbe an inspirierender Geschichte. Vieles an ihr kann man völlig zu recht kritisieren.

Demgegenüber handelt es sich bei ihr jedoch um eine Religion, die es ihren Mitgliedern heute aufgrund ihrer Organisationsstruktur sehr gut ermöglicht, christliche Werte umzusetzen. Man ist sehr nahe am Menschen dran und selbst als einfaches Mitglied und Heimlehrer aktiv an der Seelsorge für seine Glaubensgeschwister beteiligt. Man kann auch Leuten einen Segen geben und ihnen Trost spenden, die man nur flüchtig kennt. Solche Gelegenheiten bekommt man als konfessionsloser Mensch oder als Katholik bzw. Protestant im Allgemeinen viel seltener bzw. überhaupt nicht. Außerdem ist die HLT-Kirche eine Gemeinschaft, bei der die (aktive) Zugehörigkeit normalerweise mit einem relativ langen, gesunden und zufriedenen Leben einher geht. Während die Wertung geschichtlicher oder theologischer Aspekte meist sehr subjektiv ist, gibt es an dem eben genannten Argument kaum etwas zu deuteln. Wenn man einfach mal die wissenschaftlichen Studien in den Datenbanken MedLine oder BioMed Central zu diesem Thema überfliegt, findet man unter den vielen, vielen Untersuchungen praktisch keine Arbeit, nach der Mormonen früher, kränker und unglücklicher sterben als Durchschnittsmenschen – im Gegenteil. Und die ganze Sache ist verhältnismäßig objektiv: Man erhebt z. B. einfach die Sterblichkeitsrate unter Mitgliedern und unter vergleichbaren Nichtmitgliedern und stellt sie einander gegenüber. Und man kommt immer wieder zu Resultaten wie in der aktuellen Studie der University of California (www.scientificintegrityinstitute.org/prevmed2008lifestyle&mormonmortalityenstrom.pdf): „The active California Mormons examined in this study, particularly those in the ‘optimum’ subgroup with four basic lifestyle characteristics, had total death rates that are among the lowest ever reported for a cohort followed 25 years. Also, they had among the longest life expectancies yet reported in a well defined U.S. cohort” (S. 135).” Anekdotische Erfahrungswerte oder der Verweis auf vereinzelte, „unspezifische” und schwer interpretierbarer Befunde wie der erhöhte Konsum von Antidepressiva in Utah können die breite Datenbasis zum förderlichen Effekt einer Kirchenmitgliedschaft kaum in Frage stellen.

Damit will ich natürlich überhaupt nicht sagen, dass die positiven Aspekte wie die Gelegenheit zu dienen und die bessere Gesundheit zwangsläufig an die HLT-Kirche gebunden sind (auch Atheisten können „Nächstenliebe“ zeigen und aufgrund ihrer gesunden Lebensweise spät sterben – das ist überhaupt keine Frage). Die aktive Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft ist im Allgemeinen gesundheitsförderlich. Wer wissen will, wie lange er länger leben würde, wenn er ein regelmäßiger Besucher eines Gottesdienstes wäre, kann das mal im Gesundheitsportal von Focus Online „errechnen“ (www.focus.de/D/DG/DGA/DGAG/DGAG10_neu/dgag10_01.htm?oid=2399). Bei der HLT-Kirche kommt dieser positive Aspekt offenbar in noch stärkerem Maße zum Tragen wie bei den meisten anderen Konfessionen. Diese erfreulichen Nebenerscheinungen einer Mitgliedschaft sollen nicht von den unschönen Ereignissen in der Geschichte der HLT-Kirche ablenken. Wichtig ist es meiner Ansicht nach jedoch wie gesagt, dass man sich bei der Bewertung dieser Religion vor Augen führt, was sie ist: Sie ist eine Kirche, die wie alle anderen Glaubensgemeinschaften auch ein paar Leichen im Keller hat, die jedoch sehr viele Möglichkeiten zur Ausübung christlicher Nächstenliebe bietet und deren Mitglieder relativ lange, gesund und zufrieden leben. Gegen diese Religion kann man hetzen – vor dem Hintergrund des Gefühls, „betrogen“ worden zu sein, ist das auch verständlich. Zielführender wäre jedoch wie gesagt eine sachliche Auseinandersetzung. Die Chancen, dass sich in der HLT-Kirche notwendigen Veränderungen irgendwann vollziehen, erhöhen sich dadurch hoffentlich. Und für die Kritiker selbst wäre es auch besser, wenn sie diese Glaubensgemeinschaft in differenzierter und ausgewogener Weise bewerten würden anstatt zu „hetzen“. Denn die Katharsis-Hypothese, nach der man sich auf lange Sicht besser fühlt, wenn man seinem Ärger Luft macht und sich abreagiert, gilt als überholt. Man bekommt nur Bluthochdruck und verliert an Beziehungsfähigkeit. Das ist die Sache nicht wert.

Viele Grüße

Gipfelstürmer

P.S.: Ich habe gerade überflogen, welche Ausführungen in diesem Forum unter dem Beitrag von supernova veröffentlicht worden sind. Der Umgangston ist teilweise nicht mehr erträglich. Hoffentlich waren das einmalige Ausrutscher.

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