Das Exmo-Diskussionsforum

Beitrag 98 von 105 Beiträgen.
Seite erstellt am 23.4.24 um 12:43 Uhr
zur Nachrichtenliste
der Beitrag:
Verfasser: Nyu
Datum: Sonntag, den 12. Oktober 2008, um 1:32 Uhr
Betrifft: Woanders anhebeln

Ich habe in den letzten Tagen über einige Deiner Aussagen nachgedacht, Manfred.
> ein Yogi, ein Boddhisatva, ein Heiliger zu sein, kindlich demütig und doch weise.
Yogi, Boddhisatva.... okay - ich habe mich ja dazu entschieden, Christ sein zu wollen. Somit entscheide ich mich also für einen Weg und ein Gesicht, das Gott durch Christus anfassbarer macht. Gott welcher selber geistig und abstrakt sein kann wird durch Christus irdisch und konkret.

Machmer mal den Yogi:
In der Bhagavad Gita geschieht dies durch Khrisna. Arjuna fragt Khrisna im Bhakti Yoga:
"...aber manche verehren den unsichtbaren, gestaltlosen Gott, und andere verehren den sichtbaren, gestalthaften Gott. Welcher von diesen beiden Ansätzen fällt am leitesten? Welcher wird dein Herz stärker rühren?"
"Krishna antwortet: ich finde an beiden Pfaden Gefallen, (...) Verehrer der gestaltlosen Gottheit haben einen steileren Aufstieg. Einem in physischer Gesalt existierenden Menschen fällt es äusserst schwer, das Gestaltlose wirklich zu begreifen. Gewöhnliche Menschen identifizieren sich mit ihrem eigenen physischen Körper und müssen sich als gleichfalls in irgendeiner Art Körper existierend vorstellen. Um den gestaltlosen Gott innig lieben zu können, muss man vom Körperbewusstsein frei sein, und dieser Zustand ist nicht von vielen erreichbar."

Ich mag das. Gott ist grösser als es einer Religion mit Machtinteressen lieb sein kann.

Du zitierst mich hier:
> >finde, wie ich vorgehend gesagt habe, schon, dass das, was in der Mormonenkirche an Verordnungen vor sich geht, vor Gott Gültigkeit hat. > Alles ist ja bekanntlich gültig für den, der daran glaubt. > Aber ist das auch für Gott gültig? Ich finde schon.<

und schreibst dann dazu:
> Das kann ich nicht nachvollziehen. Verordnungen wären im Sinne des christlichen Denkens „tote Werke“, die nichts bewirken können. Sie verändern einen Menschen nicht positiv, machen ihn höchstens arrogant, in dem Sinne, dass derjenige, der diese Verordnungen hinter sich hat, sich zu einer elitären Gruppe zählt und die anderen als nicht erlöst oder so betrachtet.

Ja, Du hast mit der Beobachtung recht - nur tote Werke. Aber nicht im Glauben, da erhalten sie Leben und Gültigkeit. Ohne den Glauben sind sie aber tote Werke, die nichts bewirken können. Die Taufe ist ein äusseres Zeichen eines inneren Prozesses, der mit dieser Handlung einen Ausdruck nimmt.

> Bei den Mormonen ist auffällig, dass sie wenig Gewicht darauf legen, sich selbst innerlich zu entwickeln. Sie glauben, dass nur zählt, dass man gewisse Gebote hält, regelmäßig die Versammlungen besucht und die Berufungen annimmt und erfüllt. Aber charakterlich und geistig bewegt sich da nichts.

...ausser, dass das Schlechte oder Anhaftungen leichter vermieden werden können.

Wer sich taufen lässt, dann das grobe Schlechte meidet, weil es ein Gebot ist, aber im Guten nicht weiter kommt als Begeisterung für eine neue Sache und dann Versammlungsbesuch, Heimlehrarbeit und Tempelbesuch, der hat zumindest niemandem und auch sich selbst nicht akut geschadet. Somit war diese innere Wandlung und die dem folgenden Taufe eine gute Sache - weil Schlimmers vermieden wurde.
In vielen Menschen überwiegt die Begeisterung für eine neue Sache. Der Mormonismus ist so eine neue Sache mit seinen neuen Heiligen Schriften, hunderten von Büchern, dem Mythos der Kirchengeschichte, den spannenden Dingen, der Entwicklung in den ersten zwei Jahren nach der Taufe, vielleicht noch einer Mission, vielen neuen und anderen Bekannten, dem Erwählten-Dasein (Ich im Reich Gottes und ihr in der Welt da draussen) usw.
Das alles ist mindestens die Folge der Taufe.
Aber erst wenn ich anfange, mein Glaubenssystem zu de-institutionalisieren, mache ich einen grossen Sprung nach vorne. Der Glaube wird dann weniger konkret und bejaht die Frage und die Vielfalt. All das Mormonische wird dann austauschbar und weniger wichtig. Man hat weniger auf alles eine Antwort und ist gerade deshalb viel weiter als Jene, die alles "wissen".
Also, die Taufe und der Mormonismus hat die Menschen nicht besser gemacht, die sich von ihm beherrschen liessen und die unwissentlich zulassen, dass der Mormonismus Gott ersetzt. Mormonistischer Geist kann sehr viel Anhaftung erzeugen.

> Mit der Bibel habe ich eben ein ähnliches Problem. Wenn ich sie betrachte, sehe ich immer die hohe Wahrscheinlichkeit der fortwährend ausgebauten Mythen und Legenden, der reißerischen Berichtserstattungen zugunsten des Helden, die rückwirkend eingeflochtenen Erfüllungen von Prophezeiungen, die willkürliche Auswahl der Schriften und ein Sammelsurium bereits allgemein anerkannter, guter und auch schlechter Grundsätze.

okay.
Interessanter Punkt, eigentlich. Heisst das also, dass ich nun auch wieder das Buch Mormon regelmässig lesen kann?
Die Bibel hat vielleicht für mich einfach nur den Vorteil, dass sie, anders als das Buch Mormon, einen real existieren historischen Kontext hat. Vielleicht macht es mir das leichter.
Aber es ist mehr als das, die Bibel liest sich auch echter. Das Buch Mormon - und das habe ich  - ausser vielleicht im ersten und zweiten Jahr meiner Mitgliedschaft - schon immer gedacht.
Ich kann gläubigen Mormonen (...und regelmässigen Buch Mormon Lesern) nur raten, einmal völlig emanzipiert zu lesen. Z.B. das Buch Ether mit Jareds Bruder und dem Bootsbau, dem überschiffen (über 2/3 der Erdkugel) usw. Was für ein ausgemachter Quatsch da steht, das ist schon richtig peinlich.

Ich weiss nicht, wie man als Literalist mit den vielen Widersprüchen umgeht. Einerseits verlangt der Literalist der Bibel, dass ich an eine 6000 Jahre alte Spezies Homo Sapiens glaube und andererseits hat er aber kein Problem damit, wenn ich meinen Sohn nicht steinigen lasse, wenn er gegen mich lästert oder wenn seine Frau ohne Schleier in die Kirche geht.

Buchstäblich gelesen, ist da also unglaublich viel Menschenwerk und Irrtum und Dichtung.

Gut, dass ich also den Heiligen Geist habe, der das Relevante und die Perlen hervorhebt (oder wie der Nicht-Gläubige dieses Gefühl der inneren Stimme sonst nennen würde).
Mit anderen Augen gelesen ist aber in aller Heiliger Schrift viel Authentizität und Vollmacht. Das habe ich beobachtet.

> Ich finde, das Fundament „Jesus Christus“ ist unsicher, weil es auf Mythen und Legenden aufbaut. Die Person Jesus von Nazareth hat es meiner Einschätzung nach wirklich gegeben, aber nicht das, was seine Anhänger aus ihm gemacht haben.
> >Aus Gnade und einfach so und nicht, weil man sie verdient hätte.<
> Klingt wie eine der Versionen des Christentums. Gab oder gibt es nicht den Jahrtausende alten Streit „Gnade oder Werke“?

Nein, mir war das teilweise das Einzige, was mir geblieben war. Das ist schon sicher, wie ich in meinem Leben beobachten konnte. Ich rede ja nicht vom katholischen Jesus.

> Bei all meinen Gotterfahrungen ist mir ein Jesus nie begegnet.

Mir schon. Nicht gefühlt oder gesehen (anders als bei Gott selbst). Aber verstanden in gewisser Weise und in meine eigene Lebenswirklichkeit übersetzt.

zur Nachrichtenliste
auf diesen Beitrag antworten:

nicht möglich, da das maximale Themenalter erreicht wurde.

zur Nachrichtenliste
das Themengebiet: zur Nachrichtenliste
die neuesten Beiträge in diesem Themengebiet: zur Nachrichtenliste
die neuesten Beiträge außerhalb dieses Themengebietes: zur Nachrichtenliste
zurück
www.mormonentum.de