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Seite erstellt am 19.4.24 um 11:07 Uhr
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der Beitrag:
Verfasser: Trzoska
Datum: Montag, den 6. Oktober 2008, um 21:16 Uhr
Betrifft: Achtung, ziemlich lang geworden...

>finde, wie ich vorgehend gesagt habe, schon, dass das, was in der Mormonenkirche an Verordnungen vor sich geht, vor Gott Gültigkeit hat.
Alles ist ja bekanntlich gültig für den, der daran glaubt.
Aber ist das auch für Gott gültig? Ich finde schon.<

Das kann ich nicht nachvollziehen. Verordnungen wären im Sinne des christlichen Denkens „tote Werke“, die nichts bewirken können. Sie verändern einen Menschen nicht positiv, machen ihn höchstens arrogant, in dem Sinne, dass derjenige, der diese Verordnungen hinter sich hat, sich zu einer elitären Gruppe zählt und die anderen als nicht erlöst oder so betrachtet. Im realen Jenseits zählt meiner Erfahrung gemäß nur die eigene persönliche Entwicklung: Wie kann ich die Wahrheit aushalten? Werde ich versuchen, ihr zu entgehen, oder werde ich ihr voll ins Gesicht sehen können? Und da kann ich nicht denken: Ich brauche mich nicht zu entwickeln, ein anderer hat alles schon für mich gemacht. Bei den Mormonen ist auffällig, dass sie wenig Gewicht darauf legen, sich selbst innerlich zu entwickeln. Sie glauben, dass nur zählt, dass man gewisse Gebote hält, regelmäßig die Versammlungen besucht und die Berufungen annimmt und erfüllt. Aber charakterlich und geistig bewegt sich da nichts. Jemand der raucht oder Kaffee trinkt wird als niedriger erachtet als derjenige in der Kirche, der über andere klatscht und tratscht. Das ziehen an der Zigarette wird mit Entsetzen gesehen, aber der Rufmord hinter dem Rücken ist allgemein üblich. Die Würdigkeit eines Mitglieds wird am Zehntenzahlen gemessen, über das Charakterschwein wird dann aber Augenzusammendrückend hinweggesehen. Der Tempelschein wird verweigert, wenn man Kaffee getrunken hat, aber ob man über andere schlecht redet, zählt nicht.
Ich kann eben nicht vor Gott stehen, sitzen, liegen oder gehen und denken ich halte seine Gegenwart aus, weil ich die mormonischen Verordnungen und Gebote gehalten habe. Da geht es um etwas ganz anderes, nämlich: Werde ich in der Lage sein, mein Ego aufzugeben, ohne auszuweichen, ohne einer Illusion zu folgen, ohne anzuhaften? Der Tod und das Stehen vor Gott ist für mich Meditation oder Versenkung in reinster Form. Es ist das Stehen auf einer Nadelspitze, dass Ausharren in der Mitte des Sturms, das Gehen auf einer Rasierklinge. Je mehr wie diese Haltung geübt haben, umso eher wird uns das im „Jenseits“ gelingen. Das ist der schmale und steinige Weg, der zum ewigen Leben führt. Wer die Hindernisse nicht überwindet oder auf rechte Weise durchsteht, fällt wieder zurück.

>An das Buch Mormon glaube ich nicht, selbst wenn ich persönlich das eine oder andere Gute für meinen Glauben daraus ziehen könnte. Aber da das Buch Mormon behauptet etwas zu sein, was es nicht ist, lese ich es nicht mehr seit ich das weiss.<

Mit der Bibel habe ich eben ein ähnliches Problem. Wenn ich sie betrachte, sehe ich immer die hohe Wahrscheinlichkeit der fortwährend ausgebauten Mythen und Legenden, der reißerischen Berichtserstattungen zugunsten des Helden, die rückwirkend eingeflochtenen Erfüllungen von Prophezeiungen, die willkürliche Auswahl der Schriften und ein Sammelsurium bereits allgemein anerkannter, guter und auch schlechter Grundsätze.

>„Niemand kann ein anderes Fundament zugrunde legen als das, welches bereits zu Grunde gelegt ist: Jesus Christus. Wenn dann jemand auf diesem Fundament weiter baut mit Gold, mit Silber, mit kostbaren Steinen, mit Holz oder Heu oder Stroh: Das Werk eines jeden wird offenkundig werden. Der Tag wird es klar zeigen, denn es wird im Feuer enthüllt, und das Feuer selbst wird erweisen, wie das Werk eines jeden beschaffen ist:
Bleibt das Werk, das einer weiter gebaut hat, stehen, so wird er Lohn erlangt haben. Brennt das Werk jedoch nieder, so wird er an dem Schaden leiden; er selbst jedoch wird unversehrt daraus hervorgehen, auf eine Weise aber, als wäre er selbst durch Feuer gegangen.“
Das Fundament ist also sicher. Nur für den Bau bin ich selber verantwortlich.<

Warum sollte Jesus Christus das Fundament sein? Woher soll ich das wissen? Es reicht mir nicht, dass ein Apostel das geschrieben hat. Und was bedeutet es? Es bedeutet doch, zu glauben, dass er auferstanden ist und alle Menschen auferstehen lässt, dass es einen Sündenfall gegeben hat, der nun durch das Sühnopfer wieder aufgehoben werden muss. Wie soll ich das glauben können, wenn die Geologie, die Paläontologie, die Archäologie usw. eine ganz andere Sprache sprechen? Es gab keine Ersten Menschen vor 6000 Jahren, es gab keine Sintflut. Eine einzige Familie nach Ägypten verschlagen soll Gott so viel wichtiger gewesen sein als der Rest der Menschheit.
Solch ein Gleichnis wie oben kann jeder Religionsgründer für seine Sache missbrauchen. Schreibe einfach hinein „Allah und sein Prophet sind das sichere Fundament“, oder „nur über Joseph Smith können wir zu Gott kommen“. Ich finde, das Fundament „Jesus Christus“ ist unsicher, weil es auf Mythen und Legenden aufbaut. Die Person Jesus von Nazareth hat es meiner Einschätzung nach wirklich gegeben, aber nicht das, was seine Anhänger aus ihm gemacht haben.

>Aus Gnade und einfach so und nicht, weil man sie verdient hätte.<

Klingt wie eine der Versionen des Christentums. Gab oder gibt es nicht den Jahrtausende alten Streit „Gnade oder Werke“?

>> Aber die Möglichkeit, alles auf ein Sühnopfer zu werfen und unverdient Befreiung zu bekommen, nur weil man sich zu einem Jesus-Phantom bekennt, scheint mir höchstgradig unlogisch und irreführend.<<
>...dann ist das nur auf der Prämisse unlogisch und irreführend das es keinen Gott gibt. Wenn es aber doch einen Gott gibt, dann ist die Prämisse des gnadelosen aber gerechten Gesetzes des Karma einfach nur herzlos.<

Dann musst du auch akzeptieren, dass Krankheiten, Ungerechtigkeiten, Leid und Tod auch Ausdruck seiner Liebe sind. Somit wäre ein Gott auch gnadenlos und herzlos (aus unserer Perspektive gesehen). Nachdem wie Ethan Smith in View of the Hebrews argumentiert, wäre der christliche Gott sogar extrem rachsüchtig, der fürchterliche Vergeltung an den Juden übte, weil sie (eigentlich nur ein kleiner Teil, und nicht die vielen Hundertausende) Jesus verworfen hatten.

>Und Gott ist nicht herzlos.<

Oder doch?

>Aber ich finde, dass es verschiedene Wege zu Gott gibt und nicht nur einen. Aber dieser mormonische Weg gefiel mir nicht. Ich fand ihn herzlos.<

Nur Wissen zählt, Glauben muss ersetzt werden, weil er irreleitet, aber Gottvertrauen ist gut. Es ist besser schwimmen zu lernen, als sich an Strohhalmen zu klammern. Aber in äußerster Not schadet es nicht, Gott um Hilfe zu rufen – entweder er ist da und hilft oder, wenn nicht, dann ist sowieso alles egal. Ich hatte erfolgreich den Versuch gemacht, aber ich kann nicht sagen, wer oder was auf meine Hilferufe reagiert hatte, aber etwas ist da und steht bereit, uns zu helfen, wenn wir unseren Hochmut – unser Ego - ablegen und wie ein Kind werden. In dem Augenblick der kindlichen Unschuld erleben wir auch gleichzeitig unendliche Weisheit, das Gefühl wie Gott, oder mit Gott eins zu sein, ein Yogi, ein Boddhisatva, ein Heiliger zu sein, kindlich demütig und doch weise.
Vielleicht kannst du trotz der Worte ein wenig verstehen, was ich sagen will. Bei all meinen Gotterfahrungen ist mir ein Jesus nie begegnet.

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