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der Beitrag:
Verfasser: Nyu
Datum: Freitag, den 3. Oktober 2008, um 23:54 Uhr
Betrifft: unlogisches und irreführendes Sühnopfer

ich bewege mich mit dem, was ich hier schreibe klar auf der Seite des Glaubens und weder des Wissens (Mormonen wissen ja immer so viel:-) ) noch des Bewiesenen. Deswegen wirkt es vielleicht preachy, wegen Bibel und so. Aber das mache ich ja selten.

Ich finde, wie ich vorgehend gesagt habe, schon, dass das, was in der Mormonenkirche an Verordnungen vor sich geht, vor Gott Gültigkeit hat.
Alles ist ja bekanntlich gültig für den, der daran glaubt.
Aber ist das auch für Gott gültig? Ich finde schon.

Da ich jetzt hier auf der Seite des Glaubens spreche, kann ich jetzt auch sagen, dass die Bibel für mich auch bis zu einem gewissen Punkt Autorität hat, wenn auch sicherlich nicht im fundamentalistischen Sinne. Deswegen beziehe ich mich auf die Bibel als Referenz.
An das Buch Mormon glaube ich nicht, selbst wenn ich persönlich das eine oder andere Gute für meinen Glauben daraus ziehen könnte. Aber da das Buch Mormon behauptet etwas zu sein, was es nicht ist, lese ich es nicht mehr seit ich das weiss.

Die Verantwortung des Einzelnen vor Gott lässt laut Bibel viele Spielarten zu.

Ein Beispiel: Gott geht in dem Gleichnis von den anvertrauten Talenten mit dem, der nur ein Talent hat und es vergräbt, sehr hart ins Gericht. Er sagt ihm: Du wusstest doch, dass ich ein strenger Herr bin. Warum hast Du es dann nicht wenigstens auf die Bank gebracht, wo es Zinsen gebracht hätte... Und dann nimmt er ihm alles weg und gibt es dem, der 5 Talente bekommen hat und wirft ihn hinaus "in die äusserste Finsternis".
Hier wird schon ein angsterfülltes Bild von Gott skizziert, an dem der arme Wicht mit dem einen Talent dann aber auch gemessen wird.
Der Mann mit den 5 Talenten und der Mann mit den 2 Talenten scheint ein anderes Bild vom Herrn zu haben, an dem auch Jene gemessen werden zum Erfolg.

Ich finde, dass die mormonische Spielart des Evangeliums die Sicht des Mannes mit dem einen Talent eher begünstigt. Ein Angstevangelium, das letztlich lähmt (laufe so schnell, wie Du Kraft hast, damit Du den Siegeskranz erringst, denn sonst hast Du gänzlich versagt - ... aber wie weiss ich, wie schnell ich laufen kann - vielleicht kann ich mit Anti-Depressiva ja wieder schneller laufen und bin dann nicht immer so traurig).

In diesem Zusammenhang habe ich etwas recht erhellendes im Internet gelesen:
Eine religiöse Pädagogik, die uns den Ernst des Lebens und die Größe unserer Verantwortung dadurch klar machen will, dass sie uns Angst vor Gott macht, führt dazu, dass wir immer mehr versagen, dass wir das Geschenk des Lebens aus der Hand Gottes gar nicht annehmen können, sondern uns vorzeitig begraben. Je mehr Angst der Diener hat, desto weniger wird er seine Verantwortung wahrnehmen können, desto mehr wird er versagen, und desto bedrohlicher und ängstigender wird ihm der Herr erscheinen; also wird er noch mehr versagen, und ehe er sich’s versieht, wird er alles vertan haben. Schließlich wird das Bild vom unnachgiebigen Gott so mächtig werden, dass keine Predigt vom barmherzigen Vater mehr dagegen ankommt, so dass in Wirklichkeit geschieht, was das Bild der Gottesangst verursacht. Und es stimmt: Wenn das ganze Leben aus Angst etwas falsch zu machen vertan und vergeudet ist, dann sind wir in äußerster Finsternis, in der wir vor Verzweiflung heulen und vor Kälte mit den Zähnen klappern. Und es ist, als wäre uns unser Leben weggenommen und denen gegeben worden, die eh immer schon Vertrauen ins Leben und in Gott hatten, denen alles gelingt, was sie anfassen, und deren Vertrauen so immer mehr wächst.
http://www.uibk.ac.at/theol/leseraum/texte/298.html

Aber dennoch oder vielleicht auch gerade deswegen hat ein lähmendes Angstevangelium Gültigkeit für den, der daran glaubt.

Hier einige Beispiele für das, was ich (glaubensgemäss) in der Mormonenkirche beobachtet habe.

- Sicher nicht immer, aber doch schon manchmal habe ich den Eindruck, dass die "Richtigen" die Berufung haben, die sie jetzt brauchen oder die ihre Schützlinge jetzt durch sie brauchen.
- Die Bedeutung der Taufe und der Konfirmierung scheint für den Bekehrten weiter zu reichen als bis zur sprichwörtlichen Decke und auch "ewige" Konsequenzen nach sich zu ziehen.
- häufig sehe ich auch in der Mormonenkirche, wie sich die Dinge zurecht rücken und das Bewährte im Einzelfall recht behält.
- es gibt einige Mitglieder, die geistige Erlebnisse hatten, an deren Authorität für sie ich nicht zweifle

Du schreibst:

> Auch wird der Verursacher von Leiden nicht ohne Konsequenzen bleiben, besonders wenn es absichtlich und bewusst geschieht. Dass wir die Strafe für solche "Verbrecher" nicht in diesem Leben erkennen können, heißt nicht, dass er sie nicht bekommt. Es könnte sein, dass jeder hier sein Päckchen abarbeiten muss, das er sich im vorgehenden Leben verdient hatte. Es könnte auch sein, dass wir dieses Päckchen hier verkleinern oder weiter vergrößern für das nächste Leben. Insofern scheint die Vorstellung vom Karma irgendwie logisch.

Ich kann da nichts für mich Falsches dran erkennen.

Aber dann schreibst Du:
> Aber die Möglichkeit, alles auf ein Sühnopfer zu werfen und unverdient Befreiung zu bekommen, nur weil man sich zu einem Jesus-Phantom bekennt, scheint mir höchstgradig unlogisch und irreführend.

Das scheint mir aber zu verfrüht. Vielleicht schüttest Du hier das Kind mit dem Bade aus.

Paulus schreibt im 1. Kor 3: 12-16
Niemand kann ein anderes Fundament zugrunde legen als das, welches bereits zu Grunde gelegt ist: Jesus Christus. Wenn dann jemand auf diesem Fundament weiter baut mit Gold, mit Silber, mit kostbaren Steinen, mit Holz oder Heu oder Stroh: Das Werk eines jeden wird offenkundig werden. Der Tag wird es klar zeigen, denn es wird im Feuer enthüllt, und das Feuer selbst wird erweisen, wie das Werk eines jeden beschaffen ist:
Bleibt das Werk, das einer weiter gebaut hat, stehen, so wird er Lohn erlangt haben. Brennt das Werk jedoch nieder, so wird er an dem Schaden leiden; er selbst jedoch wird unversehrt daraus hervorgehen, auf eine Weise aber, als wäre er selbst durch Feuer gegangen.

Das Fundament ist also sicher. Nur für den Bau bin ich selber verantwortlich. Die Konsequenzen wird man also selber tragen müssen, wenn das Haus zusammenfällt. Aber die vollständige Annahme durch Gott ist dennoch da. Aus Gnade und einfach so und nicht, weil man sie verdient hätte.
Christus ist aber nur deshalb das Fundament, weil die Absichten dessen, der gebaut hat, lauter waren. Weil das Herz da war.

Wenn mein 8-jähriger Sohn mir ein Bild malt, dann hätte er sich vielleicht mehr anstrengen können oder auch nicht. Dann hätte ich mich über das Bild mehr gefreut oder auch nicht. Aber das Bild und dessen Aussehen hat keinerlei Auswirkungen, wie sehr ich ihn liebe. Er ist mein Sohn.
Selbst wenn ich ihm gebiete und ihm sage "male ein Bild. Du brauchst das morgen für die Schule." Und er macht es besonders gut oder er macht es gar nicht - so ändert das rein gar nichts an meinen Gefühlen für ihn. Vielleicht an meinem Tonfall ihm gegenüber, vielleicht auch an seinem Jahrgangszeugnis. Aber nichts an meiner Grundhaltung ihm gegenüber.
Mein 8-jähriger Sohn hat aber sicherlich die Entscheidungsfreiheit, mir zu sagen "Du bist nicht mein Papa. Du bist (Nyu) und ich will nichts mit Dir zu tun haben und ich gehe jetzt und ich komme nie wieder." Ich halte ihn dann zwar fest, wegen der elterlichen Verantwortung, aber er kann sich dazu entscheiden, auf immer sein Herz von mir fern zu halten. Das würde mich sehr traurig machen. Und weil ich ihn liebe, kann ich ihn niemals zwingen, mich zurück zu lieben.

So wird Gott für mich verständlicher und auch das Prinzip von Gnade und Werken klarer.

Wenn Du also meinst:

> Aber die Möglichkeit, alles auf ein Sühnopfer zu werfen und unverdient Befreiung zu bekommen, nur weil man sich zu einem Jesus-Phantom bekennt, scheint mir höchstgradig unlogisch und irreführend.

...dann ist das nur auf der Prämisse unlogisch und irreführend das es keinen Gott gibt. Wenn es aber doch einen Gott gibt, dann ist die Prämisse des gnadelosen aber gerechten Gesetzes des Karma einfach nur herzlos.
Und Gott ist nicht herzlos. Für mich hat er das mit Christus gezeigt und ermöglicht. Denn das Gleichnis von den Talenten funktioniert auch ohne Christus. Aber mit Christus bekommt der, der sein Talent vergräbt aus Angst, auch wieder Hoffnung – einfach so.
Ein Evangelium der Angst ist aber herzlos.

Also, ja, ich glaube daran, dass - unter der Prämisse, dass es einen Gott gibt - Heilige Handlungen in der Mormonenkirche ihre Gültigkeit auch vor Gott haben. Aber ich finde, dass es verschiedene Wege zu Gott gibt und nicht nur einen. Aber dieser mormonische Weg gefiel mir nicht. Ich fand ihn herzlos.

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