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Verfasser: Gipfelstürmer
Datum: Mittwoch, den 1. Oktober 2008, um 12:08 Uhr
Betrifft: Danke für die PM

Hallo Sappho,

Du hattest gestern eine persönliche Mail im Forum veröffentlicht. Leider kann ich darauf nicht direkt antworten, weil "die maximale Verschachtelungstiefe von 24 Ebenen erreicht wurde". Deswegen beginne ich ein neues Themengebiet.

Ich find’s fair, dass Du uns diese Mail zugänglich machst und klarstellst, dass es nun doch keinen Anlass zu der Annahme gibt, Joseph Smith hätte schwule Männer aneinander gesiegelt. Das rückt auch einige andere damit in Zusammenhang stehende Spekulationen in ein anderes Licht. Danke, dass Du so offen warst. Du hättest die Info ja auch einfach verschweigen können. Aber gut, es passiert eben immer wieder, dass Menschen wie Antonio Feliz in ihrem Frust und ihrer Wut über die HLT-Kirche Gerüchte als vermeintliche Tatsachen in die Welt setzen, die jeglicher Grundlage entbehren. Diese verbreiten sich dann, finden sich auf unterschiedlichen Internetseiten bzw. in verschiedenen Büchern und werden zu Mosaiksteinen in einem Gesamtbild von Menschen, deren Meinung sich gerade in eine bestimmte Richtung hin verfestigt. Gleiches gilt nicht nur für Falschinformationen, sondern auch für sehr einseitige oder stark verzerrte Darstellungen. Auch sie prägen unsere Überzeugungen, besonders dann, wenn wir uns hauptsächlich mit Quellen befassen, die immer die gleiche Art von Bias vermuten lassen. Unser Gesamtbild wird im Laufe der Zeit immer klarer und wir beurteilen die Glaubwürdigkeit neuer Informationen danach, ob sie unsere erlangte Gewissheit stützen oder sie in Frage stellen.

Ich denke, solche Prozesse finden bei uns allen mehr oder weniger stark statt (besonders häufig im Zusammenhang mit Religion und Politik). Manche Menschen sind sich dessen bewusst, andere sind davon überzeugt, die Dinge absolut objektiv einschätzen zu können. Extremisten gibt es in diesem Zusammenhang immer wieder. Innerhalb der HLT-Kirche trifft man ab und zu auf sehr engstirnige Sektierer, die sich als Auserwählte verstehen, jedes Wort in einem Leitfaden als Offenbarung auslegen und von einem penetranten Missionsgeist beseelt sind. Demgegenüber gibt es ähnlich gestrickte Ex-Mitglieder, die ebenfalls die „Wahrheit“ gefunden haben und alle theologischen Grundsätze, Verhaltensweisen von Verantwortungsträgern oder geschichtlichen Ereignisse als Ausdruck der Korruptheit und der Falschheit des mormonischen Imperiums auffassen. Bestätigung für das eigene Weltbild findet man durch den Austausch mit Mitstreitern. Ich kenne zahlreiche Menschen auf beiden Seiten des Zauns, die sich in vieler Hinsicht (absoluter Wahrheitsanspruch, Verurteilung Andersdenkender, selektive Wahrnehmung neuer Informationen, extremes Sendungsbewusstsein, …) unheimlich ähnlich sind. Zwar können viele Ex-Mitglieder für sich in Anspruch nehmen, früher der anderen Front angehört und deswegen bereits einen als Fortschritt aufgefassten Entwicklungsprozess abgeschlossen zu haben, den die „Konkurrenz“ noch vor sich hat. Ich sehe in beiden Positionen jedoch 100 Mal mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede. Sie sind sich so ähnlich, trotzdem hassen sich beide Parteien. Es ist schon seltsam. Man unterstellt sich gegenseitig, nicht gut genug bzw. falsch informiert oder der „Wahrheit“ gegenüber verschlossen zu sein.

Nun ja, es bleibt spannend. Ich kann mich jedenfalls mit manchen Einstellungen von Teilnehmern dieses Forums besser identifizieren als mit einigen Überzeugungen von Angehörigen meiner Glaubensgemeinschaft. Was z. B. den Umgang mit Menschen angeht, die homosexuelle Neigungen haben, sind die Schnittmengen der Ansichten bei Sappho und mir vermutlich größer als bei vielen HLT-Mitgliedern und mir. In dem Film „Was ist mit Bob?“ gibt es eine Szene, in der Bill Murray einen psychisch kranken Menschen spielt, der den Pflegern in einer Psychiatrie den folgenden Witz erzählt: Ein Psychiater zeigt einem Patienten verschiedene Bilder (von einem Haus, einem Auto, einem Baum, …) und fragt ihn, was ihm dabei als erstes durch den Kopf geht. „Sex“, sagt der Patient jedes Mal. „Ach du meine Güte“, ruft der Psychiater aus, „Sie sind ja sexbesessen!“ Der Patient erwidert: „Und wer hat mir denn die ganzen schweinischen Bilder gezeigt?“ Ich diskutiere sehr gerne mit Leuten darüber, wie verschiedene „Bilder“ in der HLT-Kirche (geschichtliche Ereignisse, theologische Grundsätze, Aussagen von Verantwortungsträgern, …) zu verstehen sind. Auseinandersetzungen mit Menschen, die beim Anblick jedes Bildes entweder reflexartig „Offenbarung“, „Halleluja“ und „die Kirche ist wahr“, oder aber „Verrat“, „Lüge“ und „die Kirche ist falsch“ rufen, machen mir weniger Spaß. Besonders dann, wenn diese Personen darauf beharren, es gäbe nur einen einzigen Weg (nämlich ihren eigenen), bestimmte Sachverhalte zu interpretieren, Schlussfolgerungen zu ziehen und religiöse „Wahrheit“ zu definieren. Ich würde mich freuen, in diesem Forum auch weiterhin Leute zu finden, die sich ihrer eigenen Rolle als Subjekt bewusst und an einer respektvollen Auseinandersetzung über Inhalte interessiert sind.

Sappho, vielen Dank nochmals für Deine Offenheit.

Viele Grüße

Gipfelstürmer

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