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Verfasser: Gipfelstürmer
Datum: Montag, den 15. September 2008, um 7:28 Uhr
Betrifft: Bitte begründe Deine Behauptungen

Hallo Waldläufer,

Du stellt heraus, dass es in unserer Diskussion aus Deiner Sicht darum geht, zu erörtern, ob der Mormonismus „… überhaupt zum großen Spektrum des Christentums gehört“. Ich befürchte, dass eine Auseinandersetzung mit dieser Frage nirgends hinführt. Es gibt keine einheitliche und verbindliche Definition für das Christentum. Es handelt sich hierbei um keinen geschützten Markennamen. Das Christentum ist extrem facettenreich (und ist es schon immer gewesen). Es gibt keine legitime Instanz, die Kirchen als christlich „zertifizieren“ darf. Deswegen wäre es für Dich überhaupt kein Problem, aus den vielen möglichen Definitionen ein paar eher spezifische Umschreibungen mit Kriterien herauszugreifen, denen das Mormonentum nicht entspricht. Für mich wäre es umgekehrt mindestens ebenso leicht, viele eher allgemeine Charakterisierungen anzuführen, nach denen das Mormonentum zweifelsfrei Teil der christlichen Familie ist. Die Frage wird sich also nicht klären lassen. Abgesehen davon ist sie für mich unwesentlich. Niemand kann mir absprechen, an Christus zu glauben, ihn als meinen Erlöser anzuerkennen und mich infolgedessen als Christ zu bezeichnen.

Wenn meine spezifische Konfession jedoch zu Unrecht angegriffen wird, werde ich sie verteidigen. Ich möchte das auch in diesem Fall tun, indem ich Dich bitte, Deine Behauptungen schlüssig zu begründen bzw. zu belegen:

1. Ich hatte Dich aufgrund Deiner Aussagen nach Schriftstellen aus dem Neuen Testament gefragt, an die Mitglieder der HLT-Kirche nicht glauben. In Deiner Rückmeldung deutest Du an, dass es hier sehr viele geben würde und eröffnest die Diskussion mit dem Verweis auf ein Statement, das vermutlich aus Johannes 1:18 stammt. Dort heißt es laut Einheitsübersetzung: „Niemand hat Gott je gesehen.“ Ich gehe davon aus, dass der Großteil der aktiven Mitgliedschaft der HLT-Kirche entgegen Deiner Annahme hinter dieser Aussage steht und sie im Kontext zu einer weiterführenden Erläuterung sieht, die Johannes ein paar Kapitel später zum selben Thema gibt: „Niemand hat den Vater gesehen, außer dem, der von Gott ist; nur er hat den Vater gesehen“ (Johannes 6:46). Ich denke, dass die meisten Mitglieder diese Passagen als Darlegung einer Regel verstehen, für die vom selben Autor ein paar Seiten weiter eine Ausnahme formuliert wird. Wir glauben auch an die Bergpredigt, in der es z. B. heißt: „Selig, die ein reines Herz haben, denn sie werden Gott schauen“ (Matthäus 5:8). Unsere Interpretation sehen wir z. B. in Apostelgeschichte 7:56 bestätigt, in der folgende Aussage von Stephanus wiedergegeben wird: „… Ich sehe den Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen.“ Mir ist nicht ganz einsichtig, warum sich ein bibelinkompatibler Glaube dadurch auszeichnen soll, dass die Vision von Stephanus wörtlich genommen wird. Aber es gibt Deiner Ansicht nach ja sehr, sehr viele Schriftstellen aus dem Neuen Testament, an die Mitglieder der HLT-Kirche nicht glauben. Es dürfte somit kein Problem sein, ein paar aufzuzählen, die Deine Behauptung deutlicher untermauern als Johannes 1:18. Nenne deswegen bitte 10 inhaltlich verschiedene Beispiele.

2. Die Formulierung, „ich hätte mich aus der Frage nach Gottes Sex mit Maria … herausgewunden“, gefällt mir überhaupt nicht. Die Behauptung, es handle sich hierbei um eine grundlegende Lehre der HLT-Kirche stammt von Dir, nicht von mir. Wichtigste Basis für die Theologie der HLT-Kirche stellen die Heiligen Schriften dar. Was den Aspekt der Empfängnis Marias angeht, so glauben Mitglieder der HLT-Kirche mehrheitlich an die verschiedenen Aussagen in der Bibel, nach denen Jesus der „Einziggezeugte“ des Vaters ist (z. B. Johannes 1:14; Johannes 1:18; 1. Johannes 4:9). Wie derartige Äußerungen zu verstehen sind, wird u. a. im Buch Mormon erläutert. So geht etwa aus 1. Nephi 11:18-21 klar hervor, dass Maria eine Jungfrau war. Es gibt selbst für uns Menschen durch künstliche Befruchtung mittlerweile andere Möglichkeiten der Zeugung als den Geschlechtsverkehr. Für Gott trifft das erst recht zu. Er muss nicht mit Maria geschlafen haben, damit die biblische Aussage, Jesus sei der Einziggezeugte des Vaters, Sinn ergibt. Bitte belege Deine Behauptung, indem Du (mindestens) eine konkrete HLT-Quelle anführst, aus der zweifelsfrei hervorgeht, dass die Zeugung des „Einziggezeugten des Vaters“ durch einen buchstäblichen Geschlechtsakt und nicht durch eine andere Form der Empfängnis stattgefunden haben muss. Weise außerdem nach, dass es sich hierbei um eine zentrale Lehre der HLT-Kirche handelt (und nicht um eine Aussage, die in die Rubrik der persönlichen Meinungsäußerungen von Einzelpersonen fällt).

3. Du schreibst, dass in den Wundern Jesu die „andere Welt“ und „das Himmelreich“ sichtbar wird. Außerdem erläuterst Du (in vermeintlicher Abgrenzung zu meinen Bemerkungen), dass vielen Menschen ihre Glaubensrichtung Lebensfreude, Erfüllung, Erfolg im Beruf und in der Familie usw. bringt. Sollen diese Aussagen unsere Gemeinsamkeit oder unsere Unterschiedlichkeit demonstrieren? Falls letzteres zutrifft, bitte ich Dich, mir darzulegen, inwiefern sie meinen persönlichen Ansichten oder der Lehre der HLT-Kirche widersprechen.

4. Du stellst heraus, dass wir keine gemeinsame theologische Grundlage für eine Diskussion hätten, wenn ich meine Glaubensgemeinschaft als eine religiöse Neugründung mit Elementen des Alten und Neuen Testaments, des Okkultismus, des Freimaurertums, des Hinduismus usw. bezeichnen würde. Ich möchte betonen, dass diese Beschreibung von Dir stammt und ich meine Kirche nicht auf diese Weise charakterisieren möchte. Wie Du aber selbst eingestehst, könnte man z. B. die römisch-katholische Kirche ähnlich darstellen und als eine Mischung aus biblischen Grundsätzen, heidnischen Gebräuchen, päpstlichen Irrlehren, Okkultismus, jüdischen Riten, … beschreiben. Heißt das, dass Du auch mit einem überzeugten Mitglied der größten christlichen Religion (also der römisch-katholischen Kirche) keine gemeinsame theologische Grundlage für eine Diskussion hättest? Falls Du dem nicht zustimmst, so erläutere mir bitte, wodurch sich Mitglieder bestimmter Glaubensgemeinschaften als Gesprächspartner für theologische Dialoge disqualifizieren und was Dich als Einzelperson zur Festlegung entsprechender Kriterien berechtigt.

Ich habe den Eindruck, dass Deine Skepsis gegenüber der HLT-Kirche als christlicher Glaubensgemeinschaft primär von einem Verständnis meiner Religion herrührt, das mittlerweile stark von antimormonischer Literatur geprägt ist und ihrem eigentlichen Wesen nicht mehr entspricht. Anstatt über die Frage zu diskutieren, ob die HLT-Kirche christlich ist oder nicht, können wir uns gerne über einzelne Inhalte austauschen, bei denen Du annimmst, Deine persönlichen Auslegungen dieser Inhalte seien zentrale Bestandteile unserer Lehre. Ich möchte mich hierbei allerdings nicht streiten. Seit ein paar Wochen beteilige ich mich an Auseinandersetzungen in diesem Forum, weil ich Menschen besser verstehen will, die sich von der HLT-Kirche abgewendet haben. Ich respektiere Deine Entscheidung, Dich einer anderen Religionsgemeinschaft angeschlossen zu haben und hoffe, dass Du dort all die Dinge findest, die Du in der HLT-Kirche vergeblich gesucht hast. Uns verbindet unser Glaube an unseren Erlöser und wir versuchen jeweils auf unsere Weise, ein gottgefälliges Leben zu führen, unseren Nächsten zu lieben und Hilfebedürftigen beizustehen. Ich bin Mormone und muss mich dafür weder schämen noch rechtfertigen. Meine Gemeinde versuche ich zu einem schöneren Ort für alle zu machen, die dorthin kommen. Du gehörst nun einer anderen christlichen Gemeinschaft an. Und auch das ist völlig in Ordnung.

In diesem Sinne wünsche ich Dir einen guten Start in die Woche.

Viele Grüße

Gipfelstürmer

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