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Verfasser: Gipfelstürmer
Datum: Donnerstag, den 11. September 2008, um 21:55 Uhr
Betrifft: Marias Empfängnis

Hallo Waldläufer,

vielen Dank für Deine Bemerkungen. Besonders freut mich, dass Du das Bemühen vieler Mitglieder der HLT-Kirche, anderen Menschen zu helfen, lobend anerkennst.

Bevor ich auf Deine konkrete Frage explizit eingehe, möchte ich unser gemeinsames Fundament deutlich herausstellen: Als Christen glauben wir beide an ziemlich abgefahrene Dinge. Wir sind der Überzeugung, dass Gott, der die ganze Welt durch sein „Es werde“ erschuf (wie Du schreibst), menschliche Gestalt annahm und sterblich wurde. „Das Kind wuchs heran und wurde kräftig; Gott erfüllte es mit Weisheit, und seine Gnade ruhte auf ihm“ (Lukas 2:40). „Jesus aber wuchs heran, und seine Weisheit nahm zu, und er fand Gefallen bei Gott und den Menschen (Lukas 2:52). „Obwohl er der Sohn war, hat er durch Leiden den Gehorsam gelernt“ (Hebräer 5: 8). Jesus ist jemand, „… der in allem wie wir in Versuchung geführt worden ist“ (Hebräer 4:15). Er erfuhr Gefühle wie Freude, Schmerz, Trauer und Wut. Die Behauptung, dass der allmächtige, allwissende und ewige Gott zu einem Mensch wurde, dass er lernte, Versuchungen ausgesetzt war und verschiedene Emotionen durchlebte, war für die damaligen Juden eine ungeheure Blasphemie. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Aber trotzdem glauben wir beide an die Göttlichkeit Jesu. Wir gehen sogar noch weiter und akzeptieren es als Wahrheit, dass Jesus Wasser in Wein verwandelte, den Sturm besänftigte, Kranke heilte, Tote auferweckte und Sünden vergab. Letztendlich starb er für uns am Kreuz, damit wir selig werden können. Am dritten Tag stand er von den Toten auf und fuhr 40 Tage später in den Himmel auf. Ich habe diese ganzen Glaubensinhalte kürzlich mal einem Moslem erläutert, der bislang kaum Kontakt zum christlichen Abendland hatte. Durch sein Unverständnis ist mir deutlich geworden, wie abstrus diese Aussagen auf uninformierte Nichtchristen wirken müssen. Ich denke, von allen Dingen, die ich als Mitglied der HLT-Kirche glaube, gehören die eben aufgeführten Beispiele zu den größten Ungeheuerlichkeiten. Aber sie verbinden Dich und mich miteinander.

Nun gehören wir beide unterschiedlichen christlichen Glaubensrichtungen an. Unsere Sichtweisen von Jesus unterscheiden sich hinsichtlich diverser Details. Ich möchte nochmals Peter de Rosa zitieren, der in seinem Buch „Der Jesus-Mythos“ auf Seite 41 schreibt: „Offensichtlich hat jeder von uns seinen eigenen, privaten, selektiven und gewöhnlich nichtjüdischen Jesus, der sich natürlich in unserer Konfession am wohlsten fühlen würde.“ Fest steht für mich jedenfalls, dass das Bild von Gott Vater, Gott Sohn und Gott Heiliger Geist in der HLT-Kirche sehr viel konkreter und persönlicher ist als in anderen christlichen Konfessionen. Wie die frühen Christen unter Juden sehen wir uns dadurch auch schnell dem Vorwurf der Blasphemie konfrontiert, weil es nicht sein kann, dass „… der König aller Könige...der allein Unvergänglichkeit hat, der in einem Licht wohnt,…, den kein Mensch je gesehen hat .....noch je sehen kann“ Menschlichkeit zeigt. Peter de Rosa beschreibt den Gott des „Mainstream-Christentums“ „… bestenfalls als unzuverlässigen Weihnachtsmann, und schlimmstenfalls, was Hegel ein übellauniges, gasförmiges Wirbeltier nannte“ (S. 25). Ich denke, man kann das Gottesbild jeder christlichen Konfession lächerlich oder blasphemisch erscheinen lassen, wenn man nur die „richtigen“ Beispiele und Worte wählt. Siehst Du das anders?

Du fragst mich, ob ich glauben würde, dass „… Gott es nötig hätte und willens wäre (!), mit Maria GESCHLECHTSVERKEHR zu haben, um Jesus, quasi als "Halbgott" zu zeugen???“ Ich gehöre zu einer Kirche, deren Gründer in der King Follett-Predigt herausstellte, dass es für uns als „Heilige“ eine lange Zeit brauchen würde, um zu einem korrekten Verständnis des Wesens Gottes zu gelangen. Außerdem bin ich Teil einer Religionsgemeinschaft, deren zweiter Prophet im „Journal of Discourses“ (Volume 2) ausführte: “I know I’ve preached wrong many times. And I have always prayed that God would take it from the minds of the people” (S. 123). Die Bedeutung, welche die Auffassung vom Geschlechtsverkehr zwischen Gott und Maria innerhalb meiner Kirche besitzt, spiegelt sich in dem Ausmaß wider, in dem sie in den Versammlungen gelehrt oder in offiziellen Publikationen thematisiert wird. Anders gesagt: Sie spielt überhaupt keine Rolle. Wie es genau mit der Empfängnis Marias abgelaufen ist, weiß ich nicht. Ich glaube eher nicht an die These mit dem Geschlechtsakt und ordne anderslautende Aussagen von früheren Kirchenführern zusammen mit vielen anderen Statements von Generalautoritäten in die Kategorie der persönlichen Spekulationen ein. Vielleicht lag Brigham Young auch in dieser Frage falsch und er bezog obige Aussage u. a. darauf (ich bin mir allerdings nicht einmal sicher, ob die Annahmen von Brigham Young eingeführt wurden – vielleicht kannst Du mir hier mal die exakte Quellenangabe mailen?).
Jesus Christus ist mein persönlicher Erlöser. Ob seine Empfängnis durch einen buchstäblichen Geschlechtsakt stattfand oder nicht, spielt für meinen Glauben und meine Bereitschaft, Christus nachzufolgen, eine ebenso geringe Rolle wie die Antwort auf die Fragen, ob Eva wörtlich aus einer Rippe Adams erschaffen wurde oder ob Jonas tatsächlich drei Tage in einem Wal zugebrachte. Sind solche Probleme Deiner Meinung nach für Dein Seelenheil wesentlich?

Die Internetseiten von Manfred Trzoska und Holger Rudolph kenne ich natürlich. Einige Argumente sind aus meiner Sicht nachvollziehbar und valide, andere nicht. Du schreibst, dass Du meinen Glauben ausschließlich anhand der Bibel bzw. des Neuen Testaments kritisch analysierst. Ich habe über meine an Dich gestellte Frage aus meiner letzten Rückmeldung nochmal nachgedacht und selber noch keine Antwort gefunden. Ich würde die Frage deswegen gerne nochmal an Dich herantragen: An welche Schriftstelle aus dem Neuen Testament glauben Mitglieder der HLT-Kirche nicht? Eine Rückmeldung hierzu würde mir helfen, Deine These von der Unvereinbarkeit der HLT-Lehren und der Bibel zu verstehen.

Viele Grüße und bis bald

Gipfelstürmer

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