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Verfasser: Trzoska
Datum: Donnerstag, den 14. August 2008, um 17:46 Uhr
Betrifft: Cognitive Dissonanz

>Ich gehe davon aus, dass der für die BYU tätige Ägyptologe Dr. John Gee Deine Ansichten zum Buch Abraham im Allgemeinen und zum Faksimile Nr. 3 im Besonderen nicht teilt. ...dass ich als Nicht-Ägyptologe in einer Diskussion mit Dr. John Gee über das Buch Abraham hoffnungslos baden gehen würde, wenn ich genau Deiner Meinung wäre.<
Natürlich würdest du baden gehen, wenn du mit der Materie nicht vertraut wärst. Dass Übel solcher BYU-Gelehrter ist, dass sie über die BYU von der Kirche bezahlt werden und ihren Posten verlieren würden, wenn sie zur Kirche konträre Aussagen verkünden würden. In der Vergangenheit verloren ehrliche Wissenschaftler auch ihre Kirchenmitgliedschaft. John Gee war Schüler von Professor Ritner, der für Gees Darstellungen nur ein mitleidiges Lächeln übrig hat (siehe Video). Ritner hat sich ausgiebig mit den Buch-Abraham-Papyri befasst. John Gee und die anderen Kirchenapologeten greifen nur krampfhaft nach Strohhalmen, und zwar so, dass man meinen muss, sie wären verrückt geworden, bis hin zu der These, dass die Schriftzeichen verborgene Hyperglyphen enthalten haben könnten, die nur ein Prophet, Seher und Offenbarer lesen kann. Aber der Kirche genügt es, dass die Masse der Mitglieder, der es zu mühselig ist, sich damit zu befassen, den Eindruck bekommt, dass ihre Wissenschaftler die Sache im Griff haben; aber sie betreiben nur Schaumschlägerei. Ich glaube, die Führer der Kirche haben ebenso wenig Ahnung von der Sache, wie das einfache Mitglied.
>Was wäre jedoch, wenn Joseph Smith beim Buch Abraham die Gäule durchgegangen wären und er die ganze Sache tatsächlich gefälscht hätte?<
Für mich überhaupt keine Frage, dass es sich um einen ausgekochten Schwindel handelt. Ich glaube, dass Joseph Smith eiskalt und abgebrüht war, während Sidney Rigdon noch an seine religiöse Sendung glaubte. Befasst man sich ausgiebiger mit den Papyri und den Faksimiles, wird es noch deutlicher, dass bewusste Täuschungsabsicht im Spiel war. Er führte seine engsten Mitarbeiter an der Nase herum.
>Ist es schizophren, wenn ich daran glaube, dass aus dem ganzen Schlamassel eine Glaubensgemeinschaft hervorgegangen ist, in der Gott heute wirkt und in der Menschen näher zu Christus geführt werden?<
Das geht doch gar nicht. Wenn du dir auf dem Schwarzmarkt eine gefälschte Eintrittskarte kaufst, kannst du vielleicht glücklich sein, dass du eine hast und dich riesig auf das Spiel freuen. Bis zum Spiel kannst du von der Vorfreude leben – das mag einigen Menschen vielleicht genügen -; aber wenn du dann ins Stadion möchtest, kommst du mit deiner gefälschten Karte nicht rein. Da ich weiß, dass es nach dem Tod weiter geht, möchte ich auf jeden Fall auf dem besten Platz, für den ich bezahlt habe, auch sitzen können.

>Muss man alle Glaubensrichtungen verteufeln, die das Alte Testament mit Propheten wie Noah oder David als heilige Schrift anerkennen? Noah wurde immerhin nackt und betrunken von seinen Söhnen aufgefunden. Und Daniel hat sogar einen Kontrahenten (indirekt) umbringen lassen, um ungehindert Ehebruch begehen zu können. Kann man die frauenfeindlichen Aussagen von Paulus oder die rassistischen Bemerkungen von Petrus einfach so hinnehmen oder muss man sich zwangsläufig voller Abscheu vom Christentum abwenden? Darf man noch gläubiger Katholik sein, obwohl der Vatikan, an dessen Spitze der „legitime Nachfolger Petrus‘“ steht, 1998 mit hoher Wahrscheinlichkeit den Mord an einem Kommandanten der Schweizer Garde (Alois Estermann) zu verantworten hat? Ist es ethisch vertretbar, sich zur evangelisch-lutherischen Kirche zu bekennen, obwohl der Begründer dieser Glaubensgemeinschaft offenkundig ein Antisemit, Reaktionär und Sozialrassist war? Sicher, Luther hat sich nicht selbst als Prophet bezeichnet, aber macht das die Sache wesentlich besser? Wenn man mal ein bisschen in der Geschichte des Islam herumstochert, tun sich sofort riesige Abgründe auf. Dabei ist die Welt voll von (friedliebenden) Menschen, die fest davon überzeugt sind, dass der einzige Weg zu Allah über Mohammed führt.<
Es hat vielleicht etwas mit Konsequenz und Rückgrat zu tun. Nimmt man Jesu Weisheiten, dann würden alle ausgespuckt werden, die lau sind. Das heißt für mich, dass heiß und kalt für ihn besser waren als die halbherzigen Mitschwimmer. Das Problem bei diesen gedankenlosen Mitläufern ist oft, dass sie nachher die für die Macht missbrauchte Masse darstellen, die dann im Auftrag Gottes töten und andere nette Dinge tun.
>Sie gibt den widerstandsfähigen Jungen und Mädchen Stabilität, ein Gefühl, dass ihr Leben Sinn und Bedeutung hat, und den Glauben, dass sich trotz Not und Schmerzen die Dinge am Ende zum Guten wenden.<
Das nennt man, glaube ich, Illusion oder Seifenblase. Das reicht für eine Weile, aber nicht über das Leben hinaus. Viele platzen schon vorher. Wenn du irgendwann einmal hinter die Kulissen der Heiligen schauen kannst, wirst du dich wundern, wie viel Unrat es da gibt. Die Heuchelei und das Bemühen, eine heile Fassade zu zeigen, sind sehr groß. Es wird vieles unter den Teppich gekehrt, und um sich selbst in ein besseres Licht zu rücken, werden Unschuldige verteufelt, Mitwisser hinaus gedrängt. Je höher der Rang und je besser die Beziehungen, um so mehr wird vertuscht und unter den Teppich gekehrt. Diese schizophrenen Verhaltensweisen zeigen irgendwann Wirkung. Man wundert sich, wie viele Mormonen und Mormoninnen unter Depressionen leiden.
>weil mir ein paar Aspekte der Lehre abstrus vorkommen oder weil einige unserer Propheten sowas von menschlich waren, dass es kaum zu ertragen ist.<
Es ist viel schlimmer: Der Kern, das Fundament ist faul. Diese Propheten waren und sind keine Propheten, sondern Scharlatane. Die Charakterzüge sind einfältig und primitiv. Das Machtsystem HLT-Kirche schafft sich heutzutage selbst automatisch immer solche Führer, die diese Fähigkeiten der Wahrheitsverdrängung (Cognitive Dissonanz) von klein auf gelernt haben, die gelernt haben, unkritisch und einfach nur gehorsam zu sein. Und nun da sie selbst Apostel und Propheten geworden sind und feststellen, dass die Verbindung zu Gott immer noch nicht da ist, haben sie ja die  zum Automatismus gewordene Selbsttäuschung angewendet und sich dies und jenes eingeredet. Dann ist ein normales Gefühl, das jeder bei gewissen Gelegenheiten empfindet, plötzlich Heiliger Geist und Offenbarung.
>Die Annahme, es gäbe keinen Gott, kann ich nicht nachvollziehen.<
Ich auch nicht. Ich habe ihn (oder sie oder es) zwar nie gesehen, aber ich habe erfahren, dass ich einer Spur folge, die jemand vor mir gelegt haben muss. Wenn andere dieses über mir stehende Wesen, das schon lange vor mir den Weg gegangen war, anders nennen, ist das für mich egal. Der Buddhismus kommt bewundernswerter Weise ganz ohne Gott aus, ich hingegen erlaube mir, die Hilfe eines (oder mehrerer?) unbekannten Wesens in Anspruch zu nehmen. Ich denke, dass es für mich so leichter ist, in die Mitte zu gehen und dort ewig auszuharren. Da in der Mitte ist die Lösung, das ewige Leben, vollkommene Erkenntnis.
>Ich glaube an ihn und tue dies viel lieber und leichter in einer Gemeinschaft von Gleichgesinnten.<
Noch empfindest du sie als Gleichgesinnte, aber irgendwann könnte es zum Konflikt kommen, es sei denn ihr seid eine Gemeinde aus lauter Intellektuellen, die frei über kritische Fragen diskutieren können. Normalerweise wird in der Sonntagsschule immer wieder etwas Falsches gesagt, wie z. B., dass es die Vielehe nur gab, um die vielen männerlosen Frauen versorgt zu wissen. Da möchte man als Wissender gerne aufklären und sticht ins Wespennest. Und wenn das öfter vorkommt, wird man bald zur Seite genommen, und um Stillschweigen gebeten...

>In der HLT-Kirche werden Werte wie Familie, Treue, Ehrlichkeit, Fleiß, Großzügigkeit, Nachsicht, … in einer Weise vermittelt, wie es mir zusagt. Mehr als in jeder anderen Glaubensgemeinschaft, die ich kenne.<
Gerade hier findet man die größte Heuchelei vor. Es wird nur darüber geredet und sonntags auch der Schein gewahrt. Du magst diese Prinzipien vielleicht ernst nehmen, wie ich es auch tat, aber andere sehen das nicht so eng.

>Mir fällt keine andere Institution ein, in der Menschen so häufig ohne eigene Initiative zu Positionen berufen werden, für die sie denkbar schlecht geeignet sind. Erhält man selbst ein Amt, zeigt einem dies immer wieder die eigenen Grenzen auf, erhält es ein anderer Mensch, so braucht man nicht selten extrem viel Toleranz, um dessen Unzulänglichkeiten zu ertragen. Ich wünsche mir, mal zu einer demütigen, duldsamen und nachsichtigen Person zu werden. Noch bin ich weit davon entfernt, aber ich habe den Eindruck, dass mir meine aktive Zugehörigkeit zur HLT-Kirche bei diesem Ansinnen hilft. Und vielleicht ist das ja auch so von Gott gewollt und er hat diese Glaubensgemeinschaft u.a. zu diesem Zweck ins Leben gerufen.<
Mir fällt auch keine andere Gemeinschaft ein, in der man viele Dinge lernt, die man sonst kaum gelernt hätte, besonders wenn man dann noch auf Mission geht. Ich denke da an die Überwindung von Hemmungen, vor Menschen zu sprechen, Aufgaben zu übernehmen, die andere nicht wollen usw. Dies alles ist nun aber kein Merkmal einer wahren Kirche, sondern nur ein Zeichen der Pfiffigkeit, alles Nützliche zu übernehmen. Die Führer der Kirche sind alle Manager und leiten sie auch so. Sie sitzen in Aufsichtsräten zahlreicher kircheneigener Unternehmen und kassieren zu dem regulären Gehalt als Generaltautorität noch die diversen Gehälter als Aufsichtsräte und Vorstände, zur Freude der lachenden Millionenerben. Welche Generalautorität würde da noch zugeben wollen, dass mit der Kirche etwas nicht stimmt. Nein, sie machen einfach weiter mit diesem System und keiner wagt es, an dem Boot zu schaukeln, in dem sie sitzen. In der Kirche findet dasselbe Spiel statt wie in dem Märchen „Des Kaisers neue Kleider“; alle sehen, dass der Kaiser nichts an hat, aber keiner will es aussprechen. Früher hieß es, dass die Apostel Jesus persönlich begegnen würden, da sie ja als persönliche Zeugen für Jesus Christus auftreten. Aber keinem von ihnen ist Jesus je begegnet und keiner spricht darüber, weil er sich nicht als vielleicht „unwürdig“ outen möchte. Genauso war es mit den Zeugen für das Buch Mormon. Alle taten so, als würden sie den Engel mit den Platten sehen, aber niemand außer Martin Harris hatte den Mut zu sagen: „Ich sehe gar nichts“, und schob es auf seine Unwürdigkeit.

>Und ich kann es absolut verstehen, wenn sich jemand voller Enttäuschung und Bitterkeit von der HLT-Kirche abwendet.<
Dies trifft für viele zu, aber nicht für mich. Ich würde noch heute zur Kirche gehen, aber es ist mir einfach unerträglich geworden, mir die gelogenen Zeugnisse anzuhören, mir den Unsinn anhören zu müssen, ohne etwas dazu sagen zu dürfen. Ich bin dann lange Zeit nur zu gesellschaftlichen Veranstaltungen gegangen, was jetzt auch nicht mehr möglich ist. Zu viele Unehrlichkeiten, zu viele himmelhoch jauchzende, zu Tode Betrübte, zu viel gespielte Freundlichkeit, zu viele heimliche Ehebrecher, zu viele unmoralische Angebote meiner Frau gegenüber.
>Aber ich bin nach wie vor der Ansicht, dass das Verlassen der HLT-Kirche nicht den einzigen Weg darstellt, um mit tatsächlichen und vermeintlichen Widersprüchen in ihrer Lehre und in ihrer Geschichte klarzukommen. Viele Menschen (inklusive mir selbst) sind nach einer langjährigen und kritischen Auseinandersetzung mit ihrem Glauben engagierter denn je.<
Ich habe die HLT-Kirche nie verlassen, sie hat mich ausgespuckt. Schau mal, wie lange du es aushältst. Bei mir waren es insgesamt 20 Jahre als Mormone.

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