Das Exmo-Diskussionsforum

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Verfasser: Gipfelstürmer
Datum: Sonntag, den 10. August 2008, um 20:19 Uhr
Betrifft: Danke für die Rückmeldungen

Hallo zusammen!

Ich habe mich über die vielen Reaktionen auf meine Ausführungen sehr gefreut. Vielen Dank dafür. Ich habe alle Beiträge mit Interesse gelesen. Außerdem finde ich es schön, für mein Bekenntnis, Mitglied der HLT-Kirche zu sein, lediglich etwas kritisiert, aber nicht gesteinigt oder als unzurechnungsfähig bezeichnet worden zu sein. Ich kann Menschen verstehen, die sich aufgrund der vielen tatsächlichen oder vermeintlichen Ungereimtheiten in der Geschichte und der Lehre der HLT-Kirche von ihrer Religion abwenden. Die Podcastfolge von John Dehlin auf http://mormonstories.org/whytheyleave/ reflektiert sehr gut meine eigene Sichtweise in dieser Angelegenheit. Im Gegenzug wünsche ich mir jedoch für mich selbst (und ähnlich denkende Menschen) Verständnis für die Entscheidung, trotz des Wissens um viele kritische Aspekte im Zusammenhang mit der HLT-Kirche weiterhin ein gläubiges Mitglied dieser Gemeinschaft bleiben zu wollen.

Ich denke, dass die HLT-Kirche als Organisation in der Vergangenheit mehrfach grobe Fehler begangen hat, über die offen diskutiert werden sollte. Zwar erwarte ich von einem Gottesdienst in meiner Kirche genauso wenig, ständig etwas über irgendwelche abstrusen Ansichten von Brigham Young zu erfahren wie ich beim Besuch einer evangelischen Kirche erwarte, von der Kanzel die haltlosen, behindertenfeindlichen Tischreden von Martin Luther vorgelesen zu bekommen. Wenn mich diese Inhalte interessieren, lese ich sie zu Hause nach. Im Gottesdienst will ich in erster Linie aufgebaut und gestärkt werden. Trotzdem sollten wir innerhalb der HLT-Kirche transparenter mit den schwierigen Fragen unserer Geschichte umgehen. Teilweise geschieht das schon recht konstruktiv. Der Ensign-Artikel von Richard E. Turley Jr. über das Mountain Meadows Massaker vom September 2007 ist ein Schritt in die richtige Richtung, den man meiner Ansicht nach auch als Kritiker der HLT-Kirche billigend zur Kenntnis nehmen sollte. Ein differenzierter Dialog ist wichtig, fanatisches Schwarzweißdenken ist hingegen wenig zielführend. Gegenüber Extremisten innerhalb meiner Glaubensgemeinschaft bin ich genauso skeptisch wie gegenüber Extremisten unter Ex- und Anti-Mormonen. Ich glaube weder daran, dass sich die HLT-Kirche u.a. im Hinblick auf die Polygamie, auf den Umgang mit Schwarzen und Homosexuellen oder auf die Aufarbeitung ihrer eigenen Geschichte stets korrekt verhalten hat, noch glaube ich daran, dass alle Generalautoritäten, Pfahlpräsidenten und Bischöfe korrupt und machtbesessen sind, dass hinter der Fassade der „einzig wahren Kirche“ ein ausgeklügeltes Verschwörungssystem steckt oder dass in allen strittigen Fragen (bzgl. der Herkunft des Buches Mormon, des Moutain Meadows Massakers, der Blutsühne, …) die jeweils unvorteilhafteste Interpretation gleichzeitig auch die glaubwürdigste ist. Ich versuche, die Arbeiten des BYU-Professors Daniel C. Peterson zur Herkunft des Buches Mormon mit genau so viel gesundem Misstrauen zu lesen die das Buch von Wayne L. Cowdrey und seinen Kollegen „Who Really Wrote the Book of Mormon?“. Spätestens seit der Affäre um die gefälschten Dokumente von Mark W. Hoffman Mitte der 80er Jahre bin ich besonders bei einem so kontroversen und emotional beladenen Thema wie der Geschichte der HLT-Kirche sehr zurückhaltend, wenn es darum geht, nach und nach ein Puzzle zusammenzustecken und dabei auf immer mehr Teile zu stoßen, die sich für mich letztendlich zu einem schlüssigen Bild zusammenfügen lassen. Dieser Prozess ist mir zu spekulativ. Ich habe z.B. bislang einige Versionen der Spalding-Theorie gelesen, die eine gewisse Überzeugungskraft aufweisen. Aber ich weigere mich, etwa die Ausführungen von Richard Bushman in seiner Biographie „Rough Stone Rolling“ nur deswegen als Propaganda und Nonsense abzuqualifizieren, weil sie u.a. die Motive und die Glaubwürdigkeit von Doktor Philastus Hurlbut, dem Entdeckers des erhaltenen Spalding Manuskripts, stark in Frage stellen. Es gibt super-viele Internetseiten, die von historisch völlig ungebildeten Befürwortern oder Gegnern der HLT-Kirche ins Netz gestellt werden und auf Basis von mehr oder weniger schlechten Sekundär- oder Tertiärquellen viel zu selbstbewusste Behauptungen beinhalten. Ich bin dadurch schwer zu beeindrucken. Das Internet ist meiner Meinung nach im Vergleich zu Büchern bei renommierten Verlagen ohnehin ein schlechter Ratgeber, weil hier jeder Mensch völlig ungefiltert und ungeprüft seine Thesen in den Raum stellen kann.

Ich möchte durch meine Beiträge in diesem Forum nicht als jemand betrachtet werden, der sich auf einer niedrigeren Entwicklungsstufe befindet als viele „erleuchtete“ Ex- und Anti-Mormonen, weil ich mich noch im Prozess der Verleugnung und der Ablösung befinden würde, den viele andere Teilnehmende an diesem Form schon abgeschlossen hätten. Auch will ich in keine Typologie eingeordnet werden. Was die meisten von uns verbindet, ist eine ernste Phase des Infragestellens, des Zweifelns und des intensiven Nachforschens. Mir ist es wichtig zu betonen, dass fundierte Informiertheit über die Geschichte und die Lehre der HLT-Kirche nicht zwangsläufig dazu führen muss, sie nur noch mit der schwärzesten Brille betrachten zu können und sich ein für alle mal von ihr zu distanzieren. Von der Kreuzung gehen mehrere Wege ab. Menschen, die ich aufgrund ihres profunden Wissens über die HLT-Kirche ganz besonders schätze, sind wie gesagt Richard Bushman und Van Hale. Sie stehen trotz (oder gerade wegen?) ihrer fundierten Kenntnisse zu ihrem Glauben. Ich tue das ebenso. In Zukunft würde ich mich in diesem Forum gerne ab und zu Wort melden, soweit ich die Zeit dazu finde und mir das jeweilige Thema diskussionswürdig erscheint. Ich will die HLT-Kirche nicht aus Prinzip verteidigen oder irgendjemand davon überzeugen, sich ihr wieder zuzuwenden. Das schaffe ich sowieso nicht. Genausowenig will ich mich davon überzeugen lassen, nur dann für voll genommen werden zu können, wenn ich meinen Glauben grundsätzlich verteufele. Ich finde eine kritische Auseinandersetzung mit meiner Religion einfach spannend und erhoffe mir ein besseres Verständnis für Meinungen, die von meiner eigenen abweichen.

Bis bald

Euer Gipfelstürmer

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