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Seite erstellt am 25.4.24 um 23:17 Uhr
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Verfasser: Rainer
Datum: Donnerstag, den 24. Juli 2008, um 21:11 Uhr
Betrifft: Ausstieg

>Der Ausstieg war eine der wichtigsten und besten Entscheidungen im Leben!

Absolut! Aber gleichzeitig auch eine der schwierigsten Entscheidungen, über die ich mir mehr als ein Jahr lang den Kopf zermartert habe.

Danach habe ich noch einige Zeit gebraucht, um Distanz zu meinem früheren mormonischen Leben zu gewinnen und auch um die Verbitterung über die Umstände im Zusammenhang mit meiner Abkehr von der Kirche (Gerüchte usw.) zu überwinden. Aus mormonischer Sicht hast du etwas grundlegend Falsches gemacht, wenn du den Glauben an die Kirche verlierst, also entweder eine schwere Sünde begangen, nicht genügend gebetet oder ’studiert’. Demgemäß verhalten sich dann auch viele Mitglieder dir gegenüber und einige suchen ihre Erklärung in Gerüchten. Das naheliegendste ist da natürlich der Ehebruch.

Während meiner aktiven Zeit war ich zuletzt 5 Jahre lang Hoher Rat und dann fast 2 Jahre Bischof und habe dabei viele Menschen kennen gelernt, die ich sehr geschätzt habe. Nach meinem ’Rücktritt’ gab es nur 2 oder 3, die mich nach den Gründen gefragt haben, von den meisten anderen habe ich nie wieder ein Wort gehört. Ich habe sogar den Satz gehört ’Ich will gar nicht wissen, warum du DAS gemacht hast’.

Es gibt ein Ereignis, aus dieser Zeit, an das ich mich wohl immer erinnern werde und das mir noch heute feuchte Augen bereitet, wenn ich daran denke. Zum Anlass meiner Abberufung und der Einsetzung des neuen Bischofs war die gesamte Pfahlpräsidentschaft am Sonntag in die Gemeinde gekommen. Ein Ratgeber des PP hielt die erste Ansprache und erging sich in langen Ausführungen über sein gutes Verhältnis zu dem neuen Bischof der Gemeinde und wie sehr er ihn schätzen würde. Der scheidende Bischof wurde mit keiner Silbe erwähnt. Nicht, dass ich jemand bin, der auf sowas großen Wert legen würde, aber zumindest ein Wort des Dankes kann man nach 2 Jahren Arbeit doch wohl erwarten - auch wenn man vorzeitig das Handtuch wirft!? Nach der Versammlung kam eine ältere ’Schwester’ aus der Gemeinde zu mir und wollte mit mir in ’mein’ Büro gehen. Auch durch meinen Einwand, dass ich ja nun nicht mehr Bischof sei, ließ sie sich nicht abhalten. Das Einzige, was sie von mir wollte: mich in den Arm nehmen und drücken und sich bedanken für die 2 Jahre als ’ihr’ Bischof. Später, als ich meine Geschichte aufgeschrieben habe, habe ich dazu notiert
"An diesem Tag war es nicht der ’berufene’ und ’inspirierte’ Priestertumsführer, sondern die ’einfache’ Schwester, die mir durch ihre Geste gezeigt hat, dass ihre Liebe und Anerkennung unabhängig von der Entscheidung ist, die ich getroffen habe."

In den Monaten danach habe ich immer darauf gewartet, dass sich mal einer von meinen früheren Weggefährten meldet, um meine wirklichen Beweggründe aus erster Quelle zu erfahren, aber da war Funkstille. Später kamen dann von Zeit zu Zeit mal die Missionare vorbei.

Ich glaube, dass viele Mormonen Angst davor haben, sich mit den Hintergründen von Abtrünnigkeit auseinanderzusetzen. Viele haben wahrscheinlich Angst vor den eigenen Zweifeln, die dadurch verstärkt oder sogar bestätigt werden könnten. Ich persönlich bin der Überzeugung, dass es auch unter den aktiven Mormonen viele gibt, die große Zweifel an der Kirche haben, aber Angst vor den Folgen, die eine Loslösung mit sich bringen könnte.

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