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Verfasser: Sappho
Datum: Donnerstag, den 15. November 2007, um 1:09 Uhr
Betrifft: Der ganze Artikel

Gab es einen Männergott, und welche Auswirkungen hatte er auf die Geschlechter?

Vorwort:

Am Anfang war die Göttin!
Dieses Wissen, jahrhundertelang vergessen und ignoriert, wurde in den letzten Jahrzehnten wieder neu entdeckt.
So schrieb Elizabeth Gould Davis in ihrem 1971 erschienenen Buch "Am Anfang war die Frau", dazu:

"(...) Mehr und mehr beweist die Archäologie, dass es in der Tat wirklich ein Goldenes Zeitalter gab, eine gynaikokratische Epoche, die unzählige Jahrtausende andauerte, bis über die Dämmerung der geschriebenen Geschichte herauf. (...) Der Mann war friedfertig, die Gottheit weiblich und die Frau überragend. Frieden und Gerechtigkeit herrschten unter einer allbarmherzigen Göttin, und die langen Kleider der Priesterinnen sind bis zum heutigen Tag das Gewand der männlichen Priester, die später folgten.
Der Monotheismus, von dem man einst glaubte, Moses oder Echnaton habe ihn erfunden, war in der Vor- und Frühgeschichte weit verbreitet. "Es scheint, Evans hatte recht, wenn er behauptete, dass es ein Monotheismus war, in dem die "weibliche Form der Göttin vorherrschte"
(E.O. James, "The Cult of the Motter Goddess", S. 250).

Selbst der allmächtige Jahwe, der Gott Moses und der späteren Hebräer, war ursprünglich eine Göttin, Iahu-’Anat, deren Name sogar von der sumerischen Göttin gestohlen worden war. Theodor Reik fragt, was eigentlich mit der ursprünglichen Göttin der Juden geschah, Dann gibt er selbst die Antwort:

" Die Torah bildet die Grundlage, auf der das Judentum ruht. Sie wird für älter als die Welt gehalten und ihr wird EINE KOSMISCHE ROLLE (BEI DER SCHÖPFUNG) ZUGESCHRIEBEN. (...) Selbst in dieser verwässerten Form erkennen wir noch die zuerst weibliche Göttin" (Theodor Reik, "Pagan Rites in Judaism", S. 76).

Und Robert Aron macht sich Gedanken über die vormosaischen Juden. Er fragt, wen sie vor Jehova verehrten. Und er kommt zu dem Schluss, von Reik: Torah, die älter als Gott ist (Robert Aron, "The God of the Beginnings", S. 10-11).
(...) Raphael Patai weist auf vierzig Stellen im Alten Testament hin, in denen die Göttinnenverehrung unter den Hebräern erwähnt ist (Raphael Patai, " The Hebrew Goddess"), selbst nach all den späteren patriarchalen Ausgaben. In der Zeit des Jeroboam teilte die Göttin den Tempel mit Jehova. Und der Grund, warum Jezebel solch einen schlechten Ruf unter Christen und Juden hat, ist der, dass sie für die Göttin und gegen Jehova war und König Ahab zu ihrem Glauben an die Göttin bekehrt hatte.
"So tief war der Göttinnenkult in Palästina verwurzelt", schreibt E.O. James, "dass alle drastischen Reformversuche von Seiten der Jahweisten bis zum Ende der Königherrschaft überdauerte" (E.O. James; The Ancient Gods", S. 91-92)." (zitiert aus Elisabeth Gould Davis: Am Anfang war die Frau", Seite 64f)

Hier wird deutlich, wie aus dem Kult der großen Mutter durch Lug und Trug, durch Verschweigen und Verdrängen, Die Göttin "abgeschoben" wurde, und durch einen patriarchalischem Gott ersetzt wurde.

Vom Matriarchat zum Patriarchat

Wie das im Einzelnen geschah?
Sie übernahmen die Kulturen Ägypten und Kanaans auf, wo sie als Sklaven oder Eroberer waren, trugen aber zu beiden Kulturen selbst nichts bei (Immanuel Velikowsky, "Ages in Chaos", S. 192 und 196). Die babylonische Gefangenschaft hatte ebenfalls den Hebräern vieles an Kulturklau gebracht, in einer Zeit, in der im 6. Jahrhundert v. Christus das Alte Testament erdacht und aufgeschrieben, jedoch nicht, ohne zu verdrehen und zu verschweigen, das Teile dieses Alte Testament (die "Schöpfungsgeschichte) ursprünglich aus babylonisch- sumerischer Sage und Geschichte bestand".
Reik schrieb über diese Zeit:

" Von Geschichtsforschern wurde seit langem behauptet und bewiesen, dass die hebräischen Stämme wie ihre Nachbarn (...) eine Göttin (...) verehrten, und dass nur die strenge Herrschaft des Jahwismus den alten Kult unterdrückte, von dem im Alten Testament immer noch Spuren vorhanden sind" (Reik; a.a.O. S. 101).

Während ihrer Gefangenschaft in Babylon hörten die Juden die Sage von Tiamat und den Schöpfungsbericht, wie er in der ENUMA ELISCH stand. In dieser ältesten hochentwickelten Kultur, die bisher entdeckt wurde, in der sumerischen, ist die Schöpferin des Universums Tiamat, die später zu Ishtar wurde. Jüdische Priester übernahmen diese Geschichten in ihren Kanon auf, jedoch mit dem Unterschied, das sie aus Tiamat einen Gott machten, und ihre eigene alte Göttin Jahu (oder auch Anat) vollständig beseitigten.
Und so stand "Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde" im Alten Testament, anstatt " Am Anfang brachte Tiamat Himmel und Erde hervor!" Die ersten vier Kapitel der Schöpfungsgeschichte, so Graves in seinem Buch "Adams Rib" (Seite 12), seihen "ein sehr spätes literarisches Produkt."
In der ursprünglichen Geschichte wurden Adam und Eva zur selben Zeit erschaffen, bei den Jahwisten kam Eva nach Adam. Welche weitreichenden Bedeutungen diese Änderung für das Verhältnis der Geschlechter zueinander hatte, werde ich später ausführlicher ausführen.
Als Beispiel für die Lügen des Patriarchats sei nur ein Zitat von Robert Graves (The White Goddess", S. 215) zitiert, der sich auf die Adam- Eva- Geschichte bezieht:

" Jehova gab es im ursprünglichem Mythos nicht. Die Mutter allen Lebens (Eva) ist es, die (Adam erschafft und dann) ihn aus dem fruchtbaren Gebieten vertreibt, weil er EINIGE IHRER VORRECHTE AN SICH GERISSEN HAT" (Hervorhebung von mir).

Schurè schrieb dazu:

"Eva macht dreiviertel des Wesen Gottes aus, denn der Name Gottes ist zusammengesetzt aus der Vorsilbe Jod(j) und dem Wort Eva. Einmal im Jahr sprach der Hohepriester den heiligen Namen aus, indem er ihn buchstabierte: Jod,he,vau,he"(Eduard Schurè, "The Great Initiates", S. 251).

Interessant ist auch noch, das die Anhängerinnen des Bacchus einen Ruf ausstießen, der denen des Hohepriesters sehr ähnlich sein könnte (("E-Vo-E").
Irgendwie erinnert mich die Schöpfungsgeschichte an die pervertierte Vorstellung Homers; der meinte, das die Göttin Athene aus dem Kopf des Zeus geboren wurde, um die Männerherrschaft zu rechtfertigen, und um so die Göttin Athene ihrer rechtmäßigen Stellung zu berauben. Sie, die das Haupt der Unsterblichen und die Schöpferin des griechischen Volkes war, zu vertreiben. Wie sagte doch Apuleius in seinem Werk " The Golden Ass" so schön auf den Seiten 45 und 5 45 (Übersetzung W. Adlington) so schön:

"Alle Mythen besagen, dass das Weibliche nicht das Männliche, Spenderin allen Lebens ist!"
Dem ist nichts mehr hinzuzufügen!

Die Folgen dieser Vorstellungen für Frauen

Platt ausgedrückt, wurden Männer als gottähnlich angesehen, und Frauen waren nur dann etwas wert, wenn sie sich männlichen Normen, Wünschen und Vorstellungen unterordneten. Die Trennung in "Heilige" und "Hure", ist keine Erfindung der jüngeren Zeit, sondern hat ihren Ursprung in dem Frauenbild patriarchalische Männer und ihrer domestizierten Frauen!
So hatten Frauen im ersten Jahrhundert christlicher Zeitrechnung in den christlichen Gemeinden Gleichberechtigung, indem sie Gemeinden gründeten und leiteten, ja, sie waren sogar Apostelinnen und Bischöfinnen was ihnen durch Paulus und Konsorten wieder abgesprochen wurde. das letzte kirchliche Amt, das Frauen haben durften war der der Diakonin, die ihnen im 6. Jahrhundert mit der fadenscheinigen Begründung ihrer "Unreinheit" (Mens) abgesprochen wurde.
Frauen wurden aus allen öffentlichen Ämtern verdrängt und auf den Zustand eines unmündigen Kindes herabgesetzt, das allein zur männlichen Verfügung stehen solle, um männliche Bedürfnisse zu erfüllen. Wie das im Einzelnen aussah, beschreibt Ruth Ahl, eine katholische Publizistin in ihrem Buch "Eure Töchter werden Prophetinnen sein" auf den Seiten 44 ff:

" Wenn Menschen sich Gott männlich vorstellen, so sind alle Männer gottähnlich, zumindest gottähnlicher als Frauen(...). Da der Weg zum einen, Einzigen Gott in einer patriarchalisch geprägten Umwelt und Epoche stattfand, blieb es nicht aus, dass auch das Bild dieses Gottes androzentrische, patriarchale Züge bekam(...). Die weibliche Symbolik wurde der menschlichen Seite zugeordnet; so wird das Volk Israel, die Kirche, die Menschheit als Braut oder (meist treulose) Ehefrau vorgestellt. Wobei die Beschreibung der Beziehung Gott/Menschheit in männlich- weiblicher Terminologie, erstmals ausgeprägt beim Propheten Hosea, durchaus als Fortschritt (?) anzusehen ist! (...)".

Die "weiblichen Bilder Gottes", immer noch geprägt durch die patriarchalische Frauenrolle, wird hingegen nicht erwähnt. Und auch nicht, das zu diesem Zeitpunkt begonnen wurde, den Heterosexismus zukünftiger Gesellschaften zu zementieren. Im Reich der Göttin war Liebe und Sexualität nicht auf die Beziehung unterschiedlicher Geschlechter beschränkt!
In der modernen Theologie bedeutet das, die Bibel zu hinterfragen, damit nicht das geschieht, was fromme Juden jeden Morgen beten, wenn sie sich bei Gott bedanken, das er sie "nicht als Frau erschaffen hat!"
Das die reale Unterordnung der Frau unter dem Mann, theologisch begründet und für gerechtfertigt erklärt, in Frage gestellt wird!
Zur Zeit des Alten und des Neuen Testaments war es üblich, das ein Mann, der eine Jungfrau vergewaltige, dazu gezwungen wurde (wie auch heute noch in vielen Kulturen) diese Frau zu heiraten( 5.Mose 22:22; 28). Niemand fragte danach, was die Frau dazu dachte, und ob sie das auch wolle!
Frauen zählten nicht!
Und dieses Denken, das Frauen nicht zählen würden, gilt auch noch in der heutigen Zeit; wo Frauen für die gleiche Arbeit weniger Lohn bekommen, wo "Frauenarbeit" weniger zählt, und noch nicht einmal in die Statistiken des nationalen Einkommens gezählt werden.
Und wenn Frauen von Männern vergewaltigt und getötet wird, wer bekommt meist die Schuld/Mitschuld? Warum wird Gewalt gegen Frauen als so "natürlich" angesehen?
Elga Sorge berichtete in ihrem 1985 erschienenen Buch "Religion und Frau" von einem Erlebnis, das einige ihrer Mitarbeiter und sie hatten, als sie über den Mord des Elia an den Anhängern der Göttin referierte:

" Meine Mitarbeiter im theologischen Ausschuss bemerkten zunächst nicht, dass der Prophet Elia als Mörder dargestellt und von Gott selbst zum Morden ermutigt wird. Auch mir war das früher entgangen. Man ist einfach zu sehr daran gewöhnt, die Bibel mit der patriarchalischen Brille zu lesen, und aus diesem Blickwinkel erscheint Töten und Morden gerechtfertigt, wenn es den heidnischen Kult vernichtet, und den Jahwe- Kult stärkt. Das Böse muss schließlich vernichtet werden und dass der Göttin- Kult, der im Lande Ägypten und Kanaan geübt wurde, böse sei, hat JAHWE SELBST SEINEM PROPHETEN GEOFFENBART, wie z.B. Elias Geschichte darstellt" (Seite 54, Hervorhebung von mir).

Das Identitätskonzept des Patriarchats (nicht nur der mormonischer Ausprägung) sieht vor, ihre eigene Identität in der Identität des Mannes zu finden, sich ihm unterzuordnen und sich zu erniedrigen, und somit "freiwillig" auf eine eigene Identität und eine eigene,
selbstbestimmte Sexualität zu verzichten, damit es "Männe" gut geht!
Aber wer fragt, nach unserem Wohlergehen?

Fazit

Um dahin zu gelangen, das ein Geschlecht das andere nicht mehr unterdrückt und bevormundet, müssen beide Geschlechter sich kritisch mit dem androzentrischem Gottesbild beschäftigen, und welche Auswirkungen es auf das Selbstbild als Frau/Mann hat, bzw. auf das
Bild, das wir vom anderen Geschlecht haben. Es bedeutet, auch unsere eigene Identität und unsere Sexualität soweit in Frage zu stellen, ob sie unserem Sein entspricht, oder nicht eher etwas ist, was gesellschaftlich von uns erwartet wurde.
Und es verlangt von uns, das Gottesbild in Frage zu stellen, und zu erkennen, das Frauen und Männer, Erwachsene und Kinder, Tiere, Pflanzen und alles, was sonst erschaffen wurde, Abglanz der göttlichen Herrlichkeit ist; egal, ob wir nun Gott als Mann, Frau, oder als "universelles Wesen" betrachten!

Ende

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