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der Beitrag:
Verfasser: koriantumr
Datum: Donnerstag, den 12. Juli 2007, um 13:34 Uhr
Betrifft: Absolutheitsanspruch und Ökumene

Ich finde, wer die Verlautbarung des Heiligen Stuhls gründlich liest und nüchtern-rational darüber nachdenkt, muß feststellen, dass es ein intelligenter "Dritter Weg" zwischen Wahrheitsanspruch und der Verpflichtung zur Zusammenarbeit mit anderen "Kirchen" und christlichen Gemeinschaften ist. Um einen sinvollen konstruktiven und ehrlichen Dialog mit anderen führen zu können, muß man selber über einen klaren Standpunkt verfügen.

Diese Quadratur des Kreises ist Anspruch und Herausforderung zu gleich. Dem heutigen Zeitgeist passt das natürlich nicht. Bei vielen kommt direkt ein "Ungerechtigkeitsgefühl" hoch, wenn einer für sich die Wahrheit reklamiert. Das neue unfehlbare und unantastbare Dogma dieser Denkrichtung lautet allerdngs: Eigentlich ist gar nichts von allem wahr ("Keiner hat recht") oder alles ist gleich wahr ("Alle haben recht"). Man muß nur bedenken wo alles gleich gültig ist wird irgendwann alles gleichgültig und Toleranz substanzlos!!!

Zugegeben, die amtlichen Verlautbarugen der Theologen klingen sprachlich manchmal etwas hölzern und für den ein oder anderen verquast. Ich habe mich auch über längere Zeit in diesen Sprachduktus und das theologische Fachchinesich einlesen müsen. Mittlerweile bin ich drin und kann die Texte einigermaßen in Ihrer Tiefe erschließen und verstehen.
:-D

Mangelnde Dialogbereitschaft kann man der RKK aber auch nicht vorwerfen, das vatikanische Sekretariat für die Einheit der Christen steht in ständigem Kontakt zum Lutherischen Weltbund, dem Ökumenischen Rat der Kirchen und den Patriarchaten der Orthodoxie.
Außerdem pflegt Rom Dialog mit Juden, Schiiten, Suniiten, Freidenkerverbänden, der Wissenschaft uva. Hier wird sich wirklich nicht im Elfenbeinturm eingeigelt.
Es ist auch bei 1,2 Milliarden MItgliedern eine immense Leistung diese äußerst heterogene Schar zusammenzuhalten. Katholik kann man sein von der Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche" bishin zur Petrusbruderschaft, Opus Dei und dem Neokatechumenat. Die RKK ist an den Rändern leicht ausgefranst. Auf der Linken Seite steht die Altkatholische Kirche, wo´s ja auch den ein oder anderen Forumsteilnehmer hinverschlagen hat. Denen ist Rom zu reaktionär. Auf der anderen, rechten Seite steht die schismatische Piusbruderschaft, die dem Vatikan zuviel "Modernismus" vorwirft und als "VII.-Sekte" verunglimpft.

Nun noch ein heutiger Zeitungsartikel (Kommentar) aus einer großen überregionalen deutschen Tageszeitung von einem evangelischen(!) Autor. Den find ich gut:

Leitartikel
Grenzen der Ökumene
Zwar ist es für evangelische Christen unerfreulich, dass ihre Gemeinschaften nach Meinung des Vatikans "nicht ’Kirchen’ im eigentlichen Sinn genannt werden" können. Doch besteht kein Grund, sich über das Schreiben der römischen Glaubenskongregation hellauf zu empören.
Zum einen nämlich hat deren Präfekt, Kardinal Levada, mit Zustimmung des Papstes nur bekräftigt, was als unverzichtbarer Legitimationsgrund der katholischen Kirche offen zutage liegt: Rom kann nicht anders, als darauf zu beharren, dass "die einzige Kirche Christi" die römisch-katholische sei, "die vom Nachfolger des Petrus und von den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm geleitet wird". Denn am Anspruch auf die apostolische Sukzession, auf die ununterbrochene Verkörperung der von Jesus gegenüber Petrus gestifteten Kirche, hängt für Rom unendlich viel.
Das wird im vatikanischen Schreiben auch offen zugegeben: Ohne apostolische Sukzession kein "sakramentales Priestertum", keine "vollständige Wirklichkeit des eucharistischen Mysteriums", kein Papsttum. Wer geweihte Priester mit exklusivem Zugang zum "Geheimnis des Glaubens" haben will, muss ihnen Zugang zur Ursprünglichkeit Jesu eröffnen, und das gelingt nur in der Generationenfolge der kirchlichen Kontinuität und Hierarchie. Ebenso lässt sich die Lehre von den Heiligen nur aufrechterhalten, wenn die katholische Kirche darauf besteht, dass in ihrer Geschichte das Heilswerk Christi unmittelbar fortgesetzt wird. Auch ihre Bibelübersetzung mit der Berücksichtigung späterer katholischer Deutungen ist nur zu legitimieren, wenn der katholischen Geschichte eine exklusive Heilsfunktion zugeschrieben wird.
All dies ist bekannt. Dass es bekräftigt wird, ist kein Grund zur Aufregung. Das gilt auch für die Tatsache, dass Rom zwischen den Kirchen der Reformation und den Orthodoxen unterscheidet. Weil Letztere am Prinzip der apostolischen Sukzession mit allem Weihezubehör festhalten, werden Orthodoxe folgerichtig als "Schwesterkirchen" bezeichnet, denen es nur an einem fehlt: Sie erkennen nicht an, dass der römische "Papst als sichtbares Haupt der Bischof von Rom und Nachfolger des Petrus" ist. Dass sie ansonsten Rom näherstehen als die Protestanten - wer wollte das bestreiten?
Und so wird deutlich, warum zum anderen Empörung über das vatikanische Schreiben nicht angebracht ist: Es öffnet die Augen für die Realität. Und in der hat Ökumene Grenzen. Zwischen den christlichen Konfessionen bestehen in Glaubenslehre und -praxis große Unterschiede, die bei noch so viel gutem Willen nicht aus der Welt zu schaffen sind. Es wäre auch nicht zu wünschen: Eine Wischiwaschiökumene, bei der die Protestanten ein bisschen mehr auf den Papst hören und die Katholiken ein bisschen weniger in die Hostie hineingeheimnissen, wäre ein theologisches Desaster und würde die Überzeugungskraft des Christentums erst recht schwächen. Solange die Christen untereinander nicht von ihrer Toleranz ablassen - wonach es nicht aussieht -, ist ein Glaubenswettbewerb im Sinne der Ringparabel besser als ein Ökumenekartell, in dem sich die amtskirchlichen Gebietsmonopolisten zur Abwehr freikirchlicher Konkurrenz zusammenschließen.
Ob freilich die beiden großen Kirchen des Westens für jene Konkurrenz gut gerüstet sind, ist eine andere Frage. Dass die Protestanten Europas Profilprobleme haben, dass sie ihre Glaubensinhalte, ihre Verwiesenheit auf die Bibel und den Zauber ihres musikalischen Erbes wenig zur Geltung bringen - das hat sich ja herumgesprochen. Doch auch die katholische Kirche tut sich gegenüber christlicher Konkurrenz schwer. Dass ihr in Lateinamerika viele Gläubige zu Freikirchen entlaufen, hat weniger mit der Ekstatik der Pfingstler zu tun als damit, dass diese eine alltagstaugliche Ethik und eine Geborgenheit unter Laien anbieten, denen gegenüber der Katholizismus wenig attraktiv wirkt. Was bei europäischen Intellektuellen derzeit modisch ist: lateinischer Ritus, apostolische Sukzession, dogmatische Strenge - diese zeitgeistige Konzentration auf Traditionsgüter spricht viele Christen in der Welt nicht an.
Die katholische Kirche wird sich dem stellen müssen. Das geschieht am besten unter Konkurrenzbedingungen. Sie wird herausfinden müssen, ob es funktioniert, wie Benedikt XVI. jenes mitreißende Charisma, das sein Vorgänger persönlich verkörperte, nun von der katholischen Tradition ausstrahlen lassen will. Und die Protestanten müssen herausfinden, welche Botschaft sie eigentlich noch mitzuteilen haben. Es ist ja nicht so, dass niemand darauf wartet. Diesem Bedürfnis gerecht zu werden gelingt denen am besten, die sich ihrer selbst bewusst und nicht auf faule Kompromisse mit anderen angewiesen sind.

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