Das Exmo-Diskussionsforum

Beitrag 22 von 24
zum Thema Früher und heute 		Seite erstellt am 24.4.24 um 23:04 Uhr
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Verfasser: Renate
Datum: Mittwoch, den 25. April 2001, um 9:02 Uhr
Betrifft: Darum!

Hier meine Gründe:  Obwohl ich schon jahrelang von den Mormonen weg war, habe ich trotzdem immer zu der Kirche gehalten, sie verteidigt, vor genau solchen "Antimormonen" wie sie sich hier "tummeln", vor ihren (für mich offensichtlich) "verleumderischen" Aussagen über diese Kirche. Wenn du miterlebt hättest, wie sehr mich das aufregen konnte! Ich habe Leserbriefe geschrieben, mit Redaktionen telefoniert, von z.B. TV Sendern, die m.E. nach Falsch-Infos über die Kirche lieferten. Es ging soweit, dass der Bischof meiner Gemeinde, dem mein Engagement von meiner Besuchslehrerin (die aber nur noch meine Freundin war) zugetragen wurde, in einer Ansprache mein Verhalten lobend erwähnt hatte. Er meinte, dass sich so manche Mitglieder ein Beispiel an meinem Einsatz nehmen sollten. Das wurde mir erzählt, ich war nicht dabei.

Ich habe "suchende" Menschen sozusagen "missioniert". Das alles im besten Glauben, die beste Religionsgemeinschaft der Welt zu unterstützen und zu verteidigen, zu der ich nur deshalb nicht mehr dazu gehören konnte, weil ich, aufgrund meines Bibelstudiums, keine Christin mehr sein konnte. Eigenartigerweise kam ich nie auf die Idee, die Geschichte der Kirche zu studieren, lag aber wohl auch an kaum vorhandener Möglichkeit dazu. Erst durch das Internet fand ich diese Möglichkeit, erkannte nicht nur die wahre Geschichte der Kirche, sondern auch ihre Manipulation der Mitglieder. Ich erkannte und erkenne und erleb(t)e auch das Leid, die psychischen und oft auch physischen Verletzungen, die den Mitgliedern von dieser Kirche, im Namen Gottes, angetan wurden und werden. Ich sehe die Verzweiflung derer, die nicht die Kraft aufbringen sich aus dieser Organisation zu lösen, aus Angst vor Gottesstrafe oder sei es auch nur, weil sie so gerne bleiben würden, wenn einige Dinge nur etwas besser für sie laufen würden. Ich sehe die Verzweiflung derer, die sich zwar gelöst haben, aber deren Vergangenheit in dieser Kirche, tiefe Wunden in ihrem Leben hinterlassen hat, die nicht wieder, oder nur sehr oberflächlich zu heilen sind.

Und das, mein lieber "Chaplin" macht mich traurig, manchmal auch wütend und gleichzeitig schäme ich mich dafür, fühle mich schuldig, weil ich einmal dazugehört habe, weil ich auch einmal Menschen manipuliert habe. Ich weiss, es geschah von meiner Seite (genauso wie von der Seite der meisten Mormonen) im besten Glauben das Richtige zu tun, trotzdem fühle ich mich schuldig.

Ja, ich bin mir meiner Sache ganz sicher, weil diese "Sache" diesmal nicht auf Glauben beruht, sondern auf Wisssen, das ich mir selbst erarbeitet habe, Schritt für Schritt. Ich brauche auch kein Schulterklopfen für mein Wissen, denn das kann sich jeder aneignen. Und ich fühle mich nicht im geringsten überlegen. Das tat ich als Mormonin, denn da wurde mir suggeriert etwas Besonderes zu sein, nur weil ich im Gegensatz zu all den anderen, die "Wahrheit" kenne, zu "Gottes auserwähltem Volk" gehöre. Ich erinnere mich noch ganz genau an das Gefühl der Überlegenheit, wenn uns beim Missionieren wieder einmal eine Tür vor der Nase zugeschlagen wurde, wir manchmal sogar beschimpft wurden, und auch das Gefühl, etwas besonderes zu sein, wenn ich Sonntags vor dem Gemeindehaus stand, mich mit den Missionaren und anderen Mitgliedern unterhielt und die Blicke der "Ungläubigen" auf uns gerichtet fühlte, die vorbei gingen. Ich glaubte in einer Art "Vorstufe des Paradieses" zu sein, nur weil ich Mitglied dieser Kirche war. Selbstverständlich sprach ich das niemals aus, denn ich musste ja Demut, Nächstenliebe, Toleranz zeigen, bestenfalls Mitleid haben mit denen, die nicht glauben wollten. Ich war damals noch nicht einmal zwanzig, aber ich schäme mich noch heute trotzdem dafür und ich weiss heute, dass ich damals nicht den geringsten Schimmer davon hatte, was Demut, Toleranz und Nächstenliebe tatsächlich bedeuten.

Warum ich mich hier noch tummle? Weil ich anderen Menschen, die sich von dieser Kirche lösen wollen, helfen möchte, Mut zusprechen will, ihnen zeigen, dass ein Leben ohne diese Kirche reicher, schöner und erfüllender sein kann, dass Nichtmitglieder und Exmormonen keine Menschen zweiter Klasse sind. Und alle, die Mormonen, ZJ, oder was auch immer bleiben wollen und dabei glücklich sind, die sollen es auch bleiben. Ich will bestimmt niemanden mehr "missionieren". Diese Zeiten sind endgültig vorbei.

Andere Gründe, warum ich mich hier noch tummle sind auch: Weil ich die Exmos hier mag, weil wir auch Spaß haben. Dieses Forum ist wie ein Stammcafe, in das man immer wieder gerne schaut, alte Bekannte trifft, etwas plaudert, manchmal hilft und zusammen lacht ...;-):-) und natürlich sind es auch die Smilies:-):-):-)
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