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Seite erstellt am 19.4.24 um 16:56 Uhr
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Verfasser: phlipsi
Datum: Dienstag, den 29. August 2006, um 16:06 Uhr
Betrifft: AW: Sühnopfer

> Genau das verstehe ich eben nicht. Er hat uns dann eben seinen Sohn geopfert - für Gott ja nichts besonderes.

Ich sehe das nicht so. Wenn man dem Gott wenigstens das Gefühl der Lieben zugesteht, dann ist es sehr wohl ein Opfer. Er lässt zu, dass die, die er im Grunde auch liebt, eine Person, die ihm sehr am Herzen liegt, hinrichten. Bis zu seiner Kreuzigung hat Jesus gezeigt, wenn man Gott vertraut, wird er euch aus jeder Patsche helfen. Und dann lässt Gott das zu (sicher schwersten Herzens). In meinen Augen ist das ein umwerfend schlüssiger Weg, zu zeigen, dass er uns alle liebt.

>Ich würde (als Mensch) für einen Menschen, den ich wirklich liebe, sogar mein eigenes Leben geben.

Wirklich? Das ist toll. Vielleicht würde ich das für einen Menschen auch tun, zu dem ich eine ganz besondere Beziehung habe. Einer der mich respektiert und den ich respektiere. Aber wie schaut es mit den anderen aus? Ich muss für mich eingestehen, dass es sehr viel Kraft kosten würde, auch für ein unverbesserliches Scheusal diese Bürde zu tragen.

> Es gelingt mir auch nicht, Gott solche menschlichen Gefühle (dass es für ihn ein Opfer wäre, seinen Sohn sterben zu lassen) zu unterstellen, wo er doch erhaben über jedes Leid sein müsste.

Wenigstens die Liebe ist nötig, oder? Wenn man ihm unsere Erschaffung einräumt, dann kann man ihm doch auch eine Art Zuneigung uns gegenüber zugestehen, oder? Und ich glaube, es geht weit über bloße Zuneigung hinaus. Es passt mir - zugegebenermaßen - einfach so am besten in den Kopf.

> Und was bewirkt dieses Opfer denn? Was hat sich verändert? Dieser Gedanke setzt doch voraus, dass wir alle einen großen Schuldkomplex haben, jemanden brauchen, der uns davon erlöst; der Gedanke, dass wir alle Sünder sind und es nie schaffen werden uns zu erlösen.

Ich für meinen Teil musste auch lange daran kauen. Es passte mir nicht in den Kopf mich von Anfang an als Sünder abstempeln zu lassen. Dann hat mir mal einer erklärt, dass sich Sünde von verfehlen ableitet. Das hat in meinen Augen die Sache schon etwas verändert. Ich muss für mich gestehen, dass ich bei weitem nicht immer für all meine Mitmenschen einstehe zum Beispiel. Sicher ist es schwer, einem Obdachlosen auf der Straße zu helfen aber was würde es uns denn kosten? Aber ich mache es trotzdem nicht. Ich kann mich nicht von einer gewissen Schuld lossprechen, gegen deren Ursache ich, obwohl ich darum weiß, nichts unternehme.

> Heißt das, dass wir jetzt nur noch in die Kirche gehen, fromme Lieder singen und glauben müssen, dass wir jetzt dank des Sühnopfers automatisch in den Himmel kommen?

Nein sicher nicht. Da hast du recht, es würde die Angelegenheit zu stark vereinfachen. Vielleicht sollten wir es so sehen, dass es ein Zeichen für uns ist, dass wir nicht verloren sind. Vielleicht sollte man es so sehen. Gott bietet uns jederzeit Hilfe an, es ist uns freigestellt, seine Hilfe in Anspruch zu nehmen. Er hat auf jeden Fall mal den ersten Schritt gemacht und uns ein Zeichen gegeben, dass er es, was auch immer sein sollte, gut mit uns meint.

Außerdem, ich finde es sehr schön in der Kirche. Auch wenn ich nicht daran glaube, ein Stückchen von Jesus zu essen oder ein Schluck seines Blutes zu trinken. In mir kommt in der Kirche das Gefühl auf, an etwas Heiligem wenigstens zu schnuppern.

> Welche Form des christlichen Glaubens erlöst mich denn?

Keine Ahnung. Auf diese Frage kann ich keine Antwort geben. Vielleicht werden das die Menschen nicht für sich beantworten können. Zu groß ist der Egoismus und zu schnell schießt der fanatische Eifer in die Höhe.

> Der Sühnopfergedanke basiert doch nur auf der Vorstellung, dass die Menschheit eine durch Adam und Eva gefallene Kreatur ist (Legende).

Wie ich schon schrieb. Ich fände es auch unfair, wenn man mich für die Sünden dieser zwei Personen schuldig machen will. Meiner Meinung nach ist diese Geschichte auch viel zu sexistisch. Warum ist es denn die Frau, die den Mann zur Untat verführt? Sicher ist für mich aber, dass ich nicht von mir behaupten kann, ein ethisch und moralisch einwandfreies Leben zu führen. Man kann es vielleicht symbolisch sehen. Diese zwei haben gezeigt, dass der Mensch nicht ohne Fehl und Tadel sein kann. Es ist wohl eine recht unglückliche aber sehr etablierte Aussage, dass wir nun dadurch mit der Erbsünde behaftet sind (und das schon von Geburt an!)

> Verstehen kann ich wohl, dass jemand wie Jesus dagegen sprechen wollte, dass man glaubte, dass man durch das peinliches Befolgen von religiösen Gesetzen und Ritualen ein besserer Mensch als andere wäre, und dass er darauf hinweisen wollte, dass man an seinen Charaktereigenschaften feilen müsste, Prinzipien, auf die man eigentlich von selbst kommen müsste.

Stimmt!

> Aber mit der Schaffung neuer Rituale und Gesetze (z. B. Taufe, Abendmahl) sind diese Ansätze dann wieder verpufft.

Nun gut, was Rituale angeht, kann man immer geteilter Meinung sein. Sicher empfinden wir es mehr und mehr unangebracht, solche Handlungen zu vollziehen. Aber zu sehr hat sich die christl. Kirche darin verstrickt, um mit dem Zeitgeist mitzugehen und zu sehr würde sie dann den solidarisierenden Effekt schmälern. Welche Rituale man für sich durchführen möchte, hängt meiner Meinung nach von einem selber ab. Aber was man dabei nie vergessen sollte, dass Rituale ein Gemeinschaft schaffen. Wenn ich mein Kind taufen lasse, dann wird ihm - abgesehen von den übrigen christlichen Versprechungen, die damit einhergehen - Aufmerksamkeit geschenkt, ihm gesagt, wir gehören zusammen, wir sind Christen. Ob wir nun glauben, dass dieses Kind nun über Jesus zu uns gehört oder ohne Jesus ist etwas, was jeder für sich entscheiden kann - aber es gehört zu uns.

Beste Grüße.

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