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Seite erstellt am 23.4.24 um 20:15 Uhr
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Verfasser: shana
Datum: Freitag, den 23. Juni 2006, um 14:21 Uhr
Betrifft: Frauen in ’Männerkirchen’

> als frau ist man in der kirche eh nicht soviel, wie der mann ... mir ist das unbegreiflich ..

Was ist daran denn so schwer zu verstehen? Ausgehend von einer (patriarchalen) Theologie: von Männern für Männer, ein männlicher Gott als ’Vorbild’ für seine männlichen (Miniatur) Ebenbilder und diese Religion dann noch praktiziert in von Männern gegründeten und organisierten Kirchen ..... was soll dabei schon anderes herauskommen? ;-)

Auf der Suche nach meinem ’Ahnenordner’ habe ich in alten ’Kisten-Kasten gegraben’. Nee, eine Tante musste dafür nicht geschlachtet werden;-), aber ich stiess dabei auf die Werke einiger ’älterer Tanten’, die ich schon vor längerer Zeit mal aussortiert hatte (die Werke), weil nicht mehr an ernsthafter Auseinandersetzung mit christlichen Grosskirchen interessiert und da auch nicht mehr ganz so aktuell (die in diesen Büchern geäusserte Kritik) ......

Trotzdem musste ich ein paar mal grinsen als ich nochmals in Lucie Stapenhorsts Buch "Entschuldige, Paulus, jetzt rede ich! - Frauenprotest gegen die Männerkirche" blätterte....

Für die Jüngeren: Lucy Stapenhorst, Jahrgang 1932, u.a. gelernte Religionspädagogin und bis zu ihrem Kirchenaustritt 1987 als Religionslehrerin tätig, ’nebenbei’ noch Mutter von 4 Kindern ...

Na ja, in ihrem ’Paulus Buch’ befindet sich u.a. ein Brief an die Lieben Amtsbrüder, recht gut formuliert und recht lang, deshalb hier nur ein ganz kleiner Auszug, denn eigentlich geht es mir hier hauptsächlich um das Postscriptum dieses Briefes...

"......Der Befreiungstheologe G. Gutierrez sagt, dass er, um an der Befreiung der Armen teilzunehmen, so eng wie möglich in ihrer Lebenssituation lebt. Welcher Priester der katholischen Kirche lebt so eng wie möglich in der Lebenssituation von uns Frauen? Wie soll ich Ihnen vermitteln, was ich erlebe?
Nie werden Sie gezwungen, Gott auf weibliche Art zu erfahren, die Bibel aus weiblicher Sicht zu deuten. Jede Theologiestudentin hat sich durch die Gedankengänge der Theologen zu quälen. Welches Buch einer Theologin gehörte zu Ihrer Pflichtlektüre? Haben Sie später je eines gelesen? Nie ist der Altarraum für Sie verboten. Sie dürfen Ihren religiösen Empfindungen in liturgischen Handlungen Ausdruck verleihen und die Bereicherung erfahren. Sie dürfen der Gemeinde von Ihren relgiösen Erfahrungen erzählen, Sie dürfen sie segnen. Nie haben sie Frauen Ihre Schuld zu beichten, sitzen Frauen über Sie zu Gericht  (Anmerkung von shana: hier musste ich an amazia denken) und dürfen Sie entlassen, falls Sie es gewagt haben sollten, sich nicht mit der Schwester zu identifizieren und deren weibliche Gotteserfahrungen als die Ihren zu verinnerlichen. (Anmerkung von shana: hier musste ich an Jutta Voss und ihre Erfahrungen mit der ’evangelischen Männerkirche’ denken).
Das Evangelium ist allein Ihnen anvertraut. Und das alles nicht deswegen, weil Sie der Kompetentere sind mit der besseren Ausbildung und den größeren Fähigkeiten, sondern einzig und allein deswegen, weil sie der MANN sind! Sie erleben Ihr Mann-Sein nicht als etwas Degradierendes, das Ihnen ständig Demütigungen beschert......."

Soweit der kleine Ausschnitt aus dem Brief an die Amtsbrüder. Hier jetzt das Postscriptum:

"PS: Das wird wird Sie interessieren:
"Die Herrschaft ... über ihre Frauen ... besteht in einem Monopol auf Welterklärung. Die alten Männer kontrollieren die Weitergabe von Mythen, die die Geschichte und den Gründer ... betreffen, und sie kontrollieren die Zeremonien und Rituale, die religiöse Selbstdarstellung ... Eine solidarische Machtstruktur ... wird so zwischen den Männern hergestellt ... Die Frauen haben bei diesen Zeremonien ebenfalls eine wichtige Rolle, sie müssen sich in gebührender Entfernung vom Ort des Geschehens davon beeindrucken lassen." Hier ist von primitiven Gesellschaften die Rede (was dachten Sie denn??) in dem Buch ’Sexismus’ von Marielouise Janssen-Jurreit, S.156 f."

Bei alten Männern, die die Weitergabe von Mythen, die die Geschichte und den Gründer betreffen etc. kontrollieren kann man natürlich auch mormonenbezogene Assoziationen haben;-) ..... Ich musste jedenfalls schmunzeln als ich dieses PS las .....

Soweit zu den alten aussortierten Büchern, na ja noch das Vorwort zu Lucie Stapenhorsts Buch "Als Tochter der Göttin von Zwängen befreit" das da lautet: "Das Patriarchat in seinem ganzen Ausmass zu begreifen, ist eine Erfahrung, die an die Grenze des Erträglichen reicht" Was weniger zum Schmunzeln als zum Nachdenken anregen sollte und zwar für diejenigen Frauen, die immer noch meinen/glauben, dass sie solche Systeme auch noch glaubenseifrig/tatkräftig unterstützen müssten .......

Zum Schluss noch der Hinweis auf das lesens- und drüber nachdenkenswerte Vorwort zur Neuauflage von Jutta Voss Buch: "Das Schwarzmond Tabu"
Jutta Voss, evangelische Theologin und Psychotherapeutin, die als Folge der Veröffentlichung dieses Buches ein Lehrzuchtverfahren wegen Ketzerei ’angehängt’ bekam und so ’ihre’ evangelische Kirche noch etwas genauer und besser kennenlernte;-) .....

Hier ein paar Auszüge zum Anlesen. Das ganze Vorwort ist zu finden unter:    http://www.jutta-voss.de/autorin.htm

"Kirchen haben keine Religion, sondern eine Konfession. Religion ist die Rückbindung an den eigenen, in der Tiefe der Seele vorhandenen und in jeder Krise tragenden Selbstwert. Da dieser unsichtbar ist, äußert er sich in symbolischen Bildern und Träumen, die auf der ganzen Welt als kult- und kulturprägende mythische Geschichten erzählt und aufgeschrieben wurden. Konfession ist dagegen das Bekenntnis zu einem von Menschen hergestellten Glaubensinhalt, den Kirchenmänner, den Machtinteressen von Männern entsprechend dogmatisch, d.h. als unhinterfragbar und als einzig gültige Wahrheit von Anfang der Welt her, festgelegt haben. Das gilt es zu glauben, egal, ob Erfahrungen und Wissen das Gegenteil aufzeigen. Die Dogmatisierung eines absoluten Wahrheitsanspruchs ist aber nur ein patriarchales Herrschaftsinstrument, mehr nicht. Monotheismus ist Diktatur. ......"

"Mythen beschreiben keine Göttergeschichten, sondern archetypische Prozesse seelischer Entwicklung. Da diese unsichtbar ablaufen, werden sie in mythischen Symbolgeschichten dargestellt und "an den Himmel" projiziert. Die Mythen der Bibel gibt es weltweit in vielen Variationen, die Bibel ist keine Besonderheit. Wenn wir alle entsetzlichen König-Krieg-Gewalt-Geschichten aus der Bibel streichen, bleiben einige wunderbare hebräische Mythen übrig, z. B. der Gang durch das Rote Meer und der Kampf des Jakob am Jabbok. Sie beschreiben genauso wie ägyptische, assyrische, griechische und keltische Göttermythen psychische Wandlung, nicht mehr und nicht weniger. Wenn der Selbstwert, der sich durch Wandlungen entwickelt, noch unbewusst ist, wird er in Gottesbildern nach außen projiziert (wörtlich: hinausgeworfen). Dieser angeborene Mechanismus der Projektion ist die Grundvoraussetzung dafür, dass wir uns überhaupt zu seelischen Inhalten in Beziehung setzen können. Um psychisch erwachsen zu werden, müssen wir diese Projektionsinhalte zurückzunehmen und in die Persönlichkeit integrieren, damit sie uns als eigene seelische Potenziale bewusst und erfahrbar werden. Ein weiblicher Selbstwert kann aber niemals als männliches Gottesbild projiziert werden. Das ist eine psychische Tatsache. Frauen und Männer sind religiös erwachsen, wenn sie die Bilder des Göttlichen als Projektionen wahrnehmen, zurücknehmen und nicht mehr projizieren. Erwachsene leben ohne Gott, dafür aber mit einer integrierten "göttlichen" Ethik, die menschliche Verantwortung für die Welt übernimmt."

"Mythen sind seelische Tatsachen und keine historischen. Das religiöse Bedürfnis ist eine psychische Realität. Konfession ist eine historische Entwicklung. Glaubensbekenntnisse müssen geglaubt werden, religiöse Wandlungen dagegen werden erfahren. Das ist der grundlegende Unterschied! Als Analytikerin, die sich um die Gesundung der Psyche bemüht, muss ich diagnostisch klar sagen, dass Konfession abhängig und psychisch krank macht. Sie kränkt die Seele, denn sie zwingt zum Verrat am Selbstwert. Damit spreche ich den Kirchen die Notwendigkeit ihrer Existenz für erwachsene Menschen ab, die keine "Kinder Gottes" mehr sein wollen. Die Zeit ist reif, religiös erwachsen zu werden."

Soweit Jutta Voss. Diese ihre Gedanken muss man jetzt nun nicht unbedingt (in ihrer Gesamtheit oder überhaupt) teilen. Die Auseinandersetzung mit ihnen lohnt sich aber auf jeden Fall, finde zumindest ich;-) ....

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