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der Beitrag:
Verfasser: Pyren
Datum: Dienstag, den 28. Februar 2006, um 0:10 Uhr
Betrifft: Judentum / Christentum ?

> Die Gruppen schrauben die Anforderungen, die die Heilstheorie stellt, derart hoch, daß sie die menschlichen Möglichkeiten übersteigen. Wer nach den Erfordernissen der Ideologie und der Sekte leben will, ist zwangsläufig zum Scheitern verurteilt.

> Dieser endlose Widerspruch löst bei vielen Gruppenmitgliedern traumatische Ängste aus, die sie zu weiteren Sonderleistungen anstacheln. Das Streben nach dem unerreichbaren Ziel wird zum fatalen Teufelskreis.

Wenn man mal nüchtern das Judentum und Christentum anschaut, stellt man fest, dass diese Vorwürfe in ihrem Keim schon dort vorhanden waren.

Waren die damaligen Pharisäer nicht genau diesem Wahn erlegen?
Sie zählten ihre Schritte, um den Sabbat zu heiligen. Sie fassten nichts unreines an aus Angst, dadurch spirituell unrein zu werden, etc, pp (Ihr kennt die Story).

Das hat Jesus gerade kritisiert: Mt 23,24:"Ihr verblendeten Führer, die ihr Mücken aussiebt, aber Kamele verschluckt!"
Anstatt dass sie den Kern der Bibel "Liebet euren Nächsten" ausführen und den Sabbat "um des Menschen willen" halten, drehen sie den Spieß um und beachten absolut unsinnige Gesetze und unterwerfen so den Menschen unter ein abstruses Dogma.

Die damaligen Juden waren also Handlungsfanatiker.
Auch heute findet man im orthodoxen Judentum extreme Praktiken,
zum Beispiel gibt es zwei getrennte Küchen für Milch und Fleischspeisen (zwei Kühlschränke, zwei Mixer, etc), damit man "das Böckchen nicht in der Milch seiner Mutter kocht".
(Eine Regel, die nur besagen sollte, dass man nicht heidnische Fruchtbarkeitsrituale ausführen sollte, von denen eines das Kochen eines Böckchens in der Milch seiner Mutter war, beides Zeichen von Fruchtbarkeit).

Hatte nun das Christentum diesen Fanatismus zum Teil überwunden, schwang das Pendel in die andere Richtung. Jetzt kam es zum Glaubensfanatismus.
"Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater, denn durch mich."
Mit diesem Vers wurde nun jede Gräueltat gegen Nichtchristen legitimiert.
Aus obsessiven Ritualhandlungen wurde nun der extreme Glaubensgehorsam.
Und wir wissen alle, dass der Glaube oft auf die Probe gestellt wird in einem Leben voller Leid,
Betrug, Unrecht, auch von Seiten der Kirchen.

Das ewige Aufzwängen von Perfektionismus, sei es Handlungsperfektionismus oder Glaubensperfektionismus, führt immer zu Kompensationen.

Ein Beispiel sei hierfür genannt:
Der mittelalterliche Satanismus inklusive Hostienschändung.
Im Mittelalter gab es viele Geschichten über Satanisten, die Hostien schänden.
Diese sind frei erfunden, es gab solche Menschen nicht (außer vielleicht extreme Einzelfälle).
Realen Satanismus gibt es in der Tat erst in der Neuzeit, z,B, Anton LaVey, dieser drückt jedoch ausschließlich Kirchenkritik aus.
Warum entstanden diese Vorstellungen von schwarzen Messen, deren Höhepunkt die Hostienschändung war?
Der Grund ist einfach. Diese Phantasien entstanden, als die katholische Kirche die Transsubstantiationslehre einführte, also die Lehre, dass der Priester während der Messe
die Hostie in den echten Leib Christi und den Wein in das echte Blut Christi verwandelt,
es handelt sich also nicht um symbolische Handlungen, sondern um eine substantielle Verwandlung.
Dies konnten viele Menschen (die nichts mit der dahinterliegenden griechischen Philosophie von Substanz und Akzidenz am Hut hatten) nicht verstehen und nicht glauben.
Da sie es aber glauben MUSSTEN (Dogma!), bildeten sie als Ausgleich eben jene furchtbaren Phantasien, in denen sie ihren Protest und Unglauben ausleben konnten.
Genauso zeugen auch Höllenphantasien nur vom unterdrückten Hass der Menschen,
je perfekter, freundlicher und mehr "christliche Attribute" ein Mensch nach außen zeigen muss,
obwohl er im inneren wie alle Menschen schlecht gelaunt, nachtragend, eigene Macken hat, desto mehr muss er diese unterdrückten Gefühle kompensieren, sei es mit Gewaltphantasien
( vgl. "Passion Christi", die schlimmste Sado-Maso Orgie, seit es Splatterfilme gibt)
Höllenphantasien, Teufelsphantasien, etc.
Und irgendwann brechen diese Phantasien dann in Gewalt aus:
Hexenverbrennungen, Kreuzzüge, Inquisition. Diese sind nur das Ausleben der über Jahrhunderte angestauten Kompensationsmechanismen, die zu abstrusen und irrealen Phantasien werden.

Natürlich muss man immer differenzieren, ich denke, die meisten Katholiken und Protestanten sehen die christlichen Lehren als Verbesserung des Lebens:
Liebe deinen Mitmenschen, reiß dich zusammen, wenn dich einer beleidigt hat,
stop die Spirale von Gewalt und Gegengewalt, hilf den Bedürftigen, etc..
Aber im Keim steckt doch immer die Möglichkeit des Exzesses, des Extremismus,
des Fundamentalismus, der Brutalität.
Diese äußert sich dann entweder in Zeitaltern, in denen die gesamte Gesellschaft "ausrastet"
(vgl. 3. Reich, Juden=Teufel phantasien), oder in Gruppierungen, die "ausrasten"
(heavens gate Sekte, die alle SElbstmord begangen).

Die Geschichte der Religion ist also die Geschichte des Scheiterns an einem Ideal.
Jesus ist ein Ideal, wir scheitern ständig an diesem.
Wenn wir dies einsehen und akzeptieren, können wir dennoch nach ihm Leben.
Wenn wir uns unser Scheitern nicht eingestehen und verbissen das unmögliche versuchen,
werden wir nur frustriert und extrem.

Man, ich schreibe viel zu viel für ein Forum, sorry.
Greetz,
Christoph.

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