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Verfasser: shana
Datum: Freitag, den 14. Oktober 2005, um 15:23 Uhr
Betrifft: Fundamentalismus, Kulte und Sekten

Fundstück in der Mittagspause beim nochmaligen Ãœberfliegen von John O’Donohues ’Echo der Seele’:

Ich hänge den Auszug jetzt mal an Burkhards Kirchenkritik in bezug auf  ’Lügen für den Herrn (also für die Wahrheit?)’ an, weil es ja im allerweitesten Sinne zusammenpasst.

<<<<.......Das Gefühl von Heimatlosigkeit, das unser modernes Leben bestimmt, schafft eine Atmosphäre von Besorgnis und Angst sowie sowie die Tendenz, einen Stil von Zugehörigkeit vorzuschreiben, der keinerlei Selbstkritik kennt und die Sehnsucht in festgelegten empirischen Bezugssystemen einzusperren versucht. Dies ist, was der Fundamentalismus tut.

Der Fundamentalismus: unechte Sehnsucht und erzwungene Zugehörigkeit

Unfähig, das Labyrinth der Abwesenheit zu deuten oder zu entziffern, verfällt der heimatlose Geist nicht selten der Nostalgie. Er betrachtet unser gegenwärtiges Dilemma nicht als eine Schwelle neuer Möglichkeiten, sondern als einen katastrophalen Abfall von einer idealen Vergangenheit. Der Fundamentalismus beklagt die Abwesenheit einer Zeit, als noch alles so war, wie es sich gehörte: Familiensinn, untadelige Sitten und der wahre Glaube herrschten absolut und waren durch keinerlei Fragen, Kritik oder sogenannte alternative Lebensentwürfe oder Moralvorstellungen bedroht. Natürlich hat es einen solchen Idealszustand nie gegeben. Weder die Erfahrung noch die Kultur sind jemals von einer so festgezurrten Homogenität gewesen. Der Fundamentalismus stützt sich auf fehlerhafte, durch Angst entstellte Wahrnehmung. Er konstruiert eine unwirkliche Abwesenheit: die Abwesenheit von etwas, das es in Wirklichkeit überhaupt nie gegeben hat. Er verwendet diese unwirkliche Abwesenheit als Grund für seine Forderung nach einer auf einem angeblichen Ideal aufgebauten Zukunft. Der Fundamentalismus gibt vor, einen absoluten Zugang zum Herzen des Geheimnisses entdeckt zu haben. Eine auf so tönernden Füßen stehende Gewißheit kann sich in einem echten, kritischen Gespräch nie lange halten.

Der Fundamentalismus ist weder an Meinungsaustausch noch an Wahrheitssuche interessiert.
Er  p r ä s e n t i e r t  Wahrheit. Er ist seinem Wesen nach nicht auf Erkenntnis aus. Seine unbegründete Gewißheit kann nur auf dem Fundament des Glaubens bestehen, daß alle anderen unrecht haben. Es ist also weiter nicht verwunderlich, daß der Fundamentalismus nach Macht verlangt, um seine Vision durchsetzen und die anderen zwingen zu können, sich gemäß seinen Forderungen zu verhalten. Jeder Fundamentalismus ist gefährlich und destruktiv. Er kann andere Standpunkte weder annehmen noch großzügig gelten lassen. Er bildet sich ein, die absolute, allgemeingültige Wahrheit zu besitzen. Oft entseht zwischen Fundamentalismus und offizieller Religion eine verlogene Kumpanei. Desillusionierte Würdenträger betrachten den Fundamentalismus nicht selten als den letzen Stützpfeiler des Glaubens, dem es gelungen sei, allen Anfechtungen des Pluralismus standzuhalten. Wenn dieser Irrglauben die höheren kirchlichen oder staatlichen Hierarchien erfaßt, sind die Resultate katastrophal. An die Stelle kritischer Zugehörigkeit tritt blinde Gefolgstreue. Alle phantasievollen, spirituell schöpferischen Menschen innerhalb des Systems werden zum Feind karikiert; sie werden an den Rand getrieben oder vollends hinausgeworfen. Einige der finstersten Formen von Fundamentalismus finden sich in heutigen Sekten.

Kulte und Sekten

Spiritualität, die sich von der Religion loslöst, kann völlig in die Irre gehen und in die schlimmsten Netze der Täuschung, des Selbstbetrugs und des Machthungers geraten. Wir alle kennen die Horrorgeschichten von Menschen, die von irgendwelchen Sekten geistig versklavt wurden. Sekten bieten emotionale Wärme und Zugehörigkeit an. Der Preis, den sie von ihren Mitgliedern dafür verlangen, ist die völlige Überantwortung jeglicher Individualität. Gewisse Kultformen und Sekten beherrschen die Kunst der gezielten Bewußtseinsveränderung. Dazu machen sie sich die natürliche menschliche Sehnsucht nach Spiritualität zunutze und beuten sie schamlos aus. Anders als eine große religiöse Tradition, die die kritische Loyalität und die innere Opposition ihrer Theologen fordert und braucht, besitzt eine Kult keinerlei Theologie. Zweifel und Widerspruch sind weder erwünscht noch auch nur gestattet. Die Sekte schaftt es, ihre Anhänger gefangenzuhalten und ihnen gleichzeitig einzureden und das Gefühl zu vermitteln, sie seien erlöst und frei. Als Mitglied einer Sekte bringt man es sogar fertig, mit dem Rest der Welt - den armen Verirrten, die das Licht der Wahrheit noch nicht erblickt haben - Mitleid zu empfinden. Der Kult fördert einen wirkungsvollen Dualismus, der Herz und Verstand voneinander trennt und Selbst und Gesellschaft aufspaltet. Er lockt die Sehnsucht der Menschen in eine düstere Falle. Der große Zulauf, den Sekten haben, ist ein überzeugender Beweis für die schreckliche Einsamkeit in der modernen Gesellschaft. Der Erfolg solcher Kulte beruht darauf, daß sie sich den Anschein zu geben wissen, sie böten eine Form von Zugehörigkeit an, die Trost, Gewißheit und Sinn schenkt. Auch wenn sie in Wirklichkeit keines ihrer Versprechen halten, beweisen ihre steigenden Mitgliedszahlen, welch ernste Krise der Zugehörigkeit gegenwärtig in unserer Gesellschaft und unseren etablierten Religionen herrscht....<<<<

Nun muss man dazu noch sagen, das John O’Donohue diese Analyse aus der Sicht eines Katholiken geschrieben hat und, dass das ganze auch nicht mehr ganz up to date ist (Buch ist in den 90-ern entstanden). Wenn man also auch die ein odere andere Sache etwas anders sehen kann, finde ich es insgesamt eine recht treffende Beschreibung dieser Phänome. Zumindest von Teilaspekten derselben, dazu liesse und läßt sich natürlich noch eine ganze Menge mehr sagen, siehe u.a. alle möglichen Beiträge etc. in diesem Forum.....

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